3000 Jahre altes Grab unter der Grazer Burg gefunden

Archäologische Untersuchungen offenbaren frühmittelalterliche und prähistorische Besiedlung

Blockbergung des urnenfelderzeitlichen Brandgrabs.
Blockbergung des urnenfelderzeitlichen Brandgrabs. © Bild: Universalmuseum Joanneum

Im Zuge der Vorarbeiten zur Revitalisierung der Grazer Burg fanden in den vergangenen Wochen archäologische Grabungen am Sitz der Steiermärkischen Landesregierung statt. Zum Abschluss der Grabungen wurden heute (10.12.2021) Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang und Kulurlandesrat Christopher Drexler von den Expertinnen und Experten der Zechner Denkmal Consulting GmbH und des Universalmuseum Joanneum über die gewonnenen Erkenntnisse informiert und die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert.

Die erste Phase der archäologischen Untersuchungen, die am 1. November begann und am 10. Dezember abgeschlossen wurde, hatte das Ziel, das archäologische Potenzial der für den Umbau geplanten Bereiche zu eruieren. Die Forschungen dienen einerseits der Gewinnung von neuen historischen Erkenntnissen, die in die Präsentation der Geschichte der Grazer Burg einfließen können, und ermöglichen andererseits eine solide Planung und Umsetzung der späteren Baumaßnahmen.

Das Team der Archäologinnen und Archäologen des Universalmuseums Joanneum untersuchte in rund 30 Arbeitstagen 17 archäologische Schnitte mit jeweils 4 bis 9 Quadratmeter Fläche, die in einigen Bereichen eine Tiefe von bis zu vier Metern erreichten. Die Schnitte wurden in den drei Burghöfen sowie in den Innenräumen des Karls-, Friedrichs- und Registraturtraktes der Grazer Burg angelegt.

Frühmittelalterliche Siedlungsspuren

Bei den Grabungen wurden Funde und Befunde aus unterschiedlichen Zeitepochen festgestellt und dokumentiert. Unter dem Pflaster des ersten Burghofs konnten z.B. die Fundamente des 1950 bis 1952 überbauten Teils der alten Burg freigelegt werden. Darunter befanden sich noch Spuren einer mittelalterlichen Besiedlung vor der Errichtung der Burg, mit der ab 1438 von Herzog Friedrich V., dem späteren Kaiser Friedrich III., begonnen wurde. Einzelfunde wie ein Ohrring in Halbmondform mit Glaseinlagen deuten sogar auf eine Besiedlung im Frühmittelalter (9.-10. Jahrhundert nach Chr.) hin.

Prähistorische Funde

Zur Überraschung des Grabungsteams haben die vielen mittelalterlichen und neuzeitlichen Baumaßnahmen im Burgareal die prähistorischen Befunde nicht massiv gestört. Es konnte eine bis zu ein Meter dicke prähistorische Kulturschicht untersucht werden. Zu den Kleinfunden gehört neben Tonscherben auch ein Armring aus Bronze, ein Metall, das in der Urgeschichte ein wertvoller Rohstoff für die Schmuck-, Waffen- und Werkzeugherstellung war. Die Objekte können in die Spätbronzezeit, die sogenannte Urnenfelderzeit (13.-9. Jahrhundert vor Chr.), datiert werden. Die prähistorischen Keramikfragmente belegen aber auch eine Besiedlung in der älteren Eisenzeit (9.-5. Jahrhundert vor Chr.) und sogar in der Kupferzeit (4. Jahrtausend vor Chr.).

Eines der frühesten Brandgräber der Steiermark entdeckt

In einem Grabungsschnitt unmittelbar am sogenannten Karlstrakt, dem Gebäude, in dem sich das Büro des Landeshauptmanns befindet, tauchte bei den archäologischen Grabungen in mehr als einem Meter Tiefe ein Scherbenhaufen zwischen großen Rundsteinen und winzigen Knochenresten auf. Es handelt sich um ein spätbronzezeitliches Brandgrab, das zu den frühesten Brandgräbern der Steiermark gehört. Das Grab wurde im Block geborgen und in die archäologische Restaurierwerkstatt des Joanneums transportiert.

Wissenschaftliche Auswertungen im Laufen

Weitere naturwissenschaftliche Analysen werden neue Erkenntnisse zum Leben der Menschen in der Steiermark vor mehr als 3.000 Jahren liefern. Die prähistorischen Funde und Befunde aus der Grazer Burg, zusammen mit den Funden vom Schlossberg, Karmeliterplatz und Landesarchiv, wo vor mehr als 20 Jahren ein ähnliches Grab entdeckt wurde, zeigen jedenfalls, dass die Grazer Stadtkrone seit Jahrtausenden ein beliebter Ansiedlungsort ist.

