Neues römisches Wachhaus in Haltern

Eindrücke von der Präsentation des Wachhauses.
Eindrücke von der Präsentation des Wachhauses. Foto: Bianca Kühlborn.

Das Holzgerüst steht und das Dach ist zum Teil gedeckt: Am 28. Januar hat das LWL-Römermuseum in Haltern am See Richtfest eines Wachhauses auf dem Gelände des historischen Lagers gefeiert. Ab Sommer wird das Wachhaus den ersten „Römer-Escape-Room“ Deutschlands beherbergen.

Fünf Jahre nach dem Westtor mit angrenzender Holz-Erde-Mauer entsteht südlich vom Westtor das knapp 120 Quadratmeter große Wachhaus in römischer Fachwerktechnik. Damit werde die „Römerbaustelle Aliso“ um eine Attraktion reicher, so Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL): „Erst 2013 sind Archäolog:innen des LWL auf Spuren des römischen Wachhauses gestoßen, und schon heute können wir sehen, was sich vor 2.000 Jahren über der Erde erhob.“ Das LWL-Römermuseum sei Ausstellungsort und Grabungsstätte in einem. „Das wollen wir sichtbar und für unsere Besucher:innen zum Erlebnis machen. Deshalb ist es unser Ziel, das ehemalige Römerlager Haltern Stück für Stück möglichst originalgetreu wieder auferstehen zu lassen.“

Finanziert wird das neue Gebäude vom NRW-Heimat- und Bauministerium. Anlass ist die Archäologische Landesausstellung NRW „Roms fließende Grenzen“, die in Haltern unter dem Titel „Rom in Westfalen 2.0“ vom 25. März bis zum 30. Oktober zu sehen sein wird. Rüschoff-Parzinger erklärt dazu: „Die Archäologische Landesausstellung ist die Schau zum jüngsten UNE-SCO-Weltkulturerbe. Haltern bildet den Prolog und die historische Voraussetzung für die Aufnahme des Niedergermanischen Limes in die Liste der Weltkulturerbestätten. Natürlich strahlt der Glanz dieser international bedeutenden Anerkennung auch auf die westfälischen Römerfundorte ab.“

Vielzweckbau für die Wachtruppe

So wird das fertige Wachhaus am Westtor auf der Römerbaustelle Aliso voraussichtlich aussehen.
So wird das fertige Wachhaus am Westtor auf der Römerbaustelle Aliso voraussichtlich aussehen. Grafik: LWL/ g+w ingenieurplanung.

Dem Wachhaus, wie es aktuell als Rohbau auf der Römerbaustelle steht, gehen diverse Ausgrabungen und jahrzehntelange intensive Forschungsarbeiten voraus.
In wissenschaftlichen Kolloquien haben LWL-Archäolog:innen die Rekonstruktion des Fachwerkgebäudes mit Bauhistoriker:innen und Architekt:innen vorbereitet. LWL-Chefarchäologie Prof. Dr. Michael Rind erläutert dazu: „Die Entscheidung für eine Pfostenbauweise fiel auf Basis des archäologischen Befundes an Ort und Stelle sowie unter Rückgriff auf vergleichbare Gebäudetypen.“ Wegen der räumlichen und funktionalen Nähe des Gebäudes zum Westtor nehmen die Fachleute an, dass es sich um ein Wachhaus handelte. „Die Funktion des Wachhauses damals war vielfältig“, so Rind weiter. „Möglicherweise prüften römische Legionäre hier Waren und führten Personenkontrollen durch. Das Gebäude bot aber auch Schlafmöglichkeiten für die Mauerwache und diente der Lagerung von Waffen und Munition.“

Das Wachhaus liegt zwölf Meter südlich vom Westtor hinter dem LWL-Römermuseum. Es umfasst eine Fläche von 119 Quadratmetern und ist fünf Meter hoch. 85,70 Quadratmeter entfallen auf das Gebäude, 33 Quadratmeter auf die Portikus. Wie das Westtor entsteht das historische Gebäude am Originalstandort in römischer Bauweise. Es wurden 15 Kubikmeter Eichenholz verbaut und 2,5 Kubikmeter Lärchenholz. Insgesamt kamen circa 170 Kubikmeter Holzdachschindeln zum Einsatz.

