Stadtarchäologie Wien legt Spuren von fast 2000 Jahren Stadtgeschichte frei

Grabung Frankhplatz/Alser Straße, 1090 Wien (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Für die neue U5-Station Frankhplatz an der Alserstraße begannen bereits im Sommer 2020
archäologischen Grabungen, dabei sind Spuren von fast 2000 Jahren Stadtgeschichte zum Vorschein
gekommen. Die Stadtarchäologie Wien und der archäologische Dienstleister Novetus haben Reste
eines römischen Hauses, mittelalterliche Keller und mächtige Mauern der Alser Kaserne ausgegraben.
Die Aufgabe der ArchäologInnen ist es, Funktion und zeitliche Abfolge der vielen Mauerreste und
Gruben zu erkennen und bauliche Strukturen zu rekonstruieren. Gegraben wird stratigrafisch, das
heißt, Schicht für Schicht wird vorsichtig von Hand abgetragen. Jede freigelegte Schicht, jedes Objekt
wird beschrieben, fotografiert und vermessen. Die darin enthaltenen Funde werden geborgen, denn
sie sind wichtig für die Datierung und für Fragen der Nutzung.

Römerzeit

Die Alser Straße ist eine geschichtsträchtige Verkehrsverbindung. Schon in der Römerzeit verlief hier
ein wichtiger Fernweg, der vom Legionslager Vindobona nicht nur zu den Ziegeleien (Hernals),
sondern auch weiter in Richtung Auxiliarkastell Comagenis (Tulln) führte.
Bislang war nur bekannt, dass sich in der Spätantike entlang dieser Straße ein Gräberfeld erstreckte.
Am Frankhplatz kam nun mehr zutage, als die ArchäologInnen erwartet hatten: Entdeckt wurde das
Steinfundament eines zur Straße hin orientierten Hauses, dessen Funktion bislang noch offen ist.
Auch Überreste zweier Öfen (wahrscheinlich Töpferöfen) und Gräbchen, als Spuren von Zäunen,
wurden freigelegt. Diese Siedlungsreste sind älter als das Gräberfeld und stammen vermutlich aus der
Zeit vom Ende des 1. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. Wichtig sind sie vor allem deshalb, weil sie
zeigen, dass die Lagervorstadt (canabae legionis) rund um das Legionslager flächenmäßig weitaus
größer dimensioniert war als bisher angenommen: Ein Puzzlestein, der das bislang bekannte
Siedlungsbild der Römerzeit in Richtung Westen erweitert.

Mittelalter

Im Jahr 1211 wurde die Alser Straße erstmals in einer Urkunde genannt. Gleichzeitig mit der
Stadterweiterung von Wien und dem Bau einer Stadtbefestigung am Ende des 12. bzw. zu Beginn des 13. Jahrhundert,
entstanden vor den Stadttoren bereits Ansiedlungen, sogenannte Vorstädte. Sie
waren in wirtschaftlicher Hinsicht für die Nahversorgung der Stadt von großer Bedeutung. In der
Vorstadt vor dem Schottentor, zu der wohl auch die Gegend um den Frankhplatz gehörte, sind für das 14. Jahrhundertbereits
ein Nonnenkloster, Ziegelöfen und ein Siechenhaus überliefert. Genaue
historische Pläne liegen aus dem Mittelalter aber nicht vor. Auf der Rundansicht des Niklas Meldeman
von 1529/1530 ist die „Vorstadt zwischen den zwei Mauern“ vor dem Schottentor dargestellt.
Das ArchäologInnen-Team legte nun mehrere Kellerräume frei. Erstmals konnten somit Grundrisse
mittelalterlicher, zur Alser Straße ausgerichteter Häuser der Vorstadt, dokumentiert werden. Sie geben
wichtige Hinweise auf die Ausdehnung der Besiedlung an der Alser Straße vor dem Schottentor im
späten Mittelalter.

Neuzeit

Das Areal des Frankhplatzes lag nach dem Bau der Wiener Festungsanlagen im 16. Jahrhundert
nahe dem Glacis, dem freien Feld vor dem Festungsgraben. Anhand von Plänen aus dem 18./19.
Jahrhundert war klar, dass die Ausgrabungsfläche die südöstliche Ecke der einstigen, 1912
demolierten Alser Kaserne, betreffen würde. Mächtige Mauern und Kellerräume der Kaserne konnten
gleich zu Beginn der Ausgrabung aufgedeckt werden.
Die Alser Kaserne wurde von 1751 bis 1753 erbaut, wies drei Obergeschoße und zumindest einen
großen Innenhof für Appelle auf. Verschiedene Infanterieregimenter waren hier im Lauf der Zeit
untergebracht. Die sogenannte Kasernentransaktion von 1891 bedeutete, Kasernen innerhalb des
Linienwalls aufzulassen. Diese entsprachen nicht mehr den militärischen Erfordernissen, auf ihren
Arealen sollten neue Wohnbauten entstehen. Die in der Alser Kaserne stationierten zwei
Infanterieregimenter übersiedelten 1912 in andere Kasernen, das Gebäude wurde abgebrochen.

Mauerreste als Zitat der Stadtgeschichte

Teile der freigelegten Mauerreste sollen konserviert und für die Öffentlichkeit dauerhaft sichtbar
gemacht werden. Bauliche und technische Möglichkeiten werden von einem ExpertInnenteam
dahingehend geprüft.

Zitat der Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler: „Mauern, Gräber, Scherben oder Knochen, Objekte des täglichen Bedarfs: Mit jedem freigelegten
Fundstück erhalten wir neue Kenntnis, die unsere Vergangenheit erhellt, neu arrangiert und bewertet“,
betont Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler „Dem Team der Stadtarchäologie Wien kann gar
nicht genug gedankt werden, dass es seit Jahrzehnten unermüdlich unseren geschichtsträchtigen
Boden erforscht und uns immer wieder mit Erkenntnissen überrascht, die Rückschlüsse über Lebensund Bauweisen, Gesellschaftsformen, Siedlungsentwicklung und viel mehr zulassen.
Geschichtsschreibung findet laufend statt, mit jedem Fund, jedem Gegenstand erfahren wir mehr über
uns“.

Nach Pressemitteilung der Stadtarchäologie Wien