Mehr noch als Fleisch und Milch

Bronzezeitliche Viehhalter im Nordkaukasus nutzten die reichen Nahrungsquellen der Berge und Steppen

Nordkaukasus
Der Elbrus, der höchste Berg im Kaukasus (5642m). Der Kaukasus ist eine wichtige Kontaktzone in der europäischen Geschichte (Foto: Sabine Reinhold)

Stabile Isotopendaten von Menschen- und Tierknochen zeigen eine sehr effektive Nutzung des vielfältigen Nahrungsangebots im nördlichen Kaukasus und den vorgelagerten Steppen durch bronzezeitliche Viehhalter im heutigen Süden Russlands. Die Haltung von Schafen, Ziegen und Rindern trug entscheidend zum Lebensunterhalt dieser Gemeinschaften bei.

Bisher gingen viele Forscher davon aus, dass die Menschen ihre Herden saisonal über so große Distanzen bewegten, dass sie verschiedene Landschaftszonen durchquerten und damit die Grundlage für überregionale Wanderungsbewegungen legten. Ein internationales Wissenschaftlerteam des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin (DAI), des Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie gGmbH Mannheim, der Denkmalschutzbehörde Nasledie in Stavropol‘ (Russland) sowie der Universitäten in Moskau (Russland), Basel (Schweiz) und Krems (Österreich) veröffentlichte nun neue Erkenntnisse bezüglich der Ernährung während der Bronzezeit. Der Fachaufsatz in der Zeitschrift PLoS ONE kommt zu dem Schluss, dass die Mobilitätsradien kleiner waren, als zunächst angenommen und dass die damaligen Menschen vorrangig Nahrungsquellen aus denjenigen Landschaften nutzten, in denen auch ihre sterblichen Überreste gefunden wurden.

Tierhaltungsformen, die an die Nutzung des weiten Graslands angepasst waren, gehören zu den effizientesten Wirtschaftsweisen vorgeschichtlicher Gemeinschaften in Eurasien. Während der Bronzezeit (ca. 3900-1000 cal. BCE) waren die Hänge des Kaukasus und die nördlich anschließende Steppenlandschaft hervorragend für die Haltung von Schafen, Ziegen und Rindern geeignet. Die dort lebenden mobilen Gemeinschaften ebneten den Weg für fundamentale Veränderungen ab dem Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. in Europa. “Kaukasien war immer eine Brücke, die die vorderorientalischen Zivilisationen mit Europa verband. Zweifellos war der Kaukasus für den Transfer sowohl technischer als auch sozialer Innovationen während der Bronzezeit sehr wichtig. Trotzdem müssen wir aber das Paradigma umfangreicher Wanderungen mit Hilfe einer fundierten Basis archäologischer Informationen kritisch hinterfragen.“ skizziert Svend Hansen, Direktor der Eurasien-Abteilung des DAI, die historischen Dimensionen der Untersuchung.

Auf den Hochebenen des Kaukasus und in der Steppe liegen tausende von Grabhügeln sowie zahlreiche Flachgräberfelder mit hervorragend erhaltenen Skeletten. „Diese menschlichen Knochen und Zähne sind archäologische Schätze“ sagt der Anthropologe Kurt Alt, Gastprofessor an der Universität Basel und Professor an der Danube Private University Krems. „Sie sind der Schlüssel für ein tiefgreifendes Verständnis der Wirtschaftsweise, der damit verbundenen Mobilitätsmuster und von sozialen Unterschieden.“ Die Untersuchung der menschlichen Ernährung ist eine etablierte Herangehensweise zur Untersuchung vorgeschichtlicher Mobilität, denn sie kann wirtschaftliche Einzugsgebiete früher Gemeinschaften widerspiegeln. Eine effiziente Methode für derartige Ernährungsrekonstruktionen ist die Analyse der stabilen Isotope von Kohlenstoff und Stickstoff in Knochenkollagen. Das Forscherteam ging über bisherige Untersuchungen hinaus und beprobte 105 Knochen von Menschen sowie 50 von Tieren aus acht Fundplätzen zwischen dem 5. Jahrtausend v. Chr. und der Zeit der Sarmaten. Darunter waren alle analysierbaren menschlichen Skelette aus fünf Grabhügeln. Nach den Grabformen und Ausstattungen zu urteilen, repräsentieren die Knochen Menschen, die zu einer komplexen Abfolge archäologischer Kulturen gehörten, die sich auch innerhalb derselben Grabhügel zeigt.

Die Berge, das Vorgebirge und die weitläufige Steppenlandschaft nördlich davon zeichnen sich durch sehr unterschiedliche Umweltbedingungen hinsichtlich ihrer Höhenlage, Feuchtigkeit, Temperatur und Vegetation aus. “Unter Heranziehung bereits veröffentlichter Daten heutiger und archäologisch überlieferter Pflanzen sowie der neu erhobenen Daten für Proben von Menschen und Tieren haben wir spezifische regionale Unterschiede der Isotopenzusammensetzungen sowohl in möglichen Nahrungsmitteln als in menschlichen und tierischen Knochen gefunden. Diese entsprechen den unterschiedlichen Umweltbedingungen.” erklärt Corina Knipper, Spezialistin für Isotopenanalysen. Die Daten sprechen größtenteils für eine auf Tierhaltung basierende Wirtschaftsweise, bei der Fleisch, Milch und/oder Milchprodukte von Haustieren, insbesondere von Schafen und Ziegen, genutzt wurden. Dennoch sind die Ergebnisse der Isotopenanalysen nicht gänzlich durch den Verzehr dieser tierischen Produkte zu erklären. Stattdessen liegt nahe, dass andere Nahrungsmittel, wie das Fleisch noch gesäugter Jungtiere, Fisch sowie vielfältige pflanzliche Lebensmittel zur Ernährung der Menschen beitrugen, insbesondere in den trockneren Landschaften.

Nach des Pressemeldung des DAI

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