LIMES mobile App

Mit dem Smartphone zu den Römern

Der Limes ist das größte Bauwerk, das die Römer nördlich der Alpen hinterließen: Dennoch sind die Grenzbauten für Laien oft schwer zu erkennen und noch schwieriger zu deuten. Abhilfe versprechen Apps für Smartphone und Tablet.

Von Veronika Fischer und Erik Dobat. Titelbild: Heiligtum auf dem Weinberg bei Eining: Auf den Grundriss zaubert die App dreidimensionale Modelle. Der Grundriss dient als Trigger. Die App liefert auch ein Kartenmodul zur Orientierung im Gelände. Foto: E. Dobat/edufilm und medien GmbH.

Hadrianswall im Norden Englands, Antoninuswall in Schottland und Obergermanisch-Raetischer Limes in Deutschland: ­Alle drei bilden das transnationale Welterbe »Grenzen des Römischen Reiches«. Zuletzt wurde 2008 der Antoninuswall einbezogen. Insgesamt verliefen die Grenzen des Imperium Romanum über eine Strecke von über 7500 km durch zwei Dutzend heutige Staaten in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika.

Der seit vielen Jahren gepflegte britisch-deutsche Austausch im Management der multinationalen Welterbestätte führte zu einem gemeinsamen Projekt, dessen Ziel es war, die römischen Grenzanlagen sowie Kastelle, Wachttürme und Zivilsiedlungen mithilfe einer App für Smartphones auf lebendige Weise vor Ort zu vermitteln. Besucher sollen nicht nur klassisch mit Informationen versorgt werden, sondern Spaß daran haben und ein Erlebnis geboten bekommen. Dafür wurden die »Advanced Limes Applications«, kurz ALApp, in schottisch-bayerisch-österreichischer Kooperation in den Jahren 2016 bis 2019 entwickelt.

Cover AiD 611

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Roms Grenzen an Rhein – Main – Donaun

Ob Obergermanisch-Raetischer Limes, Hadriansmauer oder Antoninuswall – vom Limes sind vielerorts eindrucksvolle Überreste in der Landschaft erhalten. Viel wichtiger und länger waren jedoch die großen Ströme als Grenzen. Hier reihten sich die Militäranlagen zu deren Sicherung wie Perlen an einer Schnur. Allerdings sind manche der Plätze an Rhein, Main und Donau durch die sich ändernden Flussläufe heute auch zerstört.

Grundlage der Entwicklung sind bayerische Vorläufer, die beiden Apps »Mainlimes Mobil« und »Limes Mittelfranken Mobil«, finanziert durch die Bayerische Sparkassenstiftung. Daran knüpfte 2016 das »Creative Europe Project ALApp« an, von »Historic Environment Scotland« initiiert und als führender Partner betreut. Ziel der ALApp war es, die frühere bayerische App-Plattform zunächst für die Verhältnisse am Antoninuswall in Schottland anzupassen und entsprechend den Möglichkeiten moderner Smartphones weiterzuentwickeln. Außerdem sollten spannende Neuentwicklungen im inhaltlichen Bereich berücksichtigt werden. Am Ende wurde die auf diese Weise modernisierte Applikation »Antonine Wall« zurück nach Bayern übertragen und als »LIMES mobil« veröffentlicht.

Die Stärke der Limes-Apps war immer die Verbindung des Welterbes in der Landschaft mit den Funden im Museum. Außerdem erleichtert die GPS-Navigation den Benutzern das Auffinden von archäologischen Denkmälern in der Landschaft. Inhaltlich wurde schon eine breite Palette an Medien angeboten: Texte, Bilder, Audioinhalte und Videosequenzen.

Limes – eine Grenze verbindet Europa

Die ALApp-Plattform enthält spannende Weiterentwicklungen. Die grafische Benutzeroberfläche wurde modernisiert und trägt dem erweiterten Funktionsumfang Rechnung. Aufklappbare Menüs ermöglichen eine gute Übersicht. Zentral ist das Kartenmodul, das Orientierung bietet und einfachen Zugriff auf Inhalte erlaubt. Die Applikation wurde mit einem komplexen Content Management System verbunden, das es erlaubt, jederzeit Inhalte zu aktualisieren oder hinzuzufügen.
Schwerpunkt der App sind Virtual Reality und Augmented Reality, also die Darstellung rein virtueller Modelle einerseits und die digitale Ergänzung der im Gelände sichtbaren archäologischen Überreste andererseits. Dafür wurden zahlreiche Funde dreidimensional gescannt und mehrere Kastelle virtuell rekonstruiert. Mithilfe der App ist es nun möglich, Funde dreidimensional von allen Seiten zu betrachten, z. B. einen Lederschuh vom Kastell Bar Hill in Schottland.

Um das Eintauchen in die virtuelle Realität zu ermöglichen, wurden Kastelle, Gebäude oder auch Innenräume als 360°-Panoramabilder berechnet. So kann sich der Anwender nun im Heiligtum auf dem Weinberg bei Eining im Innenraum des Tempels umsehen, die Statuen von Mars und Victoria betrachten und die mystische Atmosphäre erleben. Eine besondere Herausforderungen ist die Verwirklichung von Augmented Reality aufgrund der Hardwareanforderungen und der komplexen Umsetzung: Für ALApp wurden spezielle Schautafeln grafisch entwickelt. Diese kann der Nutzer mit seinem Smartphone scannen und darüber staunen, wie beispielsweise auf dem Grabungsplan ein Wachtturm des Limes als 3D-Modell erscheint. Der Betrachter kann den Turm umrunden und aus verschiedensten Perspektiven bestaunen.

