Preis für den Kieler Archäologen Johannes Müller

Johannes Müller vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der CAU.
Johannes Müller vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der CAU. Prof. Müller ist Sprecher des Exzellenzclusters ROOTS und des Sonderforschungsbereiches „TransformationsDimensionen“. © Sara Jagiolla UFG Kiel

Der schwedische Riksbankens Jubileumsfond (RJ) hat dem Archäologen Professor Johannes Müller, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), das 30. Humboldt-Stipendium für herausragende deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zuerkannt. Der Preis wird jährlich auf Vorschlag der schwedischen Hochschulen an Forschende vergeben, die die skandinavisch-mitteleuropäische Forschungszusammenarbeit vorangetrieben und exzellente wissenschaftliche Ergebnisse zu Themenfeldern der schwedischen und deutschen Forschung vorgelegt haben. Der RJ ist eine unabhängige schwedische Stiftung mit dem Ziel der Förderung von Geistes- und Sozialwissenschaften.

Vorgeschlagen für den Preis wurde Müller von der Universität Göteborg, mit deren Institut für Geschichtswissenschaften der CAU-Forscher wissenschaftliche Kontakte zur Archäologie des skandinavischen und europäischen Raumes unterhält. Die archäologische Forschung in Göteborg zeichnet sich durch Projekte zu vergangenen Gesellschaften aus, die unter Einbeziehung neuer Methoden Mensch-Umwelt Verhältnisse vergangener Gesellschaften ergründen. Sie hat damit einen ähnlichen Schwerpunkt wie die erfolgreichen archäologischen Kieler Verbundprojekte.

„Archäologie in ihrer ganzheitlichen und langfristigen historischen Perspektive bietet insbesondere als Geistes- und Naturwissenschaft die Möglichkeit, die Herausforderungen der modernen Welt besser zu verstehen“, erläutert Müller den wissenschaftlichen Kontext. „Gerade in Zusammenarbeit mit Göteborg haben wir gezeigt, dass eine moderne historische und archäologische Forschung Fragen zur Nachhaltigkeit von Gesellschaften, zu Konfliktlösungen und zur sozialen Ungleichheit interdisziplinär beantworten muss. Wir wissen, dass das Bewusstsein über die Vergangenheit auch immer eine politische Dimension hat. Statt einem Fokus auf Fremdheit, Gewalt und Desintegration vergegenwärtigen gerade die neuen Ergebnisse der archäologischen Forschung, dass Diversität, Integration und das Bedürfnis nach Friedfertigkeit immer zum Grundbestand des Menschen und menschlicher Gesellschaften gehörte.“

Seit Anfang April ist Johannes Müller nun an der Göteborg Universität, um dort im Rahmen der bestehenden schwedisch-deutschen Kooperationen die gemeinsamen Forschungsarbeiten zu intensivieren und in mehreren Arbeitsgruppen mitzuarbeiten. Das Forschungsstipendium deckt sämtliche Kosten des sechsmonatigen Aufenthalts. 

Schwedisch-deutsche Partnerschaft mit Tradition

Die Universität Göteborg ist Partner im Exzellenzcluster „ROOTS – Konnektivität von Gesellschaft, Umwelt und Kultur in vergangenen Welten“ und im Sonderforschungsbereich 1266 „TransformationsDimensionen: Mensch-Umwelt Wechselwirkungen in prähistorischen und archaischen Gesellschaften“. Die Zusammenarbeit wird sich auch auf Müllers durch den Europäischen Forschungsrat im Rahmen eines ERC Synergy Grants geförderte Projekt zur Archäologie des Sehens erstrecken, das mit dem Göteborger ERC Synergy Projekt „Von der Korrelation zur Interpretation prähistorischer Gesellschaften“ eng kooperiert.

Wie eng schon immer die Kooperation der deutschen und schwedischen archäologischen und anthropologischen Forschung war, belegt auch der Lebenslauf der Namensträgerin der Kieler Johanna-Mestorf-Akademie. Die Kieler Archäologin Johanna Mestorf (1828-1909), eine der ersten Museumsdirektorinnen in Deutschland und erste Frau in Preußen, der der Titel einer Honorarprofessorin an der Kieler Universität verliehen wurde, hatte in Schweden wesentliche Aspekte der naturwissenschaftlichen Archäologie kennengelernt und sowohl im skandinavischen als auch deutschsprachigen Raum gewirkt.

Tatsächlich sind für Müller neben den inhaltlichen Fragen auch strukturelle Aspekte der Wissenschaftssysteme wichtig. „In Deutschland arbeiten an den Universitäten aktuell rund 92 Prozent der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Diese Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Wissenschaft ist das große Defizit der sonst positiven Entwicklung des Wissenschaftsstandortes Deutschland. Ich bin gespannt, ob an erfolgreichen skandinavischen Universitäten Lösungsmöglichkeiten angeboten werden“, so Müller. Der Aufenthalt in Göteborg soll insgesamt ein Fenster sein, um die institutionelle und wissenschaftliche Vernetzung zwischen Kiel und Göteborg weiterzuentwickeln.

Nach Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)