Der Meister der Langbögen

Meister
Foto: Reinhard Erichsen © Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen

Museumsmitarbeiter Reinhard Erichsen hat Hunderte Langbögen gebaut und Pfeile geschnitzt. Wer die Wikinger Häuser in Haithabu besucht und etwas Glück hat, kann ihm bei der Arbeit zuschauen. Erichsen ist ein Meister darin. Um Superlative und Rekorde geht es ihm bei all dem jedoch nicht. Im Gegenteil. Im Interview erklärt er, was ihn an seiner Arbeit und der Wikingerzeit fasziniert. 


Herr Erichsen, Sie haben sich intensiv damit beschäftigt, wie die Menschen zur Wikingerzeit Langbögen für die Jagd gebaut haben. Was wissen wir denn heute allgemein darüber?

Archäologische Funde belegen zunächst einmal, dass die Siedler von Haithabu auf die Jagd gegangen sind. So konnten im Hafen einst Schlachtabfälle geborgen werden, unter anderem Knochen von Rothirsch, Wildschwein und Reh. Und – je nach Größe des Tieres, das gejagt werden sollte – wurden unterschiedliche Pfeilspitzen genutzt. Auch das belegen Funde. 

Was reizt Sie daran, Pfeil und Bogen zu bauen?

Ich bin gelernter Tischler, daher fasziniert mich schon die Arbeit mit Holz an sich. Vor zwanzig Jahren habe ich damit angefangen, Bögen zu bauen. Allgemein gilt: Ein Langbogen ist in etwa so groß, wie der Schütze, der ihn nutzt. Die Auszugslänge entspricht der Armlänge. Ich wollte aber auch wissen, wie sich die Langbögen im Laufe der Zeit – also von Epoche zu Epoche – verändert haben. Welche Hölzer zum Beispiel verwendet wurden. 

Was charakterisiert denn einen Langbogen, der in Haithabu genutzt wurde?

Ein besonderes Merkmal ist, dass die Enden des Langbogens künstlich nach hinten gebogen worden sind. Das war eine Innovation für diese Zeit. Die Bogenenden, in denen ja die Sehnenkerbe liegt, sind einer außerordentlichen Belastung ausgesetzt. Sie konnten so stabilisiert werden. Zu verstehen, warum die Wikinger ihre Langbögen wie gebaut haben, ist schon ganz spannend. Es ist heute sehr einfach, Pfeil und Bogen maschinell herzustellen. Ich möchte es jedoch den Wikingern gleich tun. Schritt für Schritt. Mit meinen Händen und einfachem Werkzeug wie Beil und Ziehmesser.

Einmal im Jahr nehmen Sie auch an den Dänischen Meisterschaften im Langbogenschießen teil…

Ja, das stimmt. Dort kommen 60 bis 80 Schützen aus Nordeuropa zusammen. Das macht Spaß und ich habe es schon weit nach vorn geschafft. Wenngleich es mir darum gar nicht geht.

Worum geht es ihnen dann?

Mich begeistert es, Geschichte lebendig darzustellen. Ich mache das schon seit 20 Jahren, lange bevor ich nach Haithabu gekommen bin. Die Initiative ist von meiner Tochter ausgegangen, die uns im Jahr 2000 auf ein archäologisches Freilichtmuseum in Dänemark aufmerksam machte und fragte, ob wir als Familie dort unsere Ferien verbringen wollen, um so die dortige Siedlung mit Leben zu füllen –  so wie es auch heute Gruppen in Haithabu tun.

Was fasziniert Sie persönlich an dieser Zeit?

Viele Dinge waren früher einfacher – im Sinne von ursprünglicher. Die Menschen waren mehr auf das Wesentliche konzentriert. Was nicht bedeutet, dass sie nur damit beschäftigt waren, zu überleben. Sie hatten durchaus Sinn für Kultur, für schöne Dinge. Das belegen auch reich verzierte Alltagsgegenstände, die gefunden worden sind.

Nach Pressemeldung des Museums für Archäologie Schloss Gottorf