Ältester Schuh Norddeutschlands entdeckt

Archäologische Grabungen an prähistorischen Bohlenwegen fördern immer wieder besondere Funde zutage. Sie zeugen von Mobilität und Transport früherer Zeiten. Die jüngste derartige Entdeckung ist ein hervorragend erhaltener Schuh aus Leder.

Der Bohlenweg Pr 6, wo der Schuh gefunden worden ist, wurde um 46 v. Chr. durch das Moor gebaut
Der Bohlenweg Pr 6 wurde um 46 v. Chr. durch das Moor gebaut (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, 208397 (676×450) (niedersachsen.de)

Ein Schuh, der stecken blieb

Der Schuh wurde unmittelbar neben dem Bohlenweg Pr 6 entdeckt, der in der späten Eisenzeit das große Moor zwischen Diepholz und Lohne überquerte. Es handelt sich um eine Art Sandale, die am vorderen Ende gerafft und mit einem Lederriemen zusammengehalten wird. Es ist der älteste, sicher datierte Schuh, der aus Norddeutschland bekannt ist. Besonders in Mooren sind schon früher Lederschuhe gefunden worden, die jedoch einige Jahrzehnte bis Jahrhunderte jünger sind. Jeder dieser Schuhe ist ein mit großem handwerklichem Geschick hergestelltes und für seine Trägerinnen und Träger angepasstes Einzelstück.

Fund am Wegesrand: ein hervorragend erhaltener Schuh aus Leder
Fund am Wegesrand: ein hervorragend erhaltener Lederschuh (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, 208402 (676×450) (niedersachsen.de)

»Die niedersächsischen Moore bergen die Zeugnisse vieler Tausend Jahre Geschichte. Sie sind ein einzigartiges Archiv, da sie nicht nur bearbeitete Scherben und Metallobjekte als entscheidende Zeugnisse unserer Geschichte bewahrt haben, sondern auch organische Funde«, freut sich Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler. »Am bekanntesten sind die Moorleichen, aber auch hölzerne Idole, lange Holzwege und zahlreiche weitere Reste des damaligen Lebens gehören dazu. Ein verlorener und nach 2.000 Jahren wiedergefundener Schuh, der bislang älteste Schuh aus Niedersachsen, ist ein ungeheuer persönliches Zeugnis des früheren Lebens. Dichter kann man den damaligen Menschen kaum kommen. Es ist eines jener Zeugnisse, die Zeit wie unter einer Lupe erfahrbar machen. Den Archäologinnen und Archäologen vor Ort danke ich für ihre systematische Arbeit und vor allem für Ihre Sorgfalt, dank der wir heute den ältesten Schuh des Landes feiern können.«

Im unmittelbaren Umfeld des Schuhs fanden sich Reste einer zerbrochenen Wagenachse und weitere Wagenbruchstücke. Man kann das Ereignis, bei dem der Schuh seinem Träger oder seiner Trägerin abhandenkam, beinahe mit Händen greifen: Die Achse eines hölzernen, vermutlich von Rindern gezogenen Wagens, ging entzwei, und der Wagen verunfallte auf der holprigen Strecke. Dabei oder beim Versuch, die Wagenteile zu bergen, stürzte oder trat der Besitzer bzw. die Besitzerin des Schuhs neben den Weg, und der Schuh blieb im klebrigen Morast stecken – wo er jetzt, über 2.000 Jahre später, gefunden wurde.

Auf dem Holzweg – Prähistorische Bohlenwege

Prähistorische Bohlenwege sind ein einzigartiges Zeugnis der Mobilität früherer Zeiten. Sie zeigen uns, welchen Wert die Menschen bereits vor Jahrtausenden der Existenz gesicherter Verbindungswege beimaßen. Den einzigartigen Erhaltungsbedingungen der Moore für organische Materialien ist es zu verdanken, dass nicht nur die hölzernen Wege selbst überliefert sind, sondern auch außergewöhnliche Fundstücke aus Holz, Wolle, Fell oder Leder, die unter normalen Bedingungen keine Erhaltungschancen haben.

Niedersachsen besitzt ein besonders reiches Erbe solcher Quellen zur Siedlungs- und Verkehrsgeschichte. Im moorreichen Norden war die Bevölkerung nur mit Hilfe von Moorüberwegen in der Lage, Kommunikation, Austausch und Verkehr zwischen verschiedenen Regionen sicherzustellen. Um die einst ausgedehnten Moorgebiete zu überqueren, bauten die Menschen hier seit über 6.000 Jahren bis in die Neuzeit Wege und Straßen aus Holz. Mehr als 500 solcher Wege sind aus Niedersachsen bekannt.
Als einer der weltweit längsten Moorwege überquerte der mehr als vier Kilometer lange Bohlenweg Pr 6 vor über 2.000 Jahren das Moor zwischen Diepholz und Lohne. Im Vorfeld von Torfabbau wurden in der Vergangenheit immer wieder Abschnitte archäologisch untersucht. Derzeit muss eine 520 Meter lange Teilstrecke dem laufenden Torfabbau und geplanten Wiedervernässungsmaßnahmen weichen.

Seit Juni 2019 wird in einem Kooperationsprojekt des NLD und denkmal3D der Bohlenweg Pr 6 untersucht. Vor rund 2.070 Jahren, ca. 46 v. Chr., war der Bau dieses Bohlenweges eine regelrechte Großbaustelle: Für den Bau derartiger aus Holz gebauten Straßen wurden enorme Holzmengen und eine Vielzahl an Arbeitskräften benötigt, die große Flächen im Umfeld der Baustelle rodeten, die Hölzer zurichteten, transportierten und auf der schwierigen und nicht ungefährlichen Moorfläche zu einem linearen Bauwerk zusammenfügten.

Nach einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege

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