Die letzte Schlacht der Anne de Bretagne

Einem multidisziplinären Team ist es gelungen, die Skelettüberreste von Soldaten zu identifizieren, die an der letzten Schlacht der Belagerung von Rennes im Jahr 1491 beteiligt waren. Das Forscherteam stellt sich zusammen aus Forschenden des Inrap, des CNRS, der Universitäten von Ottawa, Rennes 2 und Toulouse III Paul Sabatier und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Die Skelette sind die einzigen Zeugen dessen, was sich vor Ort zugetragen hat, als die Armeen der Herzogin Anne de Bretagne und des Königs von Frankreich aufeinandertrafen.

Die Opfer der Schlacht um Rennes, das Massengrab der Soldaten.
Grab der Soldaten, die der königlichen Armee zugerechnet werden und im Jakobinerkloster begraben sind. Credits: Rozenn Colleter / Inrap

Von 2011 bis 2013 führte ein Team des Inrap Ausgrabungsarbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Jakobinerklosters durch. Anschließend soll auf der Fläche das Kongresszentrum Rennes Métropole entstehen. Diese Arbeiten führten bereits zu zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Eine davon etwa über Louise de Quengo, eine bretonische Adelige. Sie wurde in ihrem Bleisarg auf natürliche Art und Weise mumifiziert. Während sich andere mit einer eingravierte Musikpartitur auf einer Schieferntafel beschäftigen. Oder damit, wie sich die Menschen in Rennes während der Zeit des Ancien Régime ernährt haben.

Das Rätsel um zwei Massengräber, in denen sich die Überreste von mehr als dreißig Menschen befinden konnte bisher jedoch nicht gelöst werden. Vier Skelette befanden in der einen Grube und wenigstens 28 in der anderen Grube. Osteologische Untersuchungen ergaben, dass es sich bei ihnen zweifellos um professionelle Soldaten handelte, die durch Messerstiche getötet wurden. Anhand einer Radiokarbonanalyse ist es den Forschenden gelungen, das Ereignis auf Mitte 15. Jahrhundert bis Ende 16. Jahrhundert zu datieren. All diese Kriterien deuten auf einen bestimmten Konflikt hin – den Krieg zwischen Frankreich und der Bretagne von 1487 bis 1491.

Der letzte Franko-Bretonische Krieg

Durch die Politik der Familie Montfort, die einen vom Königreich unabhängigen Fürstenstaat schuf, erlebte das Herzogtum Bretagne im 15. Jahrhundert eine Periode des Wohlstands. Für die Entstehung des Konflikts gab es mehrere Gründe: der Wille des Königs von Frankreich, sich nach dem Hundertjährigen Krieg in der Bretagne durchzusetzen, Spaltungen innerhalb des bretonischen Adels und eine herzogliche Politik der Unterstützung von Revolten gegen den König von Frankreich. Da Herzog François II. keinen männlichen Erben hatte, beanspruchte der französische König Charles VIII. die Bretagne. Jedoch setzte der Herzog seine Töchter als legitime Erben ein.

Im Jahr 1487 brach der Krieg aus. Davon betroffen waren viele europäische Mächte: England, die Königreiche von Kastilien und Aragon und das Heilige Römische Reich. Die Folgen dieses Konflikts sind bis heute bekannt: das Ende der bretonischen Unabhängigkeit. Die Belagerung von Rennes im Jahr 1491 wurde durch die Heirat der Herzogin Anne de Bretagne – damals 14 Jahre alt – mit Charles VIII., beendet.

Tollensetal 1300 v.Chr.

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Sicher wurde der Krieg nicht im heutigen Mecklenburg-Vorpommern »erfunden«. Aber in einem Flusstal im Nordosten dieses Bundeslandes fand um 1300 v. Chr. eine große Schlacht statt, dessen Überreste im feuchten Boden ausgezeichnet erhalten geblieben sind. Seit 2009 arbeitet ein Team aus Archäologen, Anthropologen, Forensikern und Naturwissenschaftlern daran, die Ereignisse aufzuklären, die zur Entstehung dieser außergewöhnlichen Fundsituation geführt haben. 

