Auf über 20 km Archäologie durch das Altenburger Land

Blick auf die Ferngasleitung FGL 32 im Altenburger Land.
Blick auf die Ferngasleitung FGL 32. Foto: TLDA, Weimar

Im Altenburger Land wurde eine von Norden nach Süden verlaufende Neutrassierung der Ferngasleitung FGL 32 durch die ontras Gastransport GmbH realisiert, die von 2019 bis 2021 durch das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) archäologisch untersucht worden ist.

Die archäologischen Untersuchungen erbrachten über 20, größtenteils unbekannte ur- und frühgeschichtliche Siedlungen und Gräber. Zahlreiche Fundplätze waren mehrperiodisch belegt. Die zeitliche Spanne reicht vom Spätneolithikum bis in die jüngste Zeit.

Die ältesten Nachweise datieren an das Ende des Spätneolithikum (ca. ca. 2800–2200 v. Chr.) und setzen sich aus mindestens vier topografisch exponierten schnurkeramischen Einzelgräbern bzw. kleinen Grabgruppen auf drei Fundplätzen in Zschernitzsch, Kosma und Oberzetscha zusammen. Dagegen sind Siedlungsspuren aus dem Spätneolithikum selten. In die Frühphase der mittleren Bronzezeit dürfte ein Grabhügelrest bei Illsitz gehören, der als maximal 0,6 m breiter Kreisgraben von 19 m Durchmesser auffiel. Gräber fanden sich im Innenraum nicht. Sonst war dieser Zeithorizont eher schwach belegt. Die 14C-Datierung ergab eine Zeitspanne von ca. 1600–1500 v. Chr. In die späte Bronzezeit (1200–800 v. Chr.) ist ein Gräberfeld mit 35 Urnen bei Zschernitzsch zu stellen, dass sich in zwei voneinander getrennte Grabgruppen gliedert. Die Gräber wurden auf dem höchsten Punkt im Gelände in Nähe der oben erwähnten schnurkeramischen Bestattungen angelegt. Die dazugehörige Siedlung konnte nicht lokalisiert werden.

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Spätbronzezeitliche Wohnplätze wurden dagegen weiter nördlich dieser Fundstelle bei Molbitz und Lehma ergraben. In der vorrömischen Eisenzeit (800 v. Chr. bis Christi Geburt), vor allem in der Latènezeit, erhöhte sich die Siedlungsdichte, wie Ansiedlungen beispielsweise bei Drescha, Großstöbnitz, Zschernitzsch, Gleina, Kosma und Kürbitz zeigen. Gerade bei den beiden letztgenannten Fundplätzen ließ sich eine Besiedlung von der Latènezeit bis in die römische Kaiserzeit feststellen. Im 5. Jh. n. Chr. wurde bei Zschernitzsch eine junge Frau mit reichen Beigaben bestattet. In das 8./9. bis 11. Jh. datieren drei Fundplätze bei Drescha, Kürbitz und Nörditz mit wenige Einzelgruben, die ein breites slawisches Keramikspektrum hinterließen. Befunde der Neuzeit wie Kanäle, Hausfundamente, aber auch Bombentrichter entstanden vor allem im 18. bis 20. Jh.

Schnurkeramische Gräber

Zwei schnurkeramische Gräber einer Frau und eines Mannes bei Zschernitzsch sowie eines Mannes bei Kosma gehörten wohl zu zwei kleinen Gräberfeldern. In allen Körpergräbern waren die Individuen Ost-West-ausgerichtet mit Blickrichtung gen Süden. In Zschernitzsch wurde ein auf der linken Seite liegendes Individuum anthropologisch als Frau bestimmt. Im Fußbereich der Toten fanden sich eine Amphore und eine größere Silexklinge, im Rücken ein kleines Beigefäß und verstreute Silices. Nur etwa 20 m entfernt lag in einer Tiefe von 1,80 m in einer rechteckig-gerundeten Grabgrube ein rechtsgehocktes männliches Individuum. Am Schädel fand sich ein langgestrecktes Steinwerkzeug, bei dem es sich um einen Meißel handeln könnte. Eine Felsgesteinaxt und ein Steinbeil lagen am rechten bzw. am linken Oberarm. Eine Feuersteinklinge wurde an der im Beckenbereich liegenden linken Hand gefunden.

Die männliche schurkeramische Bestattung bei Zschernitzsch.
Die männliche schurkeramische Bestattung bei Zschernitzsch. Foto: TLDA, Weimar

Eine weitere männliche Bestattung trat in der Gemarkung Kosma zutage. In der langgestreckten, etwa 0,60 m tiefen Grabgrube lag das Individuum auf der rechten Seite. Ein Steinbeil und eine Steinaxt wurden am rechten Oberarm, eine Silexklinge beim Nacken niedergelegt. Die Größe der Grabgrube lässt vor allem im Fußbereich an nicht mehr erhaltene organische Beigaben denken. Etwa zeitgleich ist eine kleine Gräbergruppe bei Oberzetscha, von der nur ein Grab Beigaben wie eine Amphore und einen schnurverzierten Becher enthielt.

