10 Jahre UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“

2021 feiert die Archäologie ein kleines Jubiläum. Vor zehn Jahren, am 27. Juni 2011, wurden die „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ in die UNESCO-Welterbeliste eingeschrieben: 111 Fundstellen in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Slowenien und der Schweiz sind seither UNESCO-Welterbe und stehen stellvertretend für über 1000 bekannte Pfahlbaufundstellen aus der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Anlässlich des Jubiläums finden während des ganzen Jahres an vielen Orten rund um die Alpen verschiedene Veranstaltungen statt.

Parco Archeo Natura Fiavé, Teil des UNESCO-Welterbes Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen.
Parco Archeo Natura Fiavé © Soprintendenza per i beni culturali – Trento

Die „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ sind einzigartig und von größter Bedeutung für die frühe Geschichte der Menschheit. Sie tragen maßgeblich zum Verständnis der europäischen Gesellschaften der Vorgeschichte bei. In Folge einer Dürre herrschte 1854 an den Alpenseen extremes Niedrigwasser. Dadurch kamen am Ufer des Zürichsees in der Schweiz Holzpfähle, große Mengen Keramik sowie Steinwerkzeuge zu Tage. Schnell erkannte man, dass diese Überreste sogenannter Pfahlbauten aus der Zeit zwischen Eiszeit und Antike stammen. Anhand der Funde definierte man die Epoche der Jungsteinzeit, in der die vorgeschichtlichen Menschen bereits Ackerbau und Viehzucht betrieben.
Die Pfahlbauten sind vor allem aufgrund ihrer besonderen Erhaltungsbedingungen von außergewöhnlichem Wert. Durch den Luftabschluss unter Wasser und im Feuchtbodenmilieu sind organische Funde, wie Holz, Pflanzen- und Speisereste sowie Textilien erhalten geblieben. Die Pfahlbausiedlungen sind deshalb einmalige Quellen für die Erforschung des Alltags in Jungsteinzeit und Bronzezeit. Zudem ermöglichen sie Einblicke in die Auswirkungen von Klimaschwankungen in prähistorischer und historischer Zeit. Aus diesen Gründen wurden sie in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.

Im Jahr 2021 finden anlässlich des 10-jährigen Jubiläums an verschiedenen Orten rund um die Alpen Veranstaltungen statt: An Seen und Mooren, entlang von Lehrpfaden und in Museen. Eine Übersicht über die gemeinsamen Projekte der sechs Länder und Informationen zu weiteren Aktivitäten finden Sie auf der Website. Unter dem Titel „10 Jahre – 100 Geschichten“ zeigt eine virtuelle Vitrine Highlights von Pfahlbaufundstellen und Alltagsgegenständen, die dort gefunden wurden.

Hintergrundinformationen

Seit dem Eintrag in die Welterbeliste im Jahr 2011 teilen sich die sechs beteiligten Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Slowenien und die Schweiz das Management der Welterbestätte. Um die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene sicherzustellen, wurde die “International Coordination Group UNESCO Palafittes“ gegründet und eine Geschäftsstelle in Basel geschaffen. Diese ist Anlaufstelle und Ansprechpartnerin für alle Fragen und Informationen rund um die UNESCO-Welterbestätte.

Deutschland

In Deutschland haben die beiden Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern mit 18 Fundstellen zwischen dem westlichen Bodensee und dem Starnberger See einen wesentlichen Anteil an der seriellen transnationalen Welterbestätte „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“. Am deutschen Bodenseeufer liegen neun UNESCO-Fundstätten. Sechs weitere liegen in Mooren und Kleinseen in Oberschwaben sowie im Tal des Flüsschens Blau nahe Ulm. Die drei bayerischen Welterbe-Fundstellen befinden sich nordöstlich von Landsberg am Lech und im Starnberger See.

Auf der Landesgartenschau in Überlingen zeigt das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart bis zum 17. Oktober die Ausstellung „Pfähle, Mauern und Kakteen“ mit dem Schwerpunkt Feuchtbodenarchäologie und «Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen» als Welterbe. Das Federseemuseum in Bad Buchau präsentiert bis zum 24. Oktober 2021 die Sonderausstellung «Verknüpft und zugenäht. Gräser, Bast, Rinde – Alleskönner der Steinzeit», in der neue Forschungsergebnisse der Textilarchäologie vorgestellt werden.

