Archäologie der NS-Verbrechen im Arnsberger Wald

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Die LWL-Archäologie unterstützt bei der Aufarbeitung eines dunklen Teils deutscher Geschichte im Arnsberger Wald. Quelle: LWL-Archäologie für Westfalen (YoutTube channel)

Seit einigen Jahren beschäftigen sich Forscher des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) mit den Massakern an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern im Raum Warstein-Meschede (Arnsberger Wald, Südwestfalen). Hier, am Südostrand des sogenannten Ruhrkessels, verübte im März 1945 die »Division zur Vergeltung« sogenannte Kriegsendphaseverbrechen. An drei Orten wurden insgesamt 208 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, darunter viele Frauen und auch Kinder, erschossen und ihre Leichen am Ort verscharrt. Im Mai 1945 und 1947 erfolgte ihre Exhumierung; sie wurden in zwei Fällen in der Nachbarschaft erneut und in einem Fall im Bereich eines Kriegsgräberfriedhofs aus dem Ersten Weltkrieg beigesetzt. An den neuen Friedhöfen wurden Obelisken als Mahnmale in sowjetischem Stil errichtet. 1964 gelangte ein Obelisk im Zuge der erneuten Umbettung der Toten auf den Kriegsgräberfriedhof des Ersten Weltkriegs, der andere wurde anlässlich der gleichen Umbettungsaktion vor Ort verscharrt – es herrschte »Kalter Krieg«.

Aufgrund von Ermittlungsakten aus den 1940/50er Jahren sowie mehrerer Prozesse und von Filmaufnahmen des US-Signal Corps von der Exhumierung der bei Suttrop 1945 erschossenen Opfer sind zahlreiche historische Quellen über die Massaker überliefert, die Marcus Weidner umfänglich aufarbeitet. Auf seine Initiative hin erfolgte auch die archäologische Erforschung der Tatorte wie auch der durch die Alliierten angelegten Friedhöfe. Hierdurch konnten zahlreiche weitere Facetten und Fakten – und anschauliches Fundmaterial – dem bisherigen Forschungsstand hinzugefügt werden, was bei Beginn der archäologischen Arbeiten Ende 2018 niemand in diesem Umfang erwartet hatte.

Durch den Einsatz ehrenamtlicher Sondengänger wurden zunächst die Tatorte prospektiert; dabei kamen sowohl Fundobjekte der Opfer- wie der Tätergruppe zutage. Die Orte der Erschießungen ließen sich mitunter konkretisieren, die historisch belegten Abläufe der Mordtaten so bestätigen oder ergänzen.

In einem Fall kamen zahlreiche Opfer-Funde zutage, die in Gruben entsorgt worden waren. So sind z.B. Damenschuhpaare besonders instruktiv und verweisen zusammen mit Kunststoffperlen und Schmuck auf die weiblichen Opfer. Kopekenmünzen und Fragmente eines deutsch-polnischen Wörterbuches bezeugen die Nationalität der Opfer.

Zudem wurde auf einem 1945 südlich Warstein angelegten Friedhof nach dem dort verscharrten Obelisken gesucht; aus den Akten ging hervor, dass unter seinem Standort nach Gräbern gesucht worden sei, obwohl 1964 alle 71 Toten aufgefunden wurden. Die Vermutung war, dass das unliebsame sowjetische Ehrenmal entsorgt werden sollte. Und tatsächlich zeigte sich, dass das Fundament für den Obelisken unbeschädigt und er selbst dort verscharrt war. Daher musste tiefer gegraben werden, sodass auch die Basis der 1945 angelegten Grabgruben erreicht wurde, auf denen völlig unerwartet die hölzernen Tragen, mit denen die Toten transportiert worden waren, sowie einige weitere Funde der Opfer zutage kamen.

Unsere zeitgeschichtlichen archäologischen Arbeiten ermöglichen es, die Mordtaten, ihre Vertuschung, für einen Fall auch die Exhumierung und Niederlegung der Toten in einer »Kriegsgräberstätte« im Mai 1945 sowie die Exhumierung der Toten 1964 und das zeitgleiche »Verschwinden« des dort einst errichteten Obelisken detailliert nachzuvollziehen. Die archäologischen Funde und Befunde helfen nun, diese Vorgänge für die Öffentlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes anschaulich werden zu lassen.

| Michael Baales, Manuel Zeiler, LWL-Archäologie für Westfalen und Marcus Weidner LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte

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