Unbekanntes Bollwerk der Paderborner Stadtmauer entdeckt

Grabungsmitarbeiter legen die Stadtmauer frei. Blick von Norden.
Foto: EggensteinExca/R. Gündchen
Grabungsmitarbeiter legen die Stadtmauer frei. Blick von Norden. Foto: EggensteinExca/R. Gündchen

Bei Bauarbeiten sind Archäolog:innen auf die Reste einer sogenannten Schanze gestoßen, deren Nachweis in Paderborn jetzt erstmals gelang. Die Schanze, entdeckt bei den Arbeiten für den geplanten „Zentralen Omnibus Haltestelle (ZOH)“ an der Friedrichsstraße, gehörte zur Stadtmauer, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtet wurde und die die Stadt vor feindlichen Angriffen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts schützte.

LWL-Archäologin Dr. Sveva Gai: „Die Eintragung der Stadtmauer Paderborns in die Denkmalliste ist zwar noch nicht abgeschlossen, doch hat die Unterschutzstellung dieses wichtigen Überrests der Paderborner Stadtgeschichte hohe Priorität.“

Zur alten Stadtmauer gehörte offenbar auch die jüngste Entdeckung, die durch die ausführende Fachfirma gemacht wurde und die Expert:innen der Stadtarchäologie Paderborn überrascht. Die Stadtarchäologie Paderborn gehört zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und ist im Auftrag des städtischen Straßen- und Brückenbauamtes mit der fachlichen Begleitung der Bauarbeiten in diesem archäologisch sensiblen Bereich befasst.

Mauer schützte Paderborn vor Angriffen

In schriftlichen Quellen werden 1183 erstmals zwei Tore – das Spiringstor (heute Kasseler Tor) und das Heierstor (heute Detmolder Tor) – erwähnt. Drei weitere Tore werden in Urkunden der Jahre 1222 (Westerntor), 1231 (Gierstor) und 1300 (Riemeketor) genannt. Die Befestigung wurde bis in die Neuzeit stetig verbessert und erweitert.
Besonders eindrucksvoll wurde sie – den Entwicklungen der Waffentechnik angepasst – im 17. Jahrhundert: „Mächtige Schanzen an den Stadttoren ergeben das Bild einer Anlage, die vor allem der Verteidigung diente“, so Gai. Ein Kupferstich von Matthias Merian aus dem Jahr 1646 zeigt eine Belagerungsszene aus der Vogelperspektive, die sich während des Dreißigjährigen Kriegs ereignete. Zwischen dem Westerntor im Südwesten der Stadt und dem Neuhäusertor im Westen zeigt der Stich eine beinahe dreieckige Bastion, die aus der Stadtmauer hinausragt und den tiefen und breiten Graben schützt.

Die Zeichnung ist an dieser Stelle nicht eindeutig, so dass man bisher annahm, dass die Bastion zwar geplant, aber nie ausgeführt worden war. Andere Quellen zeigen das Bollwerk ebenfalls, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgerissen worden sein muss, da es im Urkataster von 1830-31 nicht mehr verzeichnet ist.

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Bollwerke, Bastionen und Bombarden

Lange Zeit genügten einfache Ringmauern, um die mittelalterlichen Städte und Burgen zu schützen. Doch spätestens ab dem 15. Jh. stellten Schießpulver und Feuerwaffen neue Herausforderungen an das Befestigungswesen. Es entstanden völlig neue Festungsanlagen, die auf die Anforderungen der modernen Waffentechnik abgestimmt waren.

Ausgrabungen bringen dicke Mauern ans Licht

„Die Erdarbeiten an dieser Stelle haben gezeigt, dass sich immer noch größere Teile der Verteidigungsanlage aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs unterhalb der Marienstraße und der Friedrichstraße befinden“, sagt Robert Gündchen, Archäologe und Beauftragter der Fachfirma. Direkt unter dem Asphalt, nur etwa 30 Zentimeter unter dem jetzigen Bodenniveau, kamen mächtige Mauerreste zutage, die an mehreren Stellen durch Versorgungsleitungen bis tief in die Mauersubstanz zerstört sind, so Gündchen weiter. Eine starke, etwa 2,5 Meter breite Mauer aus vermörtelten Kalkbruchsteinen verläuft in Ost-West-Richtung über 20 Meter Länge. Zwei rechtwinkelig aufgesetzte Mauern von 1,70 Meter Breite verlaufen nach Norden. „Eine Rundung an der Westkante, die in ihrer kompletten Ausdehnung noch nicht freigelegt werden konnte, lässt einen halbrunden Turm an dieser Stelle vermuten“, sagt Gai.

„Es bleibt noch zu klären, wie das Bollwerk an die Stadtmauer angeschlossen war“, erklärt Archäologe und Mitarbeiter der Fachfirma Robert Süsse, der die Freilegung des im Süden angrenzenden Teiles der Stadtmauer mit zwei Halbtürmen im Jahr 2019 betreute.
Lediglich die erhaltenen obersten Lagen der Mauern des Bollwerks werden freigelegt, da die Baumaßnahme eine Grabung nur bis in eine Tiefe von 70 Zentimetern vorsieht. „Wir haben hier dennoch die Möglichkeit, auf einer Fläche von beinahe 250 Quadratmetern den erhaltenen Mauerverlauf zu verfolgen“, sagt Gai. Es seien „weitreichende Ergebnisse“ zu erwarten.

Die Stadt lasse viel Raum für die archäologischen Arbeiten an dieser Stelle, an der für das Siedlungsbild Paderborns wichtige Erkenntnisse erwartet werden. „Die Kooperation ist hervorragend und die Absprache mit den verschiedenen Baufirmen gelingt sehr gut“, freut sich Archäologe Gündchen.

Nach einer Pressemeldung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe

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