Zähne der ersten Bauern im Fokus der Forschung

Neue Ergebnisse über die Ernährung der Menschen, die in der Großen Ungarischen Tiefebene lebten. Eine transdisziplinäre Studie über die Ernährungsentwicklung der ersten agrarischen und pastoralen Gemeinschaften in Mitteleuropa untersucht die Zähne der ersten Bauern.

Zähne sagen viel über eine Person. So auch über die junge Frau, deren Schädel hier zu sehen ist.
Schädel einer jungen Frau aus dem Neolithikum. Credit: akg-images.

Zähne geben Auskunft über Lebensstil

Der Lebensstil und die Essgewohnheiten von Menschengruppen, die vor über mehreren Tausend Jahren gelebt haben, können anhand ihrer Zähne untersucht werden. Eine internationale Forschergruppe analysierte die prähistorischen Funde aus der Jungsteinzeit. Die neuartige Untersuchung von Zahnresten liefert nicht nur Erkenntnisse über die Lebensweise der Menschen in prähistorischer Zeit. Sie ebnete auch den Weg für andere, bisher nicht verwendete Methoden. Diese Studie wendet die sich ergänzenden Ansätze der stabilen Isotopen- und Zahnmikroabnutzungsanalysen an. Um die Ernährung der vergangenen Menschen im heutigen Ungarn zu untersuchen.

Die Große Ungarische Tiefebene gilt aufgrund ihrer zentralen geographischen Lage auf dem europäischen Kontinent als eines der interessantesten Gebiete für die Archäologie. Das Gebiet spielte eine Schlüsselrolle bei der Ausbreitung und Entwicklung der Landwirtschaft in ganz Europa. Und es war der Treffpunkt der ost- und westeuropäischen Kulturen. Als solches war es eine wichtige kulturelle und technologische Übergangsregion während der gesamten Vorgeschichte.
Aber obwohl es eine reichhaltige archäologische Region ist, gibt es nur wenige Studien, die die Ernährungsgewohnheiten ihrer Bewohner analysiert haben. In diesem Zusammenhang haben Forscher eine interdisziplinäre Untersuchung durchgeführt. Die neue Daten über die Entwicklung der Ernährung der ersten landwirtschaftlichen und pastoralen Gemeinschaften in Mitteleuropa liefert.

Übergang Jungsteinzeit zur Kupferzeit im Fokus

Die Studie konzentriert sich auf Populationen der Großen Ungarischen Tiefebene, die vom Mittelneolithikum (5.500 – 5.000 v. Chr.) bis zur späten Bronzezeit (1.450 – 800 v. Chr.) lebten. Während dieser Zeitspanne kam es zu bedeutenden Veränderungen in der menschlichen Ernährung. Die höchstwahrscheinlich von den sozioökonomischen, demographischen und kulturellen Transformationen beeinflusst wurden, die diesen Zeitraum von etwa 5.000 Jahren charakterisierten.

Raquel Hernando sagt: „Der demografische Anstieg während des Übergangs von der Jungsteinzeit zur Kupferzeit führte zu Veränderungen im Siedlungsmuster. Und einer verstärkten Konzentration auf die Viehzucht mit einer größeren Abhängigkeit von Rindern“. Sie fügt hinzu: „Mit der Ankunft der Bronzemetallurgie aus der östlichen Steppe kam es zu einer Intensivierung der Landwirtschaft. Und mit dem Übergang von der Jungsteinzeit zur Kupferzeit veränderte sich auch das Siedlungsmuster. Denn die Viehzucht rückte stärker in den Vordergrund“.

All diese Ereignisse fanden zur gleichen Zeit in weiten Teilen des europäischen Kontinents statt und „hatten Auswirkungen auf die Ernährungsgewohnheiten der menschlichen Bevölkerung dieser Zeit“, betont Beatriz Gamarra.

