Ofenkacheln geben Einblicke in Alltags- und Wohnkultur

Präsentation archäologischer Funde aus der Burg Querfurt

Im Zusammenhang mit der Umgestaltung von Wegen und Plätzen innerhalb der Burg Querfurt fanden von Juni 2018 bis Juli 2020 dort archäologische Ausgrabungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt statt. Sie erbrachten wichtige Erkenntnisse zur Bau- und Nutzungsgeschichte der Burg, die auf eine mehr als tausendjährige Vergangenheit zurückblicken kann und zu den beliebtesten Stationen auf der Straße der Romanik gehört.

1.000 Bruchstücke von Ofenkacheln

Polychrome Ofenkachel mit Herrscherporträt (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Vera Keil)
Polychrome Ofenkachel mit Herrscherporträt (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Vera Keil)

Unter den großen Mengen an Funden, die im Zuge der Untersuchungen zu Tage kamen, waren auch unzählige Fragmente von größtenteils grün glasierten Ofenkacheln. Sie stammen aus einer bis zu 130 Zentimeter mächtigen Schuttschicht des 17. Jahrhunderts zwischen der unteren Mantelmauer des Dicken Heinrich und den Kasematten der Westtoranlage, die vorrangig aus Abbruchschutt mehrerer Kachelöfen des 16. Jahrhunderts bestand. Die Schicht entstand vermutlich im Zuge der Aufräumarbeiten nach dem Dreißigjährigen Krieg, als 1654 die schwedische Besatzung abzog und nachdem die Burg vorher jahrelang in einem verwüsteten Zustand verharrt hatte.

Insgesamt wurden im Anschluss an die Ausgrabungen über 20 Kisten mit etwa 1.000 Kachelbruchstücken an die Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) übergeben. Dort wurden die, wie es für Kriegszerstörungen und dann mehrfach umgelagertes Material typisch ist, stark fragmentierten Funde über einen Zeitraum von ungefähr drei Monaten bearbeitet. Sie wurden unter Zuhilfenahme der Farben, Formen und Motive, aber auch hinsichtlich der Spuren von Herstellung, Nutzung und Korrosion untersucht. Zusammengehörige Fragmente wurden im Anschluss geklebt, stabilisiert und gefestigt, was im Ergebnis zu interessanten Bildmotiven des 16. Jahrhunderts führte. Zusätzlich ließen sich Kachelmotive, die wegen fehlender Fragmente nicht zusammengesetzt werden konnten, durch Fotomontage trotzdem vollständig rekonstruieren, was die anschließende wissenschaftliche Auswertung erheblich förderte. Auch wenn diese noch nicht abgeschlossen ist, so lassen sich doch bereits zum jetzigen Zeitpunkt erste wichtige Ergebnisse zusammenfassen.

Von Herrschern über Till Eulenspiegel zu Judith und Holofernes

Die Ofenkacheln zeigen für die Renaissance typische Motive teils religiösen, teils weltlichen Inhalts, die sich in mehrere Serien einteilen lassen. Unter diesen Motiven befinden sich neben zeittypischen auch seltene und überraschende Motive.

Eine ganze Reihe der grün glasierten Reliefkacheln zeigt Porträts von Kurfürsten, von Kaiser Ferdinand I. und anderen Herrschern beziehungsweise hochgestellten Persönlichkeiten. Derartige Darstellungen ersetzen im 16. Jahrhundert die noch im 15. Jahrhundert allgegenwärtigen Heiligen.

Allegorische Kacheln über das Wirken Till Eulenspiegels oder mit der Darstellung von Judith und Holofernes aus dem Alten Testament sind Hinweise auf propagierte moralische Vorstellungen. Gerade an der Person der Judith – eine starke, selbstbewusst handelnde Frau, die ihre Heimatstadt vor der Übergabe an einen tyrannischen Eroberer bewahrt, und gleichzeitig eine heimtückische Mörderin, die eben jenen Feldherrn im Schlaf enthauptet – wird die Ambivalenz deutlich, mit der manche dieser Bildinhalte aufgefasst werden konnten: Judith konnte einerseits als Vorbildfigur christlicher Tugenden gelten, andererseits aber auch als Vertreterin der von Männern stets befürchteten ›Weibermacht‹.