Zwei Lager, zwei Gruben

Die beiden von Inrap ausgegrabenen Gruben in Rennes enthielten ausschließlich männliche Skelette: groß, eher jüngeren Alters, einige Knochen deuteten auf Traumata hin, die die Männer vor Eintritt des Todes erlitten hatten. Doch auf welcher Seite zogen sie in die Schlacht? Um die geografische Herkunft dieser Soldaten zu bestimmen, führten die Forschenden Isotopenanalysen der Elemente Schwefel, Strontium und Sauerstoff durch. In mineralisierten Geweben (Knochen und Zähnen) konserviert, variieren die Anteile dieser Isotope in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren wie Geologie (Strontium-Isotopen), Klima, Höhenlage und Breitengrad (Sauerstoff-Isotopen) oder sogar die Entfernung von der Küste (Schwefel-Isotopen). Die Kombination dieser drei Tracer ermöglicht es, geografische Regionen zu identifizieren, welche die in Zähnen (Kindheit und Jugend) und Knochen (die letzten 10 Lebensjahre) gemessenen Isotopenwerte erklären können.

So zeigt das erste Grab, dass drei der vier Skelette sehr wahrscheinlich bretonischer Herkunft sind. Das vierte weist alte Stichwunden auf, die verheilt sind. Die Schwefelisotopenwerte dieses Skeletts deuten darauf hin, dass es sich um einen professionellen Soldaten gehandelt hat. Er war mit dem bretonischen Lager verbündet. Seine Ernährung war reich an tierischen Eiweißen und seine genomischen Besonderheiten (seine mitochondriale Haplogruppe ist identisch mit der von Louise de Quengo und zwei ihrer Grabnachbarn) deuten darauf hin, dass er ein adeliger Soldat und kein Söldner war.

Genanalysen klären Rätsel

Isotopen- und genetische Analysen belegen, dass dieser Adelige familiäre Bindungen in der Bretagne hatte. Allerdings wuchs er weit entfernt von seiner Heimat auf. Jedoch kehrte er später zurück, um die Schlacht um die Unabhängigkeit seiner Heimat zu kämpfen. Die etwa 28 Skelette, die sich in der anderen Grube befanden, gehörten zu Lebzeiten dem französischen Lager an. Die Schwefel-Isotopenanalyse deutet aber bei den meisten dieser Individuen auf eine nicht-bretonische Herkunft hin.

Berechnungen zur Bestimmung der geografischen Herkunft anhand von Schwefel-, Strontium- und Sauerstoff-Isotopen belegen, dass diese Soldaten aus dem nördlichen Pariser Becken, der Poitou-Region, dem Rhône-Tal und der Alpenregion stammten. Diese geografischen Ursprünge bestätigen die wenigen historischen Daten zur Rekrutierung französischer Soldaten während dieses Krieges. Einige kamen von weiter her: aus Kastilien, Aragon, England und dem Heiligen Römisches Reich. Die Isotopenanalysen zeigen außerdem, dass sich diese Menschen nicht gleichermaßen häufig von tierischem Eiweiß ernährt haben, was darauf hindeutet, dass es sich um Soldaten von unterschiedlichem sozialen Status handelte.

Die Untersuchung menschlicher Knochenreste aus Massengräbern liefert aus erster Hand einzigartige historische Informationen über wenig dokumentierte Konflikte. Die beiden aktuellen Studien zeigen: Die Untersuchung der drei Tracer-Isotopen kann zur weiteren Erforschung der verschiedenen Allianzen und Rekrutierungsstrategien vergangener Kriegsereignisse beitragen und die dürftigen historischen Aufzeichnungen über das Leben der einfachen Soldaten ergänzen.

Karten zur Migrationsgeschichte

Die Forschenden haben Karten zur geografischen Herkunftswahrscheinlichkeit entwickelt, die die Ergebnisse aus Schwefel-, Sauerstoff- und Strontium-Isotopenanalysen kombinieren. Darüber hinaus haben sie eine Datenbank mit 2.680 Schwefel-Isotopen-Analysen von 221 Standorten in Westeuropa erstellt, um Variationen zu beobachten. Die Schwefel-Isotopenzusammensetzung ist in ganz Europa sehr vorhersehbar und variiert hauptsächlich hinsichtlich der lokalen Ablagerung von Meersalz-Aerosolen und Staub. Die Schwefel-Isotope sind in hohem Maße komplementär zu denen von Strontium und Sauerstoff, und mit ihrer Hilfe können die Forschenden die Genauigkeit der geografischen Zuordnung verbessern. Die Kombination dieser drei Isotope ermöglicht es, die Herkunftsregion von archäologischen Objekten quantitativ und genau zu bewerten und so auch Migrationen zu dokumentieren, die in der Vergangenheit stattgefunden haben.

Karte der Schwefelisotopenverteilung in Europa: Dargestellt in Grau sind die Schwefelisotopen-Werte. Credits: PLOS ONE CC-BY 4.0 Internationale Lizenz

Nach Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie.

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