Auf der Roseninsel im Starnberger See bietet der Welterbe-Informationstag am 3. Juli auf einem Rundweg im Freien ein buntes Programm; unter anderem mit Forschungstauchern, die aus erster Hand über ihre Arbeit unter Wasser berichten können. Am 24. Juli wird das Steinzeitdorf Pestenacker mit einer völlig neuen Ausstellung im Besucherpavillon sowie neuen Info-Elementen und einem Mitmachprogramm im Freigelände wiedereröffnet. Im Foodblog www.palafitfood.com kann man zudem den Köchinnen und Köchen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit jede Woche aufs Neue digital in die Töpfe schauen. Weitere Inspiration für Rezepte sowie Informationen zu den monatlichen Koch-Challenges gibt es auf dem dazugehörigen Instagram-Kanal @palafitfood.

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Die ersten Bauern – Seeufersiedlungen im Südwestbalkan

Seit 2011 zählen die Pfahlbauten rund um die Alpen zum UNESCO-Welterbe. Nicht weniger bedeutend sind die Feuchtbodensiedlungen im südwestlichen Balkan, die aktuell untersucht werden.

Österreich

Fünf der 111 Fundstellen des seriellen Welterbes «Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen» befinden sich in Österreich. Vier davon in Oberösterreich, im Attersee und Mondsee, und eine im Keutschacher See in Kärnten. Die Gesamtzahl aller Seeufersiedlungen in Österreich lässt sich nicht schätzen. Einige sind vermutlich noch unentdeckt, andere für immer verschwunden. Als wissenschaftlich gesichert gelten derzeit 27 Fundstellen. Die meisten davon gehören zu der Mondseekultur des 4. Jahrtausends v. Chr. Die jüngsten waren beinahe bis in historische Zeiten – etwa 500 v. Chr. – bewohnt. Am dichtesten war wohl das Westufer des Attersees besiedelt.

Ein weiteres interessantes Detail: Die Pfahlbauten im Keutschacher See liegen nicht am Ufer, sondern an seichten Stellen in der Seemitte. Sie wurden von Ferdinand von Hochstetter, dem ersten Leiter des Naturhistorischen Museums Wien, im Jahr 1864 entdeckt. In der Schausammlung des Museums sind daher auch wichtige Funde zu sehen. Das Kuratorium Pfahlbauten betreut den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes. Die Organisation wurde 2011 von der Republik Österreich und den Bundesländern Oberösterreich und Kärnten ins Leben gerufen.

Frankreich

In Frankreich wurden 11 Pfahlbaufundstellen in die Welterbeliste aufgenommen. Sie liegen im Jura, in den Seen von Chalain und Clairvaux, und in der Savoie und der Haute-Savoie, in den Seen von Aiguebelette, Bourget, Annecy sowie im Genfersee. Das älteste Dorf stammt aus der mittleren Jungsteinzeit und ist 6000 Jahre alt. Die jüngsten Siedlungen wurden beim Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit, d.h. vor 2700 Jahren aufgegeben, als eine klimatische Abkühlung und stärkere Niederschläge die Seespiegel auf ihr heutiges Niveau anhoben und die Pfahlbaudörfer unter Wasser setzten.

Unter dem Vorsitz des Präfekten der Region Auvergne-Rhône-Alpes arbeiten verschiedene nationale und lokale Behörden, Institutionen und Verbände daran, den Erhalt des „aussergewöhnlichen universellen Wertes“ der Fundstellen zu gewährleisten, der sie zum UNESCO Welterbe gemacht hat, sie zu schützen, zu erforschen und sie einer möglichst breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Mehrere Sonderausstellungen – im Musée d’Archéologie Nationale in Saint-Germain-en-Laye bei Paris, in den Museen von Lons-le-Saunier (Jura) und Annecy (Haute-Savoie), präsentieren die Ergebnisse der bisherigen archäologischen Forschungen. Anlässlich des Jubiläums hat die Direction régionale des Affaires Culturelles d’Auvergne-Rhône-Alpes zudem die erste Monographie veröffentlicht, die sich den Pfahlbauten der Savoie und Haute-Savoie widmet.

