Brandenburg: Arm, krank, ermordet

Kiefer aus Falkenrehde, Brandenburg
Falkenrehde. Ein gebrochener Eckzahn hatte schmerzhafte Folgen: Aus seiner Wurzel zerstörte die Entzündung den Kieferknochen. Foto: H. Kennecke/Archäologie Manufaktur GmbH; B. Jungklaus

Eine Körperbestattung in einer späteisen- oder frühkaiserzeitlichen Siedlung (1. Jh. v. / n. Chr.) ist ungewöhnlich. Entsprechend unerwartet trat sie daher im Dorfkern von Falkenrehde im Havelland, Brandenburg, zutage: Eine Frau lag von Nordosten nach Südwesten orientiert auf dem Bauch in einer 1,4 m großen und noch 18 cm tief erhaltenen runden Grube. Ihre Beine waren überkreuzt, der Blick nach Norden gerichtet. Überdauert haben Teile des Schädels mit Kiefer, die Beckenregion mit der unteren Wirbelsäule und die Oberschenkelknochen. Die anthropologische Untersuchung ergab, dass die 27- bis 37-Jährige zu Lebzeiten sehr krank war. Neben einer mittelschweren Arthrose an den Hüftgelenken zeigten sich an der Innenseite des Schädels, besonders am Hinterhauptsbein, sogenannte meningeale Reaktionen, feinporöse bis zungenförmige Neubildungen des Knochens, die auf eine Hirnhautentzündung oder Blutungen zurückgehen. Außerdem litt sie an den Folgen einer länger bestehenden Entzündung der Mundschleimhaut sowie einer Fraktur des oberen linken Eckzahns. Aufgrund des dadurch geöffneten Wurzelkanals hatte ein entzündlicher Prozess eingesetzt und an der Spitze der Zahnwurzel einen Fistelgang gebildet.

Doch dies alles brachte die Frau nicht zu Tode. Sie kam gewaltsam ums Leben. An der linken Seite des vierten Lendenwirbels fanden sich Spuren einer Stichverletzung.

Skelett aus Falkenrehde
Falkenrehde: Erstochen und in eine Grube entsorgt – schwerkranke Frau der späten Eisen- oder frühen Kaiserzeit. Foto: H. Kennecke/Archäologie Manufaktur GmbH; B. Jungklaus

Die schlechte körperliche Verfassung könnte den niedrigen sozialen Stand der Frau bezeugen – vielleicht der Grund für die unübliche Bestattungsart. War die ­Tote eine Abhängige, der man die kostspielige Brandbestattung versagte? Oder machte sie das gewaltsame Ende zu einer »Unseligen«, die man in der Gemeinschaft der »Seligen« nicht duldete? Entsorgte der Gewalttäter den Leichnam still und heimlich? Vielleicht hat man die Leiche aber auch nur zwischendeponiert, vor der geplanten Verbrennung, zu der es nie kam.

| B. Jungklaus, H. Kennecke, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum

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