Keltengrab von der Heuneburg – Frauengrab der Oberschicht?

Die Heuneburg gilt als älteste Stadt nördlich der Alpen und ist eine der bedeutendsten prähistorischen Fundstätten Mitteleuropas. Im Jahr 2018 begann das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes in der Donauebene unterhalb der Heuneburg im Gewann Bettelbühl (Gemeinde Herbertingen / Landkreis Sigmaringen) mit den Untersuchungen an einem frühkeltischen Großgrabhügel. Es zeigte sich, dass eine fachgerechte Freilegung der Bestattung vor Ort nicht durchgeführt werden konnte, sodass die gesamte Grabkammer im Oktober 2020 im Block geborgen und zur weiteren Untersuchung in die Labore des LAD in Ludwigsburg-Grünbühl transportiert wurde. Das Grab wird seitdem von Archäologen, Restauratoren und Naturwissenschaftlern des LAD unter der Leitung von Prof. Dr. Dirk Krausse mit modernsten wissenschaftlichen Methoden untersucht und verspricht, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Geschichte und Kultur der frühen Kelten des 7. bis 5. Jahrhunderts v. Chr. zu liefern.

Freilegung einer Goldperle aus einem Keltengrab der Heuneburg (Foto: LAD im RPS R. Wollenweber)
Freilegung einer Goldperle (Foto: LAD im RPS R. Wollenweber)

Die bisher freigelegten Funde und Befunde wurden heute erstmals im Beisein von Frau Ministerin Nicole Razavi MdL, Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg, und Herrn Regierungspräsident Wolfgang Reimer durch das Landesamt für Denkmalpflege und seinen Präsidenten, Professor Claus Wolf, präsentiert.

„Das neue frühkeltische Kammergrab von der Heuneburg unterstreicht den Reichtum der baden-württembergischen Denkmallandschaft und die erfolgreiche Arbeit der Landesdenkmalpflege“, sagte Ministerin Nicole Razavi.

„Die Heuneburg gehört zu den bedeutendsten archäologischen Denkmalen Deutschlands und Mitteleuropas. Die neuen Grabfunde bieten einmalige Einblicke in die Zeit um 600 v. Chr.“

Regierungspräsident Wolfang Reimer

Prof. Dr. Claus Wolf führte aus, „dass am Landesamt für Denkmalpflege Spezialistinnen und Spezialisten von sechs unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen an den laufenden Untersuchungen der Beigaben, der menschlichen Skelettreste, der Hölzer und sonstigen Funde arbeiten.“

Untersuchung unter Laborbedingungen

Bei den Vor-Ort-Grabungen im Bereich des Grabhügels zwei, die von Dr. Leif Hansen (LAD) geleitet wurden, zeigte sich, dass sich innerhalb der 3 x 5 Meter großen Grabkammer zahlreiche organische Materialien in Form von Hölzern und kleinen Geflechten erhalten hatten. Die Überlieferung der Konstruktionshölzer sowie weiterer aus Holz und organischen Materialien bestehender Fundstücke stellt einen Glücksfall dar. Jedoch zeigte sich bei den Untersuchungen, dass diese seltenen und wissenschaftlich außergewöhnlich wertvollen Objekte durch die extreme Trockenheit der vergangenen Jahre bereits Schaden genommen haben und auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden klimatischen Veränderungen akut gefährdet sind – eine Blockbergung war daher zwingend notwendig. In Ludwigsburg-Grünbühl können die wissenschaftlichen Forschungen an dem sehr empfindlichen Fundmaterial seitdem optimal unter Laborbedingungen durchgeführt werden.

Ein Frauengrab von der Heuneburg

Erste Funde belegen, dass es sich um ein ursprünglich reich ausgestattetes Grab der sozialen Oberschicht mit qualitätsvollen Schmuckbeigaben, wie sie für die Frauentracht der Zeit um 600 v. Chr. typisch sind, handelt. Darauf deuten vor allem 15 filigrane Goldperlen hin, die ursprünglich zu einem prunkvollen Halsschmuck gehört haben dürften. Eine außergewöhnliche Bernsteinfibel weist auf Beziehungen bis in den Ostseeraum und nach Italien beziehungsweise Slowenien hin. Von besonderem wissenschaftlichem Wert sind Bronzeobjekte, bei denen es sich um Beschläge eines vierrädrigen Wagens handeln dürfte. Normalerweise kennen wir von frühkeltischen Wagen lediglich die Metallobjekte. Erste Untersuchungen legen nahe, dass sich in dem aktuell untersuchten Grab auch Wagenelemente aus Holz erhalten haben, was nur in Ausnahmefällen der Fall ist. Funde von Keramik und ein Schweineskelett repräsentieren Trank- und Speisebeigaben, die der Toten auf ihrem Weg ins Jenseits mitgegeben worden sind.

Freilegung eines Schweineschädels aus (Foto: LAD im RPS R.Wollenweber)
Freilegung eines Schweineschädels (Foto: LAD im RPS R.Wollenweber)

Die Freilegung des aus Eichendielen gefertigten Grabkammerbodens ist noch nicht abgeschlossen. Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass die Beigaben in der Kammer mehrfach verlagert worden sind. Hier spielen natürliche Faktoren, insbesondere regelmäßige Wassereinbrüche in den ersten Jahren nach der Grablegung, und eine antike Öffnung der zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch intakten Grabkammer eine Rolle.

Die Tatsache, dass größere Beigaben aus Gold in der Kammer bisher fehlen, spricht dafür, dass das Grab wenige Jahre oder Jahrzehnte nach der Bestattung von Grabräubern systematisch geplündert worden war. Lediglich kleine Objekte, die die hastig arbeitenden Plünderer zurückließen, sind dieser Beraubung entgangen. Die wissenschaftliche Herausforderung für das Forschungsteam besteht nun darin, aus diesen Resten auf die ursprüngliche Ausstattung des Grabes zu schließen.

Übereinstimmungen zum Grab der „Fürstin vom Bettelbühl“

Dabei hilft der Vergleich mit dem nur 100 Meter entfernt gelegenen Zentralgrab unter Hügel vier des Grabhügelfeldes, das vom LAD bereits im Jahre 2010 geborgen wurde und die Bestattung einer im Jahr 583 beerdigten vornehmen Dame enthielt. Die reichen Gold-, Bronze- und Bernsteinobjekte dieser „Fürstin vom Bettelbühl“ weisen große Übereinstimmungen zu den Resten aus dem aktuell untersuchten Kammergrab auf. Die Ähnlichkeit der Funde und die unmittelbare Nachbarschaft der Grabmonumente sprechen für eine enge soziale Beziehung zwischen den beiden Frauen. Es ist davon auszugehen, dass die Zentralbestattungen der Hügel zwei und vier ähnlich reich ausgestattet waren und bedeutende Persönlichkeiten einer der an der Heuneburg tonangebenden Familien repräsentieren.

Nach einer Pressemitteilung des Landesamtes für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Archäologische Denkmalpflege

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