Ausgrabungen in Zukunft überflüssig?

Erstmals wendeten Forschende die pXRF (portable X-ray fluorescence analysis) in Kombination mit geostatistischen Datenanalysen auf anthropogene Sedimente in Afrika an. Die Forschenden hoffen durch diese nicht-invasive Methoden Ausgrabungen überflüssig zu machen.

Steinmauern in Seoke, die dank der neuen Methode nicht mithilfe von Ausgrabungen erschlossen werden mussten.
Steinmauern bei Seoke, südlicher Cluster. Credits: 2021 Biagetti et al..

Ausgrabungen vermeiden

Archäologen haben durch die Anwendung der pXRF auf anthropogene Sedimente Fortschritte beim Verständnis und der Erhaltung archäologischer Stätten gemacht. Zudem konnten sie ihre Analyse und Vermessung verbessern. Es handelt sich um ein schnelles, kostengünstiges, nicht-invasives Verfahren. Dadurch ist es möglich die Analyse chemischer Elemente mit Geostatistik, sowie eine zusätzliche archäologische Aufzeichnung der anthropogenen Ablagerung zu kombinieren. Anschließend können die Forschenden einen zusätzlichen archäologischen Datensatz aus der anthropogenen Ablagerung generieren.

Das Verfahren testeten die Forschenden dabei erfolgreich an der aus dem 18. Jahrhundert n. Chr. stammenden, von Steinmauern umgebenen Stätte von Seoke in Botswana im südlichen Afrika. Steinmaueranlagen sind Siedlungen der südafrikanischen Eisenzeit, die um 1200 n. Chr. entstanden sind und deren Größe und Form stark variieren. Ihr Name spiegelt die Trockenmauerstrukturen wider, die sie charakterisieren. Diese Stätten bewohnten verschiedene Bantu-sprachige Ackerbau- und Hirtengemeinschaften. Sie betrieben Ackerbau, jagten und außerdem verehrten sie Vieh als Quelle wirtschaftlichen und politischen Reichtums.

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Virtuelle Vergangenheit

Digitale Technologien drängen mit Macht in die Archäologie. Eine besondere Chance bietet die Virtualisierung: Virtuelle Rekonstruktionen von Objekten oder gar ganzer Lebenswelten schlagen eine Brücke von der Wissenschaft zur Öffentlichkeit, wecken Interesse und Verständnis für das kulturelle Erbe. Apps holen Funde aus dem Archiv und tragen sie in die Landschaft, bringen Ausgrabungsbefunde ins Museum oder gleich alles auf einmal ins heimatliche Wohnzimmer. Im Thema zeigen Fachleute exemplarisch die schier grenzenlosen Möglichkeiten.

Neue Details

„Unser Verfahren geht über die sichtbaren archäologischen Zeugnisse hinaus. Denn es liefert Informationen über die Nutzung des Raumes. Außerdem bestätigt oder korrigiert es die möglichen Funktionen der untersuchten Gebiete. Die von uns durchgeführten Untersuchungen haben auch die Existenz von ‚unsichtbaren‘ archäologischen Merkmalen aufgedeckt. Diese könnte man bei herkömmlicher Feldarbeit mit bloßem Auge nicht identifizieren“, erklärt Stefano Biagetti. Die pXRF-Analyse liefert zudem schnelle Ergebnisse (nicht mehr als vier Minuten pro Probe). Dadurch ermöglicht sie die Analyse relativ großer Flächen in kurzer Zeit. Zudem können Forschende das Feldlabor einfach einrichten, ohne dabei große Mengen an Sediment zu transportieren.

Trotz der langen Tradition der Erforschung der Raumnutzung in diesen Siedlungen, die vor allem auf ethnographischen Zeugnissen und Ausgrabungen in kleinen Bereichen einiger Stätten beruht, erwies es sich bisher als schwierig, diese Analyse mit traditionellen Ansätzen durchzuführen, die über eine allgemeine, groß angelegte architektonische Bewertung hinausgehen: Diese Stätten waren nur für kurze Zeiträume (eine oder zwei Generationen) bewohnt, sie sind durch die geringe Mächtigkeit der archäologischen Ablagerungen gekennzeichnet, in denen nur wenige Objekte gefunden werden, und sie umfassen eine große Anzahl von Steinstrukturen mit ähnlicher Morphologie, was die Identifizierung der verschiedenen Nutzungen erschwert.

Ein neuer Ansatz zum Verständnis der funktionalen und symbolischen Nutzung des Ortes

Menschliche Siedlungen können Beweise in Form von chemischen Elementen in den Sedimenten des Ortes hinterlassen, die es erlauben, viele menschliche Aktivitäten zu identifizieren (z.B. Bereiche des Hauses, für die Zubereitung und den Verzehr von Nahrung, Bestattungen, handwerkliche Produktion, Lagerung, Viehhaltung, etc. „Die chemischen Marker bieten einen unschätzbaren Ansatz, um vergangene und aktuelle Aktivitäten eines Ortes zu bestimmen, die räumliche Dynamik dieser Aktivitäten zu verstehen und zudem architektonische Strukturen in Bezug auf ihre Funktionen und Nutzungen zu interpretieren“, so die Autoren.

Das Potenzial dieses neuen Ansatzes liegt in der Tatsache, dass Spuren chemischer Elemente eine sich wiederholende Nutzung in bestimmten Bereichen darstellen. „Der Fokus verlagert sich von den absoluten Werten der chemischen Elemente auf ihr Vorhandensein, ihre Kombination und vor allem auf die Anomalien, die durch ihre Abweichung vom Durchschnitt der Proben entstehen“, heißt es.

Nach der Analyse des Seoke-Geländes mit dem pXRF-Gerät und einer geostatistischen Technik namens „Kriging“ entdeckten die Forscher zum Beispiel Phosphor, was auf das Vorhandensein von Vieh hinweist; Konzentrationen von organischen Materialien, die auf das Vorhandensein von Mülldeponien hinweisen; Metalle wie Chrom, Eisen und Zirkonium, die zur Hypothese eines als Werkstatt oder Lager genutzten Bereichs passen, in dem Metallwerkzeuge zur Formung von Töpferwaren, zum Abräumen, zum Holzschneiden usw. verwendet worden sein könnten; und Silizium, was auf einen möglichen Bereich zur Verarbeitung und Lagerung von Getreide hinweist.

Ein innovatives Verfahren, das auf seine Verwendung in der zukünftigen Forschung hinweist

Die Autoren betonen, dass dieses bahnbrechende Verfahren in der Anwendung nicht-invasiver Techniken noch nie dagewesene Möglichkeiten im Verständnis afrikanischer archäologischer Stätten ermöglichen könnte, ohne das kulturelle Erbe durch neue Ausgrabungen zu stören. „Die vielversprechendste Errungenschaft unserer Studie ist, dass pXRF in den Ablagerungen von steingemauerten Stätten gut funktioniert. Die hier vorgestellten Ergebnisse können außerdem kritisch genutzt werden, um Surveys und Ausgrabungen an anderen Stätten mit ähnlichen Merkmalen zu planen, und ganz allgemein an jeder anderen Freiluft-Stätte“, versichern sie.

Nach Pressemeldung der UNIVERSITAT POMPEU FABRA.

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