1000 Jahre alte Wandmalereien im Augsburger Dom

Ältestes Zeugnis für die Ausmalung einer frühmittelalterlichen Bischofskirche nördlich der Alpen entdeckt

Im Augsburger Dom versteckte sich lange ein unerkannter kunsthistorischer Schatz: Bei Untersuchungen im südlichen Querhaus wurden Wandmalereien zum Leben und Sterben Johannes des Täufers entdeckt, die aus der Erbauungszeit des ottonischen Doms stammen und in das erste Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts zurückreichen. Mit diesem Bilderzyklus ist das älteste Zeugnis für die Ausmalung einer frühmittelalterlichen Bischofskirche nördlich der Alpen bekannt geworden.

Wandbild an der Ostwand des Südquerhauses im Augsburger Hohen Dom: Enthauptung Johannes des Täufers, oberer Bildteil: Herodes, Scherge, zwei klagende Jünger (Foto: Angelika Porst).

Da die Wandbilder übertüncht waren, blieben sie lange Zeit unsichtbar. Sie wurden erstmalig in den 1930er Jahren und dann in den 1980er Jahren freigelegt, jedoch ohne deren Alter und Bedeutung zu erkennen. Bei Restaurierungsmaßnahmen am Dachstuhl im Jahr 2009 stieß man auf nachweislich bauzeitliche Wandmalereien, was ein neues Licht auf die älteren Entdeckungen im Querhaus warf. Ein Restaurierungs- und Bauforschungsteam unter der Leitung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege konnte sie jetzt erstmalig untersuchen. Sie wurden dokumentiert, gereinigt und gesichert.

Wandbild an der Westwand des Südquerhauses im Augsburger Hohen Dom: Grablegung Johannes des Täufers, oberer Bildteil: zwei klagende Jünger (stehend), vor ihnen zwei weitere, die das Grab zudecken (Foto: Angelika Porst).

Trotz der stark in Mitleidenschaft gezogenen Farbflächen konnten zwei Szenen sowie Reste einer dritten identifiziert werden: Erhalten hat sich an der Ostwand die Hinrichtungsszene mit einem thronenden Herodes und der von seinen Jüngern beweinten Enthauptung des Täufers sowie an der Westwand die Grablegung. Die vermutlich an der Südwand angebrachten Szenen der Geburt und Namensgebung Johannes des Täufers wurden wohl bereits Mitte des 14. Jahrhunderts beim Bau des gotischen Südfensters zerstört. Kunsthistorisch weist das Dekorationssystem große Ähnlichkeiten zu der auf der UNESCO-Welterbe-Liste stehenden Georgskirche in Oberzell auf der Insel Reichenau auf.

Mäanderfries unterhalb der Grablegungsszene an der Westwand des Südquerhauses im Augsburger Hohen Dom: Detail mit Medaillonfeld (Foto: Angelika Porst).
Restaurierungs- und Kartierungsarbeiten im Hohen Dom, Augsburg (Foto: Nicolas Schnall/pba).

Generalkonservator Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, erläutert: „Es handelt sich bei den entdeckten Wandmalereien um den neben Oberzell flächenmäßig größten bekannten Zyklus aus der Zeit um 1000 im deutschen Sprachraum.“
Domkapitular Armin Zürn, Summus Custos des Doms, ist von den Forschungsergebnissen angetan: „Die neuen Erkenntnisse, besonders die Entdeckung der Johannesvita auf der Südseite nach St. Johannes hin, sind Nachweis für die großartige Gestaltung dieses geistlichen Ortes durch die Jahrhunderte.“ Im Besonderen dankt Domkapitular Zürn den Verantwortlichen beim Landesamt für Denkmalpflege und vor allem den Restauratorinnen für deren präzises und fundiertes Arbeiten in den vergangenen Monaten.

Zeichnung zum Wandbild an der Ostwand des Südquerhauses im Augsburger Hohen Dom: Enthauptung Johannes des Täufers: thronender Herodes, Enthauptungsszene, nimbierter Kopf am unteren Bildrand, darüber zwei Jünger mit Klagegestus (Zeichnung: Angelika Porst/ Maria Knackmuß).


Die Wandmalereien werden ausführlich ausgewertet. Im Dachraum sollen weitere Untersuchungen erfolgen. Für einen vollständigeren Überblick ist es wünschenswert, die Untersuchungen auf das nördliche Querhaus auszuweiten. Die aktuellen Maßnahmen wurden finanziert von der Stiftung Beate und Hans Peter Autenrieth, der Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung und der Diözese Augsburg.

Nach Pressemeldung des Bistums Augsburg und des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege

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