Bad Wünnenberg: Ansiedlung aus dem 6. bis 7. Jahrhundert entdeckt

Drohnenfoto der Grabungsfläche in Bad Wünnenberg.
Das Drohnenfoto zeigt, wie dicht die rund 200 Befunde auf der Fläche des geplanten Neubaus in Bad Wünnenberg beieinanderliegen. Foto: Goldschmidt Archäologie & Denkmalpflege/Nils Hellner


An dem Ort ist die Erweiterung einer intensivpädagogischen Wohngruppe des SPI Paderborn e. V. geplant. Da den Fachleuten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) aus dem näheren Umfeld des Baugrunds bereits archäologische Siedlungsspuren bekannt sind, wurde in der Baugenehmigung festgehalten, dass vor Baubeginn eine archäologische Fachfirma das Gelände begutachtet.

„Das Gelände befindet sich in direkter Nähe zur südlich gelegenen Wüstung Ost-Eilern, die ins hohe Mittelalter datiert wird und bereits als Bodendenkmal eingetragen ist“, erklärt Grabungsleiter und Archäologe Rafael Roth.

Allerdings stießen die Fachleute nicht auf die erwarteten Ausläufer dieser erstmalig um 1220 erwähnten und zwischen 1381 und 1445 wüst gefallenen Siedlung, sondern auf Spuren einer Hofstelle aus noch früherer Zeit, dem 6. bis 7. Jahrhundert. Siedlungsfunde aus dieser Zeit sind in Westfalen immer noch sehr selten, so die Expert:innen.

„Wir waren sehr überrascht von den erhaltenswerten umfangreichen Spuren. Um den Baubeginn nicht zu verzögern und um die bevorstehenden Bauarbeiten beginnen zu können, haben wir uns dazu entschlossen, die gesamte Fläche vollständig untersuchen zu lassen“, schildert Sylvia Polte, Vorstand des SPI Paderborn e. V. „Nun kann der dringend benötigte Erweiterungsbau der OASE Friedrichsgrund begonnen werden. Die Dokumentationsarbeiten im Zuge der Beseitigung des Bodendenkmals stellen eine hohe finanzielle Belastung für unseren Verein dar. Die Refinanzierung dieser Kosten können wir noch nicht absehen.“

Pfostenspuren geben Aufschluss über Konstruktionen

Anhand von zahlreichen Pfostenlöchern, in denen jeweils die dachtragenden Gebäudepfosten steckten, kann das Grabungsteam mindestens drei Häuser rekonstruieren, die zu mindestens zwei Wohngebäuden mit möglicherweise späteren Anbauten und angrenzenden Wirtschaftsgebäuden gehörten. Grabungsleiter Roth: „Die Standorte der Pfostenreihen zeichnen sich unter dem Humus als dunkle Verfärbungen vom umgebenden anstehenden Boden ab. Dadurch lassen sich eindeutig Hausgrundrisse von bis zu 15 Metern Länge und 7 Metern Breite erkennen.“

Nach siebenwöchiger Ausgrabung können die Archäolog:innen ein erstes Bild der 1.500 Jahre alten Hofansiedlung zeichnen: Die enggesetzten Pfostenreihen an den Wänden und fehlende Pfosten im Innenraum lassen auf hallenartige Konstruktionen schließen. Bei einem Haus ist im Süden hangabwärts noch ein Eingang in Form eines kleinen Vorbaus zu erkennen. Doppelpfosten an den Wänden und zusätzliche Stützpfosten außen parallel zu den Wänden können anhand guter Vergleichsfunde aus dem Münsterland oder aus den Niederlanden in das 6. bis 7. Jahrhundert datiert werden. Ein fast quadratisches Gebäude datiert ins 7., vielleicht sogar ins 8. Jahrhundert. Die Fachleute schätzen, dass die kleine Ansiedlung über etwa 100 Jahre bestand: „Weil sich einige Grundrisse überschneiden, gehen wir von zwei Hofphasen aus“, sagt Roth und ergänzt: „Dieser Hof lag einzeln am Südhang und wurde, wie eine kleine Pfostenspurreihe im Norden zeigt, ursprünglich von einem Zaun eingefasst.“

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Die „Dunklen Jahrhunderte“ bringen Veränderungen in Ostwestfalen

Solche Einzelhöfe lassen sich inzwischen gut in die Siedlungsgeschichte Ostwestfalens einordnen, weiß Dr. Julia Hallenkamp-Lumpe, wissenschaftliche Referentin der LWL-Archäologie für Westfalen: „Nach dem Untergang des Römischen Reiches und einer Zeit dichter Besiedlung kam es in Ostwestfalen zu einem deutlichen Wandel im Siedlungsbild. Sehr wahrscheinlich führten größere Abwanderungen dazu, dass sich die in Ostwestfalen verbliebenen Menschen auf einzelne Siedlungskernräume konzentrierten.“

Die Region um Bad Wünnenberg war einer dieser frühmittelalterlichen Kernräume. So konnten Fachleute 1982 und 1983 in Bad Wünnenberg-Fürstenberg ein Gräberfeld dieser Zeit untersuchen, das bis in das 6. Jahrhundert zurückreicht. Nur wenige Kilometer weiter nördlich der aktuell erforschten Hofstelle wurde 2015 eine weitere Ansiedlung des 6. bis 7. Jahrhunderts entdeckt.


„Insgesamt gehen wir in dieser Zeit von Höfen in Einzellage oder kleineren Siedlungen mit bis zu drei Höfen aus“, erläutert Hallenkamp-Lumpe weiter. Die als Selbstversorger von der Landwirtschaft lebenden Familien oder Siedlergemeinschaften gaben aufgrund der Haltbarkeit der Gebäude nach ein bis zwei Generationen, spätestens aber nach 100 Jahren ihre Höfe auf und errichteten diese in teils nur wenigen hundert Meter Entfernung wieder neu, so die Archäologin weiter.

Ein Zusammenhang der Hofstelle am Friedrichsgrund mit der benachbarten Siedlung von Ost-Eilern war nicht festzustellen, da die beiden Fundstellen dafür zeitlich zu weit auseinanderliegen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich im näheren Umfeld künftig Ansiedlungen aus den noch fehlenden Zeitstufen finden und dann eine kleinräumige Platzkontinuität über etliche Jahrhunderte nachzuweisen sein könnte.

„Das Wohnen an historischer Stelle schafft für die OASE Friedrichsgrund nun einen spannenden Ansatzpunkt für eine kulturelle Vermittlungsarbeit, zusätzlich zu der für die pädagogischen Zwecke wichtigen ruhigen und naturnahen Lage,“ so Horst Goldscheck, Vorstand SPI Paderborn e. V. Um die Geschichte des Platzes auch vor Ort dauerhaft zu dokumentieren, sollen die Ausgrabungsergebnisse daher später in den neu errichteten Gebäuden präsentiert werden.

Nach Pressemitteilung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)