„Kungas” für die gesellschaftliche Elite und den Krieg – die ältesten Hybriden unter den Pferdeartigen enttarnt

Equiden Bestattung von Umm-El-Marra, Syrien (Foto: Glenn Schwartz, John Hopkins University).

Die Sumerer nutzten offenbar schon vor 4.500 Jahren Pferdeartige, sog. Kungas, bei Ihren Kriegszügen. Erstmals konnte ein französisches Forscherteam mittels Ancient-DNA-Analysen die frühesten durch Menschen gezüchteten Hybridtiere taxonomisch zuordnen, die im 3. vorchristlichen Jahrtausend in Mesopotamien – und somit lange vor dem Auftreten von Hauspferden in der Region – in der Kriegsführung eingesetzt wurden. An der Studie beteiligt war auch Prof. Joris Peters, Direktor der Staatssammlung für Paläoanatomie München und Lehrstuhlinhaber für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin an der LMU München. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler:innen nun in der Fachzeitschrift SCIENCE ADVANCES.

Pferde spielten eine wesentliche Rolle in der Geschichte der organisierten und höher entwickelten Kriegsführung. Zur Familie der Equiden gehören neben Pferden auch verschiedene Wildesel- und Zebraarten. Während südlich des Kaukasus Hauspferde erst vor ca. 4.000 Jahren bei Kriegen eingesetzt wurden (Guimaraes et al., 2020), nutzten die Sumerer bereits mehrere hundert Jahre zuvor Eselartige für das Ziehen von Wagen mit Kriegsgerät. Eine solche Situation belegt die berühmte “Standarte von Ur”, ein ca. 4.650 Jahre altes sumerisches Mosaik aus der südmesopotamischen Stadt Ur im heutigen Irak. Die taxonomische Zuordnung der verwendeten Zugtiere und deren Verwandtschaftsbeziehungen waren Forschern allerdings bis heute ein Rätsel. Auf Keilschrifttafeln dieser Zeit wurden die Tiere als wertvolle und gesellschaftlich hoch angesehene sogenannte Kungas beschrieben. Ein Forscherteam unter der Leitung von Dr. Eva-Maria Geigl des Institut Jacques Monod, Université de Paris, des University Museum of Archaeology and Anthropology, Philadelphia, der Johns Hopkins University hat mit Beteiligung der Staatssammlung für Paläoanatomie München das Rätsel nun gelöst.

Ein Blick in alte Gene hat gezeigt: Bei den bronzezeitlichen „Kungas“ handelt es sich offenbar um die frühesten durch Menschen gezüchtete Hybride zwischen zwei Eselarten, denn sie stellten sich als Nachkommen erster Generation aus der Kreuzung zwischen weiblichen Hauseseln (Equus asinus asinus) und männlichen Syrischen Wildeseln (Equus hemionus hemippus) heraus. Letztere starben Anfang des 20. Jahrhunderts aus.

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Aufschluss gaben die sogenannte altDNA-Analysen – die Untersuchung von DNA aus alten Geweben, die in Paris durchgeführt wurden. Die Wissenschaftler:innen haben für ihre Studie die DNA von Equidenknochen aus der ca. 4.500 Jahre alten Elite-Begräbnisstätte Umm el-Marra im heutigen Nordsyrien untersucht. Ihre Analysen verglichen sie mit den DNA-Signaturen in einem ca. 11.000 Jahre alten Knochen eines Syrischen Wildesels aus dem frühneolithischen Kultplatz Göbekli Tepe (Türkei), dessen Analyse und Bestimmung vom langjährigen Göbekli Tepe-Forscher und Tierknochenexperten Prof. Joris Peters, Direktor der Staatssammlung für Paläoanatomie München (SNSB-SPM) und Lehrstuhlinhaber für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin an der LMU München vorgenommen wurde. Die letzten lebenden Exemplare der syrischen Wildesel lebten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts im Wiener Zoo Schönbrunn. Ihre Knochen werden im Naturkundemuseum von Wien aufbewahrt. Die alten Genome der Knochenfunde von Umm el-Marra sowie deren Beisetzung in Elite-Gräbern lassen darauf schließen, dass diese Hybridequiden den „Kungas“ entsprechen, die auf bronzezeitlichen Keilschrifttafeln mehrmals erwähnt und als vergleichsweise teuer galten, zahlte man doch für ein solches Tier das Sechsfache im Vergleich zu einem Hausesel. Mit der Einführung des Pferdes im 2. Jahrtausend v. Chr. wurde die wohl nicht ganz unkomplizierte Zucht von Eselhybriden bedeutungslos, da nunmehr ein Haustier zur Verfügung stand, das, im Vergleich zum Hausesel, den Kungas hinsichtlich Schnelligkeit wohl kaum nachgestanden ist.

Publikation:
Bennett, E.A., Weber, J., Bendhafer, W., Champlot, S., Peters, J., Schwartz, G., Grange, T., Geigl, E.-M. (2022) The genetic identity of the earliest human-made hybrid animals, the kungas of Syro-Mesopotamia. Science Advances. Vol.8, Issue 2. DOI: 10.1126/sciadv.abm0218

Nach einer Pressemeldung der SNSB.

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