Mehr erfahren in der AiD 6/21

  • Roms Grenzen an Rhein – Main – Donau von C. Sebastian Sommer
  • Reiche Ressourcen am Main von Veronika Fischer
  • Bewegte Geschichte: Raetien, Noricum und Pannonien von Markus Gschwind und René Ployer
  • Der Südosten – vom Hinterhof Roms zum Vorhof Konstantinopels von Silva Sabcova
  • Am Niederrhein – Trennendes kann auch verbinden von Steve Bödecker, Marinus Polak und Jennifer Schamper
  • Der Fluss als Umweltarchiv von Steve Bödecker, Marinus Polak und Jennifer Schamper

Archäologie im App-Store

Als Ergebnis des Projekts gibt es nun nicht nur eine technische Plattform für Apps, die in der Lage ist, Virtual und Augmented Reality darzustellen, sondern es sind sowohl für den Obergermanisch-Raetischen Limes in Bayern als auch den Antoninuswall neue Apps erhältlich, die sowohl für iOS und als auch Android auf Deutsch und Englisch zur Verfügung stehen. Die Systemsprache des Smartphones erkennt ALApp automatisch.

Für »LIMES mobil« wurden Inhalte rund um das Kastell Eining, das antike Abusina, erarbeitet. Diese informieren auf unterhaltsame und abwechslungsreiche Weise über das Kastell, das Legionslager aus der Zeit der Markomannenkriege, das Limes­ende bei Hienheim und das Heiligtum auf dem Weinberg. Aktuell sind Inhalte zu 14 Orten aus der ehemaligen »Mainlimes App« und der »Limes Mittelfranken App« in »LIMES mobil« integriert. Ziel ist, nach und nach neue Fundplätze hinzuzufügen und letztlich für alle Orte am bayerischen Obergermanisch-Raetischen Limes und am Donaulimes ein breites Angebot bereitzustellen. Ebenso wurde die »Antonine Wall App« von Grund auf neu erarbeitet und bietet in der englischen Version derzeit zu elf Orten entlang der schottischen Grenzbefestigung Inhalte an. Auch in Schottland wird das Inhaltsangebot schrittweise erweitert.

Wunsch des Entwicklerteams ist es, dass »ALApp« zum Markenzeichen wird: ein international genutztes, verbindendes Element für die Vermittlung der römischen Außengrenzen, nicht nur in Großbritannien und Bayern. Die technische Plattform könnte am gesamten Obergermanisch-Raetischen Limes, dem Donaulimes und der niedergermanischen Flussgrenze eingesetzt werden und zu einem verbindenden Element werden. Die technische Grundlage steht grundsätzlich auch anderen Institutionen zur Verfügung.

Nur wenn es gelingt, archäologische Denkmäler auf lebendige Weise begreifbar zu machen, erzeugen wir bei den Besuchern Interesse und bieten ihm Möglichkeiten zur Identifikation, die wiederum Verständnis wecken, warum der Erhalt dieser Denkmäler so wichtig für uns alle ist. Nicht zuletzt bieten virtuelle Modelle eine denkmalschonende Alternative zu originalgetreuen Rekonstruktionen, die auch recht problemlos immer wieder auf den aktuellen Forschungsstand gebracht werden kann.

Tipps zum Weiterlesen

R. Ployer, Der norische Limes in Österreich. Österreichische Denkmaltopographie 1 (Wien 2018).

T. Fischer, E. Riedmeier-Fischer, Der römische Limes in Bayern. Geschichte und Schauplätze entlang des UNESCO-Welterbes (Regensburg 2017).

F. Brechtel, Ch. Schäfer, G. Wagener (Hrsg.), LUSORIA RHENANA. Ein römisches Schiff am Rhein. Neue Forschungen zu einem spätantiken Schiffstyp (Hamburg, 2016).

V. Gassner, A. Pülz (Hrsg.), Der römische Limes in Österreich. Führer zu den archäologischen Denkmälern (Wien 2015).

C. S. Sommer, S. Matešić, Am Rande des Römischen Reiches. Ausflüge zum Limes in Süddeutschland. Beiträge zum Welterbe Limes Sonderband 3 (Mainz 2015).

F. Humer (Hrsg.), Carnuntum. Wiedergeborene Stadt der Kaiser (Darmstadt 2014).

W. Moschek Der Limes. Grenze des Imperium Romanum (Darmstadt 2010)

S. Jilek, Der Donaulimes. Eine römische Flussgrenze (Warschau 2009).

Zs. Visy, The Roman Army in Pannonia. An Archaeological Guide of the Ripa Pannonica (Pécs 2003).

M. Gschwind, Abusina. Das römische Auxiliarkastell Eining an der Donau vom 1. bis 5. Jh. n.Chr. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 53 (München 2004).

G. Moosbauer, Das römische Ostraetien: Neue Forschungen zu Militärlagern und Gutshöfen. In: K. Schmotz (Hrsg.), Vorträge des 21. Niederbayerischen Archäologentages (Rahden/Westf. 2003) 247–293.

Th. Fischer, Noricum (Mainz/Rhein 2002).

Gesellschaft f. Vor- u. Frühgeschichte in Württemberg u. Hohenzollern e.V. (Hrsg.), Von Augustus bis Attila, Die Limesreihe – Schriften des Limesmuseums Aalen (Darmstadt 2000).

W. Czysz, Kh. Dietz, Th. Fischer u.J. Kellner, Die Römer in Bayern (Stuttgart 1995).

Zs. Visy, Der pannonische Limes in Ungarn (Stuttgart 1988).

K. Genser, Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Der Römische Limes in Österreich 33 (Wien 1986).