Eine Archäologie für die Zukunft unseres Planeten

Schweigsame Gelehrte, die Tonscherben zusammensetzen, eine Grabräuberin mit Sex-Appeal – diese Stereotypen dominieren die öffentliche Wahrnehmung von Archäologie. Doch zwischen diesen Bildern und der Archäologie des 21. Jahrhunderts liegen Welten. In einer breitangelegten Übersichtsarbeit beleuchten zwei Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte eine durch und durch moderne wissenschaftliche Disziplin und zeigen, welchen Beitrag die Archäologie leisten kann, damit die Menschheit die gewaltigen Herausforderungen des Anthropozäns bewältigen kann.

Archäologie für die Zukunft
Erkenntnisse aus Forschungsgebieten wie der Archäologie, der Geschichte, der historischen Ökologie und der Paläoökologie spielen eine wichtige Rolle, um nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen des Anthropozäns zu entwickeln.
© Michelle O’Reilly, MPI-SHH

Schuld sind auch Indiana Jones und Lara Croft: Die beiden Charaktere haben wenig dazu beigetragen, das völlig veraltete Bild von Archäologie in der Öffentlichkeit zu korrigieren. Dabei hat Archäologie, wie sie heute praktiziert wird, so gut wie keine Ähnlichkeit mit den in Filmen und Videospielen dargestellten Grabplünderungen. Selbst mit wissenschaftlicheren Darstellungen im Unterhaltungsbereich gibt es kaum Übereinstimmungen.

Mit ihrem in Nature Ecology and Evolution veröffentlichten Artikel möchten Nicole Boivin und Alison Crowther das Bild ändern. Er soll ein Publikum zum Nachdenken anregen, das bisher weitgehend bereit war, diese realitätsfernen Darstellungen für bare Münze zu nehmen. In dem Beitrag zeichnen die beiden Archäologinnen ein Bild ihres Faches, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in weißen Laborkitteln mit Hilfe einer millionenschweren Ausrüstung und modernster Computertechnologie neue Erkenntnisse gewinnen. Wie Boivin und Crowther deutlich machen, kann diese Art der Archäologie in erheblichem Maße dazu beitragen kann, durch und durch moderne Herausforderungen wie den Erhalt der biologischen Vielfalt, die Ernährungssicherheit und den Klimawandel zu bewältigen.

„Archäologie ist heute eine vollkommen andere Disziplin als noch vor 100 Jahren“, erklärt Nicole Boivin, Direktorin der Abteilung für Archäologie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Die Grabräuberei, wie wir sie in Filmen sehen, ist übertrieben. Trotzdem hatte die Archäologie in der Vergangenheit mit diesen Darstellungen wahrscheinlich mehr Ähnlichkeiten als mit der gegenwärtigen Archäologie. Im Gegensatz dazu ist das Fach heute sehr naturwissenschaftlich ausgerichtet und zielt auch auf die Lösung von Problemen der heutigen Zeit.“

Archäologie für die Zukunft
Auf der ganzen Welt finden wir heute viele Beispiele dafür, wie kulturelle und technologische Lösungen aus der Vergangenheit wiederbelebt werden, um die drängenden Herausforderungen im Bereich des Umweltschutzes und der Landwirtschaft anzugehen. Beispiele hierfür sind (von links nach rechts) die Mobilisierung der alten Terra-Preta-Technologie indigener Völker in Südamerika, die Wiederbelebung des „Landesque Capital“, das heißt, langfristiger Investitionen in die Lanschaftsgestaltung, sowie die Nutzung traditioneller Systeme zur Kontrolle von Bränden in Steppen und Wäldern. © Michelle O’Reilly, MPI-SHH

Die Autorinnen analysieren die Forschungsbeiträge ihres Fachgebiets aus den letzten Jahrzehnten und kommen zu einem klaren Schluss: Die moderne Archäologie kann viel zur Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen beitragen. „Der Mensch ist in unserem Zeitalter zu einem der zentralen Einflussfaktoren geworden, welche die Natur prägen“, betont Alison Crowther, Wissenschaftlerin an der Universität von Queensland und am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Wenn wir sagen, wir sind in ein neues, vom Menschen dominiertes geologisches Zeitalter, das Anthropozän, eingetreten, heißt das, wir erkennen diese Rolle an.“

Wie kann die Archäologie, eine Disziplin, die sich auf die Vergangenheit konzentriert, dazu beitragen, den Herausforderungen des Anthropozäns zu begegnen? „Es ist klar, dass die Vergangenheit ein riesiges Repertoire an kulturellem Wissen bietet, das wir nicht ignorieren können“, betont Professor Boivin. Indem die archäologische Forschung analysiert, was in der Vergangenheit funktionierte und was nicht – wodurch sie sozusagen Langzeitexperimente mit menschlichen Gesellschaften auswertet – gewinnt sie Erkenntnisse, welche Faktoren Nachhaltigkeit und Resilienz fördern und welche ihnen entgegenstehen.

Die Autorinnen legen auch dar, wie Lösungen aus der Vergangenheit helfen, heutige Probleme zu bewältigen. „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dazu beigetragen, die moderne Welt zu verbessern, indem sie Informationen darüber nutzten, wie Menschen in der Vergangenheit ohne fossile Brennstoffe auskamen: wie sie Böden anreicherten, zerstörerische Brände verhinderten, grünere Städte schufen und Wasser transportierten“, erklärt Crowther. Menschen nutzen und adaptieren zudem bis heute Technologien und Infrastrukturen, darunter Terrassierungen und Bewässerungssysteme, die teilweise Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende alt sind.

Die Wissenschaftlerinnen möchten insbesondere die anhaltende Bedeutung technologischer und sozialer Lösungen für den Klimawandel und für weitere Herausforderungen des Anthropozäns hervorheben. „Es geht nicht darum, die Vergangenheit zu verherrlichen oder den Fortschritt zu verteufeln“, betont Nicole Boivin. „Stattdessen geht es darum, das Beste aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenzubringen, um für die Menschheit einen verantwortungsvollen und konstruktiven Prozess in Gang zu setzen.“

Angkor
Archäologische Erkenntnisse aus agrarisch geprägten Städten mit geringer Bevölkerungsdichte, wie z.B. dem antiken Angkor in Kambodscha, werden zunehmend genutzt, um die Entwicklung von nachhaltigeren urbanen Zentren zu unterstützen. © Alison Crowther

Nach Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte

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