Italien

Die 19 italienischen Fundstellen der UNESCO-Welterbestätte verteilen sich auf fünf Regionen: die Lombardei (10), Venetien (4), das Piemont (2), Friaul-Julisch-Venetien (1) und Trentino-Südtirol (2). Das Phänomen erstreckt sich damit zwischen den voralpinen Seen im Norden und dem Fluss Po im Süden. Die meisten Pfahlbaufundstellen befinden sich in der Umgebung des Garda- und Varesesees. Die ältesten bisher bekannten Überlieferungen stammen aus dem frühen Neolithikum (ca. 5000 v. Chr.), es folgt eine Intensivierung der Siedlungstätigkeit in der frühen und mittleren Bronzezeit und findet gegen Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. seinen Ausklang.

Ausgrabungen haben eine grosse Menge an Gegenständen aus Bronze, Horn, Tierknochen, Stein und vor allem Keramik zutage gebracht. Erwähnenswert sind auch hier Objekte aus organischen Materialien, wie Holz und Textilien. Das hohe technologische Niveau der bronzezeitlichen Pfahlbauten bildet die Grundlage für die nachfolgende kulturelle Entwicklung.
2021 finden zahlreiche Veranstaltungen und Projekte zum zehnjährigen Jubiläum statt: Ausstellungen (Venedig, Varese, Brescia, Turin, Gavardo, Manerba, Desenzano), Forschungstage (Varese), Konzerte (Polpenazze del Garda), didaktische und erlebnispädagogische Projekte, experimentelle Archäologie und die Einweihung des Parco Archaeo Natura delle Palafitte in Fiavè.

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Slowenien

Zwei UNESCO-Pfahlbaufundstellen befinden sich in der Gemeinde Ig, im Laibacher Moor (Ljubljansko barje). Auf dem Gebiet des Laibacher Moors gibt es über 40 bekannte Überreste von Pfahlbausiedlungen. Mit periodischen Unterbrechungen waren die Pfahlbauten im Laibacher Moor zwischen 4500 v. Chr. und 2000 v. Chr. bewohnt. Es wurden große Mengen archäologischer Hinterlassenschaften gefunden, darunter verzierte Keramik und Keramikfigürchen sowie das älteste Holzrad der Welt.

Der Krajinski park Ljubljansko barje ist eine öffentliche Einrichtung, die mit der Verwaltung und dem Schutz des gesamten Moorgebietes und speziell der beiden UNESCO-Pfahlbauten betraut ist. In enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren konzentriert sich die Organisation insbesondere auf die Erhaltung, den Schutz und die Förderung des aussergewöhnlichen universellen Wertes der Pfahlbauten.

Neben regelmässiger hydrologischer Überwachung des Grundwasserspiegels und engem Austausch mit verschiedenen Interessenvertretern entwickelt der Krajinski park Ljubljansko barje gerade ein Projekt für ein neues Informations- und Besucherzentrum mit Lehrpfad und rekonstruiertem Pfahlbaudorf. Der Schwerpunkt liegt dabei zum einen auf den Pfahlbauten, als kulturelles Erbe und zum anderen auf der Moorlandschaft als Naturerbe, dessen besondere Bedingungen die Erhaltung der Pfahlbauten möglich gemacht.

Schweiz

56 der 111 Pfahlbaufundstellen liegen in der Schweiz. Nicht nur an grossen Gewässern wie dem Genfersee oder Bodensee, sondern auch in Mooren und an vielen kleineren Seen der Ost- und Nordwestschweiz sowie des Schweizer Mittellandes sind sie zu finden. Hier nahm das „Pfahlbaufieber“ Mitte des 19. Jh. seinen Anfang und verbreitete sich rasant im gesamten Alpenraum. Fundstellen wie Cortaillod, Auvernier, Lüscherz oder Arbon sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und namengebend für ganze archäologische Kulturen.

In der Schweiz ist der Verein Swiss Coordination Group UNESCO Palafittes für das Management der Welterbestätte zuständig. Die Swiss Coordination Group ist ein Zusammenschluss der 15 an der Welterbestätte beteiligten Kantone, des Bundesamts für Kultur und des Vereins Archäologie Schweiz, und arbeitet zudem vernetzt mit anderen Beteiligten wie Museen und Sammlungen sowie dem Tourismusverein World Heritage Switzerland und der Schweizer UNESCO-Kommission zusammen.
Anlässlich des Jubiläums finden seitens der Kantonsarchäologien und in vielen Museen Veranstaltungen statt. Als ein Höhepunkt wird am 11./12. September am Greifensee im Kanton Zürich die 8. Internationale Einbaumregatta ausgetragen. Mehr und aktuelle Informationen finden sich im Veranstaltungskalender.

Nach einer Pressemitteilung der International Coordination Group UNESCO Palafittes