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer: „Die heute präsentierten Funde zeigen einmal mehr die historische Bedeutung des steirischen Regierungssitzes. Mit der Revitalisierung der Burg ermöglichen wir es, diese umfangreiche Historie auch öffentlich zugänglich zu machen. Die beeindruckenden Schätze, die entdeckt wurden, und die Attraktivierung des bauhistorischen Juwels machen unsere Landesgeschichte für alle erlebbar.“

Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang: „Es ist höchst faszinierend, welch bedeutende historische Schätze bei diesen Grabungsarbeiten rund um den steirischen Regierungssitz ans Tageslicht gelangt sind. Sie zeigen uns, wie die Steirerinnen und Steirer in früheren Zeiten gelebt haben. Herzlichen Dank an alle, die daran mitwirken, diese prähistorischen Funde zu bergen und in weiterer Folge wissenschaftlich zu untersuchen.“

Unser Jahres-Abo

Jahresabbonement Archäologie in Deutschland

  • 14% Preisvorteil
  • jederzeit kündbar nach Ablauf der Mindestlaufzeit von einem Jahr
  • portofreie Zustellung vor Erstverkaufstag 
  • wbg-KulturCard gratis
  • vergünstigter Eintritt zu ausgewählten Veranstaltungen
  • 9 Hefte im Jahr

Landesrat Christopher Drexler: „In der Kunst und Kultur muss es immer auch den Blick zurück geben. Im Zuge der Revitalisierung der Grazer Burg wurden durch die Expertinnen und Experten unseres Archäologiemuseums Maßnahmen gesetzt, die bereits erste Früchte im wahrsten Wortsinn ans Licht gebracht haben. Nur wenige, bewusst gesetzte Schnitte ins Erdreich haben uns bereits einen vielversprechenden Blick in die Vergangenheit und Geschichte des Gebäudekomplexes der Grazer Burg geboten. Die Vorstellung, dass auf diesem Grund und Boden bereits in prähistorischer Zeit – wir sprechen immerhin vom 4. Jahrtausend vor Christus – Menschen gelebt haben, ist einfach nur faszinierend. Ich bin gespannt, was die Arbeiten mit Unterstützung der Expertise unseres Universalmuseums Joanneum in den nächsten Monaten noch zutage bringen werden.“

Karl Peitler, Leiter der Abteilung Archäologie & Münzkabinett im Universalmuseum Joanneum: „Es ist für uns eine große Freude, die vorbereitenden Arbeiten zur umfassenden Revitalisierung der historischen Zonen der Grazer Burg archäologisch begleiten zu dürfen und dadurch einen Beitrag zu leisten, dass zur ältesten Geschichte dieses einzigartigen Ortes neue Erkenntnisse gewonnen werden können.“

Marko Mele, Grabungsleiter: „An einem historisch so bedeutenden Ort wie die Grazer Burg archäologisch zu forschen, bringt viele Herausforderungen, aber auch eine große Verantwortung mit sich. Deshalb waren wir auf archäologische Funde aus allen Zeitepochen gut vorbereitet. Trotzdem versetzte uns fast jeder Grabungsschnitt ins Staunen. Das bronzezeitliche Grab ist nur ein Highlight der Grabungskampagne.“

Großprojekt „Revitalisierung Grazer Burg“ – der Weg zum Masterplan

In der Regierungssitzung vom 12. August 2021 beschloss die Steiermärkische Landesregierung die Planungsvorbereitungen für die Revitalisierung der historischen Zonen der Grazer Burg. Auf Basis eines umfassenden Gesamtkonzepts („Masterplan Grazer Burg“), das durch die zuständigen Abteilungen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung erarbeitet wurde, wird im Frühjahr 2022 die Auslobung eines EU-weiten offenen Realisierungswettbewerbs starten, bei dem die Gestaltungsvorschläge zur Umsetzung dieses Konzepts eingebracht werden können. Zu den Vorbereitungen auf den Wettbewerb gehören in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt Österreich auch umfassende bauhistorische und archäologische Maßnahmen, mit denen vom Land Steiermark die Zechner Denkmal Consulting GmbH und das Universalmuseum Joanneum beauftragt wurden.

Nach Pressemitteilung des Landes Steiermark

Das könnte Sie auch interessieren!

Winziger Sensationsfund im Neumarkter Hochtal entdeckt

Das Neumarkter Hochtal bleibt durch die Initiative des Historischen Arbeitskreises Neumarkter Hochtal weiterhin im Fokus der archäologischen Forschung in der Steiermark. Die Beobachtungen, die Mitglieder des Arbeitskreises beim Bau eines Wohnhauses in Oberdorf machten, führten die Archäologinnen und Archäologen der Universität Graz und des Universalmuseums Joanneum zu einer bisher unbekannten bronzezeitlichen Fundstelle beim Dürnberger Moor.