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Anwendung von zwei Methoden als Schlüssel zum Erfolg

Es zeigte sich, dass die Menschen im Vergleich zu den nachfolgenden Perioden während des Mittelneolithikums weniger abrasive und/oder mehr verarbeitete Lebensmittel konsumierten. Die Menschen des Mittelneolithikums verzehrten Fleisch und Getreide (wie Weizen, Einkorn und Gerste). Und das, obwohl ihre Ernährungsweise zwischen den einzelnen Fundorten variierte. Die Forscher fanden auch heraus, dass, obwohl in der Mittleren Bronzezeit der Konsum andere Feldfrüchte (wie Hirse) zunahm. Diese Veränderung hatte keine Auswirkungen auf die Abrasivität der Nahrung und die Art und Weise, wie sie verarbeitet wurde.

Diese Ergebnisse gewannen die Forschenden von denselben Individuen mit zwei Ansätzen, die sich als komplementär erwiesen: Analysen stabiler Isotope und die Mikroabnutzung der Zähne. Jede Methode deutet auf unterschiedliche Ernährungsmerkmale hin, und nur wenige Studien haben beide kombiniert, um auf die Ernährungsweise der Vorfahren zu schließen.

Raquel Hernando erklärt: „Das Neue an unserer Studie ist, dass wir dank der reichhaltigen ungarischen archäologischen Aufzeichnungen in der Lage waren, beide Methoden an denselben Individuen anzuwenden. Das haben frühere Studien selten genutzt. Während wir das mit dieser Arbeit entscheidend weiter entwickelt haben“.

Die Zahnmikroverschleißanalyse, fand Anwendung an den Backenzähnen, gibt Aufschluss über die Abrasivität der Ernährung. So lässt sich feststellen, wie die Verarbeitung der verzehrten Lebensmittel ablief. Die Untersuchung der stabilen Isotope gibt Aufschluss über die Herkunft der tierischen Proteine, die in den aufgenommenen Nahrungsmitteln enthalten sind.

Dr. Beatriz Gamarra betont: „Wir haben die Ergänzung dieser beiden Techniken demonstriert, was bei dieser Art von Forschung nicht sehr häufig vorkommt. Denn viele der archäologischen Kontexte der verwendeten Proben (wie z.B. Kollektivbestattungen) erlauben diese Art der Kombination an den Skelettresten derselben Individuen nicht.“

Mikroverschleiß der Zähne als Indikator

Für diese Untersuchung wurden insgesamt 89 Individuen aus 17 archäologischen Stätten verwendet, die aus verschiedenen Perioden stammen und im nordöstlichen Teil der Großen Ungarischen Tiefebene liegen. Das Material wird im Herman Ottó Museum in Miskolc, Ungarn, aufbewahrt. Raquel Hernando präzisiert:

„Von jedem Individuum haben wir die Zähne für die Mikroverschleißstudie, die postkranialen Überreste für die stabile Isotopenanalyse und den Felsenknochen (Innenohr) für die Durchführung alter DNA-Analysen verwendet. Um sie so biologisch zu vergeschlechtlichen“, spezifiziert Raquel Hernando.

Der dentale Mikroverschleiß besteht aus der Quantifizierung einer Reihe von Markierungen, wie z.B. Rillen und Gruben. Diese bilden sich auf den Zahnschmelzoberflächen während des Kauvorgangs aufgrund der Anwesenheit von Partikeln in der Nahrung, die härter als der Zahnschmelz sind. Anhand der Informationen aus den Mikroabnutzungsmustern kann auf die Abrasivität der aufgenommenen Lebensmittel und/oder den vorherigen Prozess, den die Lebensmittel vor dem Verzehr erlitten haben könnten, geschlossen werden.

Die Analysen der stabilen Isotope basieren auf dem Prinzip, dass die biochemische Zusammensetzung der von den Tieren aufgenommenen Nahrung in ihren Körpergeweben erhalten bleibt. Die Kohlenstoff- und Stickstoff-Isotopenfraktionen wurden aus dem Knochenkollagen berechnet und geben Aufschluss über die Herkunft der Proteine, die von den Individuen einige Jahre vor ihrem Tod verzehrt wurden.

Nach Pressemitteilung der EÖTVÖS LORÁND UNIVERSITY

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