Auf den Spuren der Bauern von Montpellier

In Montpellier ermöglicht eine Ausgrabung des Inrap, des staatlichen Instituts für Präventivgrabungen in Frankreich, die Untersuchung der Entwicklung der landwirtschaftlichen Praktiken und der Art der Landnutzung während der letzten fünf Jahrtausende: Es fanden sich Felder, Wege, Weinberge, Obstgärten, Viehbestand, aber auch die Keller einiger Häuser und die Gräber einiger dieser Landwirte.

Das Inrap führt auf Anordnung der DRAC (Regionaldirektion für kulturelle Angelegenheiten) der Region Okzitanien eine Ausgrabung auf 4500m²
östlich des historischen Zentrums von Montpellier durch. In dem untersuchten Areal soll anschließend das Collège Port-Marianne entstehen. Diese Arbeiten ermöglichen die Untersuchung der Landnutzungsmethoden und der Weidepraktiken, die in diesem Gebiet im Laufe der letzten fünf Jahrtausende angewandt wurden.

Luftbild der Grabungsstätte von Nordosten. Im Erdreich zeichnen sich die mittelalterlichen Gräben als dunkle Verfärbungen ab.
Luftbild der Grabungsstätte von Nordosten. Im Erdreich zeichnen sich die mittelalterlichen Gräben als dunkle Verfärbungen ab. Foto: © Inrap.

Starke menschliche Nutzung seit der Jungsteinzeit

Zwei Vorratsgruben, die links aus der Jungsteinzeit, die rechte aus dem Mittelalter – Beleg für die Langlebigkeit landwirtschaftlicher Praktiken.
Zwei Vorratsgruben, die links aus der Jungsteinzeit, die rechte aus dem Mittelalter – Beleg für die Langlebigkeit landwirtschaftlicher Praktiken. Foto: © Charlotte Gleize, Inrap.

Auf dem Gelände legten bereits die ersten Bauern der späten Vorgeschichte Gruben an, um Material für ihre Behausungen zu gewinnen, ihre Ernte in Silos zu lagern und ihre Lebensmittel in kleinen Kellern kühl zu halten. Daneben vergruben sie auch ihre Abfälle in der Erde. Die Archäologen entdeckten zerbrochene Werkzeuge und Geschirr sowie Tier- und Pflanzenknochen, die auch Informationen über die damals verzehrten Lebensmittel bieten. In eine dieser Gruben wurde der Körper eines Verstorbenen gelegt, sodass sie als Grabstätte fungierte. Diese Besiedlung scheint in die Jahre 3700 bis 3500 v. Chr. zu datieren.

Die Archäologen des Inrap entdeckten außerdem einen Weinkeller, Gräben, die an landwirtschaftliche Flächen grenzten, und einen mehrere Silos zur Getreidelagerung, die die Besiedlung des Areals während der Spätantike (450–600 n. Chr.) belegen. Die Grenzen der Felder waren markiert, die Felder selbst wurden durch Gräben und regelmäßig gepflegte Senkgruben entwässert. Angebaut wurde anscheinend Weizen und Wein. Die Tierknochen offenbaren einen Viehbestand, der hauptsächlich aus Schafen und/oder Ziegen bestand. Von einem Haus dieser Phase fand sich noch ein Keller mit einer Fläche von etwa 12 m².

Die Keramikfunde umfassen hauptsächlich Geschirr, das zum Kochen von Speisen diente. Auf dem Esstisch der spätantiken Bewohner mischten sich lokale und importierte Produkte; einige der schön gestalteten Teller stammten aus Nordafrika. Auch einige Lebensmittel wurden aus Tunesien importiert. Dazu gehört den Ausgrabungsergebnissen nach auch Wein, der in Amphoren transportiert wurde, die von einem bis ins 7. Jahrhunderte reichenden dauerhaften Mittelmeerhandel zeugen.

Die Entstehung Montpelliers im Mittelalter

Mittelalterliche Bestattung: Das Skelett eines Kindes liegt zwischen den Beinen eines bestatteten Erwachsenen.
Mittelalterliche Bestattung: Das Skelett eines Kindes liegt zwischen den Beinen eines bestatteten Erwachsenen. Foto: © Charlotte Gleize, Inrap.

Sehr viele freigelegte Überreste zeugen außerdem von der Besiedlung des Gebiets zwischen 1000 und 1250: In diese Zeit fällt die Entstehung von Montpellier, das damals nur wenige Kilometer entfernt lag. Gräben und Hohlwege durchziehen dieses stadtnah gelegene Areal in einem dichten orthogonalen Raster. Einige der Gräben begrenzen schmale Korridore, die vielleicht zum Sortieren, Zählen oder Scheren des Viehbestands dienten, der in dieser Zeit häufig aus Schafen bestand. Silos, die auch in dieser Zeit häufig in den Boden eingegraben wurden, zeugen von einer Landwirtschaft, die auch auf Getreideanbau ausgerichtet war, während andere Parzellen offenbar mit Wein bepflanzt waren. Der Standort des mittelalterlichen Bauernhofs selbst, zu dem diese Anlagen gehörten, wurde nicht erfasst; wahrscheinlich befand er sich in der Nähe.

Auch einige mittelalterliche Gräber wurden von den Archäologen angetroffen. Sie zeugen von einer „Privatbeerdigung“, einer Tradition, die zu dieser Zeit allmählich verschwand. Nach dem Jahr 1000 wurde auch in Montpellier der Tod zu einer Angelegenheit der Kirche und des Klerus: Für das Seelenheil war es von nun an notwendig, in der geweihten Erde des kirchlichen Friedhofs beigesetzt zu werden.

Nach Pressemitteilung des Inrap

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