Todesursache eines ertrunkenen jungsteinzeitlichen Fischers bestätigt

James Goff mit den Knochen des Fischers.
James Goff mit den Knochen des Fischers. Foto: University of Southampton.

Eine neue Studie hat Ertrinken in Salzwasser als Todesursache eines Fischers der Jungsteinzeit bestätigt, dessen Überreste in einem Massengrab an der Küste Nordchiles gefunden worden waren. Die wissenschaftliche Methode, die entwickelt wurde, um den 5000 Jahre alten ungelösten Todesfall zu klären, eröffnet neue Möglichkeiten zur Beurteilung der Überreste unserer prähistorischen Vorfahren.

Die moderne Forensik kann bei Todesopfern der Gegenwart Ertrinken als Todesursache nachweisen, indem sie die Knochen auf Kieselalgen untersucht. Kieselalgen sind eine Gruppe von Algen, die in Meeren, Süßwasser und Böden vorkommen. Wenn sie in den Knochen der Opfer gefunden werden, ist es wahrscheinlich, dass sie ertrunken sind. Denn wenn sie vor dem Eintauchen ins Wasser gestorben wären, hätten sie kein Salzwasser geschluckt. Bisher war diese Untersuchungsmethode noch nie erfolgreich angewandt worden, um das Ertrinken in Salzwasser an prähistorischen menschlichen Überresten festzustellen.

Zusätzlich zum Kieselalgentest führte das Forscherteam unter der Leitung der Universität Southampton im Fall des chilenischen Skelettfundes eine umfassende mikroskopische Analyse am Knochenmark eines Mannes durch, der in einem 5000 Jahre alten Massengrab gefunden wurde. Dadurch konnte es nach einer größeren Anzahl mikroskopischer Partikel suchen, die mehr Aufschluss über die Todesursache geben könnten. Die Ergebnisse, die im Journal of Archaeological Science veröffentlicht wurden, zeigten eine Vielzahl von Meerespartikeln, die darauf schließen lassen, dass der Mann in Salzwasser ertrunken ist. Zu diesen Partikeln gehörten versteinerte Algen, Parasiteneier und Sediment, die mit dem Standard-Kieselalgen-Test nicht entdeckt worden wären.

Auf den Spuren eines jungsteinzeitlichen Fischers

Professor James Goff von der University of Southampton, der die Studie leitete, erklärt dazu: „Massenbestattungen waren oft nach Naturkatastrophen wie Tsunamis, Überschwemmungen oder großen Stürmen notwendig. Wir wissen jedoch nur sehr wenig darüber, ob prähistorische Massengräber in Küstennähe das Ergebnis von Naturkatastrophen oder anderen Ursachen wie Krieg, Hungersnot und Krankheiten waren. Das brachte uns auf die Idee, eine verbesserte Version des modernen forensischen Tests zu entwickeln, der auch bei alten Knochen eingesetzt werden kann.“

Skelett des Fischers in Fundlage.
Skelett des Fischers in Fundlage. Foto: Pedro Andrade.

Nachdem sie archäologische Publikationen nach Aufzeichnungen über Massengräber in Küstennähe durchsucht hatten, arbeiteten Prof. Goff und sein Team mit Prof. Pedro Andrade von der Universidad de Concepción in Chile zusammen. Prof. Andrade hatte zuvor eine archäologische Stätte namens Copaca 1, 30 Kilometer südlich von Tocopilla an der chilenischen Küste, untersucht. Auf dem Gelände der Fundstelle befindet sich ein Grab mit drei gut erhaltenen Skeletten.

Bei der nun untersuchten Person handelte es sich um einen männlichen Jäger und Sammler im Alter zwischen 35 und 45 Jahren. Der Zustand seiner Knochen deutet darauf hin, dass er ein Fischer war, da es Anzeichen für häufiges Harpunieren, Rudern und Ernten von Muscheln gibt. Dies machte ihn zum idealen Kandidaten für die Untersuchung auf Anzeichen möglichen Ertrinkens als Todesursache.

„Anhand des Knochenmarks wissen wir, dass er in flachem Salzwasser ertrunken ist“, so Goff weiter. „Wir konnten sehen, dass der arme Mann in seinen letzten Momenten Sediment verschluckt hat, und Sediment schwimmt in tieferen Gewässern nicht in ausreichender Konzentration herum.“

Aufgrund der ersten Ergebnisse geht das Team davon aus, dass der Mann eher durch einen Unfall im Meer als durch ein größeres katastrophales Ereignis ums Leben kam. Dafür spricht unter anderem, dass die Knochen der anderen Personen, mit denen er begraben wurde, keine Meerespartikel enthielten, so dass es unwahrscheinlich ist, dass sie alle durch Ertrinken starben. Weitere Erkenntnisse erhoffen die Forschern vor allem durch die Untersuchung anderer menschlicher Überreste an der Fundstelle und durch das Studium geologischer Aufzeichnungen nach Hinweisen auf Naturkatastrophen in diesem Gebiet.

Eine Methode mit Potenzial

Vor allem aber glauben die Wissenschaftler, dass diese fortentwickelte Technik auch für andere prähistorische Massengräber auf der ganzen Welt eingesetzt werden kann, um ein umfassenderes Bild vom Leben der Menschen in Küstengemeinden im Laufe der Geschichte zu erhalten.

Genevieve Cain und Pedro Andrade mit den Knochen des Fischers.
Genevieve Cain und Pedro Andrade mit den Knochen des Fischers. Foto: University of Southampton.

„Indem wir uns mehr Zeit für die forensische Technik nahmen und die prähistorischen Knochen auf ein breiteres Spektrum von Lebewesen untersuchten, haben wir eine ganz neue Methode entwickelt“, betont James Goff. „Das kann uns helfen, viel genauer zu verstehen, wie hart das Leben an der Küste in prähistorischen Zeiten war – und wie die Menschen dort von katastrophalen Ereignissen betroffen waren, genau wie wir heute.“

„Es gibt viele Massengräber an der Küste auf der ganzen Welt, an denen hervorragende archäologische Studien durchgeführt wurden, aber die grundlegende Frage, was die Ursache für so viele Todesfälle war, wurde nicht beantwortet. Jetzt können wir diese neue Technik auf der ganzen Welt einsetzen und möglicherweise die Vorgeschichte neu schreiben.“

Nach Pressemitteilung der University of Southampton.

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