Die Bauarbeiten am neuen Wachhaus auf der Römerbaustelle sind in vollem Gange.
Die Bauarbeiten am neuen Wachhaus auf der Römerbaustelle sind in vollem Gange. Foto: LWL/ Mühlenbrock.

Haltern spielte eine Schlüsselrolle in der Frühphase des Eroberungsversuchs der Römer, der ab 12 v. Chr. gestartet wurde. Nach der verlorenen Varusschlacht und Rachefeldzügen, in denen die Römer bis 16 n. Chr. noch einmal versuchten, das Ruder herumzureißen, gaben die Römer das Vorhaben auf, das rechtsrheinische Germanien zu erobern. Der Rhein wurde zur nassen Grenze des Imperium Romanum.

Der erste Römer-Escape-Room Deutschlands

Eindrücke von der Präsentation des Wachhauses.
Eindrücke von der Präsentation des Wachhauses. Foto: Bianca Kühlborn.

Auch das Innere des Gebäudes wird mit möglichst originalgetreuen Ausstattungsgegenständen wie Stockbetten, Schränken, Tischen und Hockern versehen. Die Besucher:innen können hier ab Sommer nicht nur Exponate sehen. Im Escape Room werden sie selbst Teil der Geschichte und erleben und gestalten die letzten Stunden von Aliso.

Wie das geht: Nach der Varusschlacht 9 n.Chr. war Aliso das letzte römische Lager an der Lippe, das sich trotz germanischer Angriffe noch einige Zeit behaupten konnte. Durch eine List befreiten sich die römischen Besatzer aus dem Lager und retteten sich an den Rhein. Die Teilnehmer:innen des Spiels erleben genau diese Belagerungssituation am originalen Schauplatz, dem Wachhaus des Militärstützpunktes Aliso.

Wie einst die römischen Legionäre müssen die Teilnehmer:innen versuchen, sich zu befreien und den Escape Room zu verlassen. In nur 60 Minuten gilt es, verschiedene Rätsel und Aufgaben zu lösen. Eine echte Grenzerfahrung also, die Gruppen auch nach Ende der Sonderausstellung „Rom in Westfalen 2.0“ buchen können.

Noch lange nicht das Ende

Eindrücke von der Präsentation des Wachhauses.
Eindrücke von der Präsentation des Wachhauses. Foto: Bianca Kühlborn.

Nach Fertigstellung des Gebäudes wird im Wachhaus mit Nachbauten römischer Möbel und Ausrüstungsgegenstände der erste Römer-Escape-Room Deutschlands entstehen. Museumsleiter Dr. Josef Mühlenbrock: „Ab Sommer können unsere Besucher:innen im Wachhaus die letzten Stunden von Aliso nacherleben. Nicht nur mit dem Gebäude, auch dank neuer herausragender Exponate entsteht ein ‚Update‘ des Museumsstandortes. Wir freuen uns darauf, prächtige Funde wie den Legionärsdolch samt Gürtel und zwei Römerhelme erstmals ausstellen zu können.“

Auch der Bürgermeister von Haltern am See, Andreas Stegemann, freut sich über den Ausbau der Römerbaustelle Aliso: „Es begeistert mich, wie es dem LWL-Römermuseum immer wieder gelingt, die Vergangenheit so mit der Gegenwart zu verknüpfen, dass diese lebendig wird. Mit dem Escape Room gewinnt unsere Stadt ein weiteres, attraktives Alleinstellungsmerkmal, das sicherlich viele Menschen von nah und fern in das Museum lockt.“

Und die Römerbaustelle Aliso soll noch lange eine Baustelle bleiben. Rind: „Immer neue Methoden wie das ‚Airborne Laserscanning‘ oder Magnetometermessungen liefern uns völlig neue Einblicke. Man weiß also nicht, was da noch auf uns zukommt.“ Aber eines sei sicher: „Trotz fortschreitender Zerstörung werden die archäologischen Quellen zur römischen Besatzungszeit noch lange nicht versiegen.“ Auch weitere Rekonstruktionen auf dem Gelände hinter dem LWL-Römermuseum sind in Planung. Erst einmal aber müssen neue Flächen des ehemaligen Militärlagers Aliso erschlossen werden. Hierzu ist der LWL derzeit mit weiteren Grundstückseigentümer:innen im Gespräch.

Nach Pressemitteilung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe

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