Grün glasierte Ofenkachel mit Darstellung Kaiser Ferdinands I. (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup)
Grün glasierte Ofenkachel mit Darstellung Kaiser Ferdinands I. (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup)
Grün glasierte Ofenkachel mit Eulenspiegel-Darstellung (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Vera Keil)
Grün glasierte Ofenkachel mit Eulenspiegel-Darstellung (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Vera Keil)

Berman-Kacheln

Zahlreiche der grün glasierten Kachelfragmente lassen sich als Highlight des Fundkomplexes den sogenannten BERMAN-Kacheln zuordnen. Die mit dem Namen »Hans Berman« und einer Jahreszahl signierten Stücke, die sicher zu ursprünglich viel vollständigeren Serien gehören, waren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts äußerst berühmt und beliebt. Die Beispiele von der Burg Querfurt zeigen, von der Erschaffung Evas bis zu einzelnen Stationen der Passionsgeschichte, überwiegend religiöse Motive, wobei der Schwerpunkt auf Szenen aus dem Neuen Testament liegt. Daneben sind verschiedene Beispiele aus einer Serie von Kurfürstendarstellungen erhalten, darunter Porträts des Herzogs von Sachsen und des Pfalzgrafen bei Rhein sowie des Erzbischofs von Mainz und des Markgrafen von Brandenburg. Bei letzteren könnte es sich um Darstellungen Albrechts von Brandenburg handeln, der beide Ämter bekleidete. Dennoch sind diese Darstellungen wohl keine personifizierten Anfertigungen für den wohl berühmtesten Hausherrn der Burg, der im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts hier auch Baumaßnahmen durchführen ließ. Vielmehr sind diese Kurfürstenserien in Mitteldeutschland und darüber hinaus weit verbreitet.

Dasselbe gilt für die Kacheln mit dem ab 1525 nachgewiesenen Wappen von Kardinal Albrecht, die in Massenfertigung und sicher nicht speziell für Querfurt hergestellt wurden, sondern auch an anderen Orten zu erwarten sind. Nichtsdestotrotz schaffen diese Kacheln eine besonders enge Verbindung zu der Bautätigkeit des Kardinals auf der Burg.

Unter den mehrheitlich grün glasierten Ofenkacheln fallen die Fragmente von polychromen, das heißt mehrfarbigen Kacheln mit Darstellungen von Büsten vornehmer Personen besonders ins Auge. Bei ihnen könnte es sich um konkrete Herrscherdarstellungen handeln, zum Beispiel Kaiser Karl V., die nicht – wie sonst üblich – durch Inschriften namentlich gekennzeichnet sind. Auch antike oder mythologische Persönlichkeiten wären nicht unüblich.

Weitere Kacheln mit floralem Dekor, einem Jagdfries oder geometrischem Dekor zeigen renaissancetypischen Geschmack und dienten unter anderem der Gliederung des Ofenkörpers.

Berman-Kachel mit Szene aus dem Neuen Testament: Mariä Verkündigung (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup)
Berman-Kachel mit Szene aus dem Neuen Testament: Mariä Verkündigung (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup)
Grün glasierte Ofenkachel: Judith mit dem Haupt des Holofernes (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup)
Grün glasierte Ofenkachel: Judith mit dem Haupt des Holofernes (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup)

Ofenkacheln als Beleg für die Ausstattungs- und Alltagskultur

Die Kacheln aus der Burg Querfurt stammen von mehreren repräsentativen Öfen, die vor allem im zweiten und dritten Viertel des 16. Jahrhunderts in verschiedenen Räumen errichtet worden sein dürften. Gerade angesichts der Plünderungen und Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und der daraus resultierenden Armut an anderen Nachweisen kommt den Kacheln als Beleg für die Ausstattungs- und Alltagskultur im 16. Jahrhundert auf Burg Querfurt eine besondere Rolle zu. Die Anwesenheit teils seltener Motive und ihre Zusammenstellung illustriert eine Bilderwelt auf den Kachelöfen, die die Wohnsituation prägte, die gleichzeitig jedoch auch integraler Bestandteil einer Gesamtwirkung aus Raumausmalung, Wandteppichen, Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen war. Da all diese anderen Dinge nicht mehr erhalten sind, sind die aufgefundenen Kacheln und ihre Auswertung für die Geschichte von Burg Querfurt von besonderer Bedeutung. Hartmut Handschak, der Landrat des Saalekreises, fasste dies in den Worten zusammen: »Die Burg Querfurt ist nicht nur ein beliebter Drehort, an dem Geschichten erzählt werden, sondern sie ist selbst ein Ort voller Geschichte und Geschichten. Manchmal muss man dafür die Mühe und Geduld der archäologischen Ausgrabungen aufbringen, um diese Geschichte um ein weiteres Kapitel zu ergänzen. Mit dem Fund der Ofenkacheln aus dem 16. Jahrhundert kann nun ein neues spannendes Kapitel der Burg Querfurt erzählt werden.«

Nach einer Pressemeldung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

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