40 Jahre Taucharchäologie in Baden-Württemberg

Erster Tauchgang am 30.12.1981 durch die Studenten Joachim Köninger, Martin Kolb und Gunter Schöbel (v.l.n.r.), begleitet durch den Tauchlehrer Peter Sieber (nicht im Bild; Quelle: Archäo, Matthias Seitz).

Vor 40 Jahren, am 30. Dezember 1981, stiegen erstmals drei Archäologiestudenten mit einem Tauchlehrer vor Bodman in den Bodensee, um im Auftrag des Landesamtes für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart die Pfahlbauten unter Wasser taucharchäologisch zu erforschen. Seitdem ist die Unterwasser- bzw. Taucharchäologie ein unerlässlicher Bestandteil der Betreuung des feucht erhaltenen archäologischen Kulturerbes in Baden-Württemberg. Taucharchäologische Untersuchungen sind heute umso wichtiger, da sich die Bedingungen unter Wasser in den vergangenen Jahren durch Klimawandel und eingeschleppte Arten sehr rasch veränderten.

Von 1980 bis 1983 begann mit dem „Projekt Bodensee-Oberschwaben“ nach langjährigem Forschungsstillstand eine Bestandaufnahme der Feuchtbodensiedlungen im baden-württembergischen Alpenvorland. Vor allem am Bodensee war der Einsatz von Tauchern unabdingbar, um die unter Wasser liegenden Bodendenkmale zu erforschen. Diese hatten seit ihrer Entdeckung Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend Schäden durch Erosion, Baumaßnahmen und Baggerungen zu verzeichnen.

Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte wurde ein umfassendes Inventar der Moor- und Seeufersiedlungen Baden-Württembergs erstellt. Grabungen in den Pfahlbausiedlungen des Bodensees ebenso wie in Kleinseen und Mooren Oberschwabens sind die Grundlagen für umfangreiche Forschungsprojekte und zahlreiche Publikationen. Besonders gefährdete Bereiche konnten durch Abdeckungen geschützt werden. Der Schwerpunkt liegt am Bodensee. Hier werden neben den Pfahlbausiedlungen auch prähistorische Einbäume, historische Schiffswracks und Fischerei-Infrastruktur taucharchäologisch betreut. Im Frühjahr 2021 wurde der älteste Einbaum des Bodensees geborgen, was nur durch den Einsatz taucharchäologischer Methoden möglich war.

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Zeitreisen unter Wasser

Mit Nord- und Ostsee, Hunderten Seen, Tausenden Kilometern Flussläufen, gefluteten Höhlensystemen und Bergwerken sowie Brunnen und Mooren ist Deutschland reich an unterschiedlichen Gewässern. Seit der Steinzeit nutzen Menschen diese für Verkehr und Handel, als Grenzen, Wohnstätten, heilige Orte sowie als Trink- und Nahrungsquelle. All diese Aktivitäten haben Spuren hinterlassen. Denn unter Wasser, dort, wo es keinen Luftsauerstoff mehr gibt, haben sich die Fundstellen ausgesprochen gut erhalten und geben heute einen einzigartigen Einblick in unsere Vergangenheit. In den letzten Jahrzehnten fanden Unterwasserarchäologen in fast allen Bundesländern Spektakuläres aus ganz unterschiedlichen Epochen der Menschheitsgeschichte. Mit moderner Technik und unter oftmals widrigsten Bedingungen machten sich die Wissenschaftler auf, diese Zeitkapseln zu erforschen. Dazu gehören versunkene Siedlungen aus der Steinzeit, Hafenanlagen und Schiffe der Wikinger, römische Brücken, germanische Opfergaben, mittelalterliche Handelsschiffe sowie Kriegsschiffe und Flugzeugwracks des frühen 20. Jahrhunderts.

Der länderübergreifende Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen rund um den Bodensee ist heute selbstverständlich, wie etwa zuletzt mit der Thurgauer Kantonsarchäologie bei der Untersuchung der Pfahlbaufundstelle Öhningen-Orkopf zwischen Öhningen und Eschenz.

Die in den 1980ern in Baden-Württemberg etablierte Taucharchäologie wird bis heute von Protagonisten der ersten Stunde im Auftrag des Fachgebiets Feuchtbodenarchäologie sowie des Site Managements der Welterbestätte „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ des LAD betrieben und weiterentwickelt.

Zwei der Protagonisten der ersten Stunde 40 Jahre später: Gunter Schöbel, Joachim Köninger (v.l.n.r.; Quelle: LAD im RPS, Renate Ebersbach).
Taucharchäologische Untersuchungen in der Fundstelle Konstanz-Frauenpfahl mit freierodierten Pfählen der spätbronzezeitlichen Siedlung (Quelle: M. Mainberger UwArc).

In den vergangenen 40 Jahren hat nicht nur die Taucharchäologie selbst Fortschritte in Bezug auf Ausrüstung, Methoden und Sicherheit gemacht, sondern auch die Grabungstechnik insgesamt. Dazu gehören auch Weiterentwicklungen wie die Dredge, einer Art „Unterwasser-Staubsauger“, der das Sediment während des Grabens in feinmaschigen Netzen auffängt, sodass auch kleinste Funde beim anschließenden Schlämmen noch vorhanden sind. Im Zusammenhang mit dem Erhalt und der Erforschung der Baden-württembergischen Pfahlbausiedlungen, die seit 2011 Teil der UNESCO Welterbestätte „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ sind, sind die Erfahrung und die Expertise der Forschungstauchenden unerlässlich.

Auch im 21. Jahrhundert sind prähistorische Feuchtbodensiedlungen durch Umweltveränderungen, eingeschleppte Arten, Schiffsverkehr, Wellenschlag, intensive touristische Nutzung und nicht zuletzt Schatztaucherei gefährdet. Der Taucharchäologie wird deshalb auch in Zukunft die Aufgabe zufallen, dieses bedeutende Welterbe der Menschheit sowie alle anderen Bodendenkmale in den zahlreichen Gewässern des Landes zu überwachen, zu schützen und zu bewahren.

Weitere Informationen dazu finden Sie auch im Internet unter https://unesco-pfahlbauten.org.

Nach Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Stuttgart.

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10 Jahre UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“

2021 feiert die Archäologie ein kleines Jubiläum. Vor zehn Jahren, am 27. Juni 2011, wurden die „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ in die UNESCO-Welterbeliste eingeschrieben: 111 Fundstellen in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Slowenien und der Schweiz sind seither UNESCO-Welterbe und stehen stellvertretend für über 1000 bekannte Pfahlbaufundstellen aus der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Anlässlich des Jubiläums finden während des ganzen Jahres an vielen Orten rund um die Alpen verschiedene Veranstaltungen statt.