Die ur- und frühgeschichtlichen Siedlungen bei Kosma und Kürbitz

In Kosma wurden die Überreste von mindestens sechs Kleinbauten in Pfostenbauweise erfasst. Zusammen mit technischen Konstruktionen wie Überdachungen, zahlreichen Vorrats- und Materialentnahmegruben sowie den Resten von zwei Öfen ergibt sich das Bild eines wirtschaftlich genutzten Areals mit lockeren Gehöftstrukturen. Bei den zwei Öfen kann von einer Funktion als Backöfen oder Darren ausgegangen werden. Sie lagen im zentralen Fundplatzbereich etwa 50 m voneinander entfernt und zeigten ähnliche Merkmale. Beide waren etwa 1,60 × 0,90 m große Rechteckstrukturen, die Nord-Süd-orientiert in den Lehmboden eingegraben waren. Die Verfüllung beider Öfen bestand im Bereich der Sohle aus mehreren Holzkohlebändern und einer darauf liegenden massiven Schicht aus Brandlehmschutt. Diese Lehmstücke wiesen Abdrücke von Hölzern und gewölbte Formen mit handverstrichenen Oberflächen auf und sind Teile der verstürzten Ofenkuppel.

Als Nachweis für örtliche Textilproduktion sind Funde von Spinnwirteln und Knochenpfriemen sowie ein Webgewicht aus Ton überliefert. Auffällig ist hier die hohe Anzahl von Tierknochen.

Auf eine mögliche mehrphasige Besiedlung des Geländes deutet das keramische Fundspektrum hin. Es datiert vor allem in die mittlere bis späte Latènezeit (3.–1. Jh. v. Chr.). Der Fundplatz wurde bereits in der späten Bronzezeit und dann wieder in der älteren römischen Kaiserzeit aufgesucht.

Ein fast ähnliches Besiedlungsschema weist die Siedlung von Kürbitz auf. Hier fanden sich knapp 90 Befunden, die vor allem vom 3. Jh. v. Chr. bis zum 3. Jh. n. Chr. datieren. Zahlreiche Pfostengruben lassen sich vor allem kleinen einschiffigen Bauten zuordnen. Dazu gesellen sich zum Teil bis 1,40 m tiefe Lehmentnahme- und Speichergruben. In einer dieser Gruben fand sich über 19 kg Brandlehm. Im Kürbitzer Fundmaterial dominieren bei den Gefäßtypen vor allem Schalen, Schüsseln und Töpfe, die meist unverziert sind. Unter den wenigen Drehscheibengefäßen finden sich auch solche mit Rollrädchenmustern. Singulär sind die Reste eines Siebgefäßes. Erwähnenswert sind Mahlsteinfragmente aus Basalt, die auf einen weitreichenden Handel nach Westen hinweisen. Außerdem konnte man Eisenverhüttung dokumentieren.

Ein Einzelgrab aus dem 5. Jahrhundert

Im Altenburger Ortsteil Zschernitzsch fanden sich nicht nur Bestattungen der Schnurkeramik und der späten Bronzezeit, sondern auch ein merowingerzeitliches Einzelgrab. Es konnte eine junge Frau mit einem reichen Inventar geborgen werden. Die Verstorbene war zwischen 15 und 29 Jahren alt, 1,57 m groß und lag in gestreckter Rückenlage, wobei der rechte Arm gestreckt und der linke leicht angewinkelt waren. Die rechteckige Grabgrube war Westsüdwest bis Ostnordost ausgerichtet und über 0,60 m in den anstehenden Lößlehm eingetieft. Sie wirkte recht schmal. Um den Hals trug die Bestattete einen 13,7 cm großen Ring, der mit einem Haken-Ösen-Verschluss mit zurückgewickelten Enden verschlossen wurde. Er ist aus Bronze gefertigt und nicht verziert. Am rechten Arm in der Nähe des Beckens kamen zwei Fibeln gleicher Machart zutage: je eine 7,0 cm bzw. 7,1 cm hohe gegossene Dreiknopffibel mit halbrunder Knopfplatte und rhombischer Fußplatte. Während der mittlere, deutlich längere Knopf zusammen mit der Platte hergestellt wurde, arbeitete man die beiden äußeren kürzer und brachte sie gesondert an. Beide Fibeln sind mit Kerbschnittornamenten in Spiralform verziert. Auf dem leicht gewölbten Bügel sind Niello-Einlagen und horizontale Punzzier zu erkennen. Der Fibelfuß zeigt an seinem Ende einen stilisierten Tierkopf. Die Fibeln wurden aus Silber gefertigt und vergoldet. Hinzu kommt ein 14,7 cm langes, 0,7 cm dickes Bronzeblechröllchen an der Außenseite der rechten Hand, dessen eine Seite verschlossen war. Unmittelbar daneben kam eine durchlochte Perle aus Sepiolith zum Vorschein, die wohl ursprünglich auf dem Röllchen befestigt war.

Die Beifunde datieren das Grab in das dritte Viertel des 5. Jh. Die junge Frau gehörte aufgrund ihrer Grabausstattung zur lokalen Oberschicht. Diese Einzelbestattung könnte zu einer kleinen Gräbergruppe gehören.

| Ines Spazier, Thomas Queck, Volker Neubeck

Mit freundlicher Genehmigung des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie

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