Online ins Kapergeschehen

Das Kapern gegnerischer Schiffe galt einst als legitimes Mittel der Kriegsführung – eigene Gerichtsbarkeit inklusive. Mit tiefen Einblicken in gut 1.500 historische Kaperprozesse startet heute das Open-Access-Portal des Akademienprojekts „Prize Papers“.

Jahrhundertealte Dokumente von Kaperungen sind ab sofort frei zugänglich: Das Projekt „Prize Papers“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen stellt der internationalen Forschung online Gerichtsunterlagen aus gut 1.500 Kaperprozessen zur Verfügung. Die Kaperungen gegnerischer Schiffe, sogenannte Prisen, waren einst legitimes Mittel der Kriegsführung. Seit 2018 katalogisiert und digitalisiert das Forschungsprojekt sämtliche Prisenpapiere („Prize Papers“), die aus Gerichtsprozessen zu Kaperungen der englischen beziehungsweise britischen Marine zwischen 1652 bis 1817 erhalten sind. Finanziert wird das an der Universität Oldenburg sowie dem Nationalarchiv in London (The National Archives, UK) angesiedelte Vorhaben über das Akademienprogramm aus Mitteln des Bundes und des Landes Niedersachsen. Das Projekt arbeitet eng mit dem Deutschen Historischen Institut London (DHI) und den IT-Experten der Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (VZG) zusammen.

Printed Prize Appeals (TNA, HCA 45): Die nun im Open-Access-Portal abrufbaren Digitalisate umfassen 55 sogenannte Case Books, gedruckte Bände mit sämtlichen Einsprüchen und Beweismitteln aus Berufungsverfahren zu Kaperprozessen zwischen 1793 und 1815
Printed Prize Appeals (TNA, HCA 45): Die nun im Open-Access-Portal abrufbaren Digitalisate umfassen 55 sogenannte Case Books, gedruckte Bände mit sämtlichen Einsprüchen und Beweismitteln aus Berufungsverfahren zu Kaperprozessen zwischen 1793 und 1815 Foto: Maria Cardamone, Prize Papers Project (reproduced by permission of The National Archives, UK).
Cover des AiD-Sonderhefts "Die Wikinger"

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Die Wikinger

Das Bild der Wikinger ist in der öffentlichen Wahrnehmung geprägt von einer Fokussierung auf die namensgebenden Raubzüge. »Die« Wikinger werden als wilde, barbarische Krieger dargestellt, die auf ihren Langschiffen in ­Scharen in die christlich-europäische Welt einfielen. Ihre Raubzüge werden einer ­unabwendbaren Naturkatastrophe gleichgestellt oder – wie es teilweise in den Überlieferungen christlicher Mönche formuliert wird – als Strafgericht ­Gottes für die Sünden der Christenheit.
Dass dieses, auch heute nach über 1000 Jahren noch so zentrale Bild dieser ­vielschichtigen und faszinierenden Kultur in erster Linie aus den alles andere als objektiven Aufzeichnungen christlicher Mönche resultiert, bleibt bei diesen Darstellungen oft unerwähnt. Es ist daher wichtig, diesen so zentralen Aspekt der Wikingerzeit aus archäologischer Sichtweise aus zu betrachten.

Insgesamt umfasst der Prisenpapier-Bestand in The National Archives, UK, in London Dokumente aus 14 Seekriegen, an denen die Krone beteiligt war und die zu mehr als 35.000 Kaperungen führten. Das englischsprachige Open-Access Portal soll bis 2037 auf die gesamten Archivbestände der „Prize Papers“ erweitert werden und am Ende der Laufzeit schätzungsweise 3,5 Millionen Digitalisate in 19 unterschiedlichen Sprachen bereitstellen. „Neben den Prozessakten verspricht vor allem das erhaltene Beweisgut, zu dem neben konfisziertem Schriftgut auch zahlreiche Gegenstände gehören, einmalige Erkenntnisse für die internationale Forschung“, sagt die Leiterin des Projekts, die Oldenburger Historikerin Prof. Dr. Dagmar Freist.

Die nun abrufbaren Digitalisate in dem Forschungsportal umfassen 55 sogenannte Case Books, gedruckte Bände mit sämtlichen Einsprüchen und Beweismitteln aus Berufungsverfahren zu mehr als 1.500 Kaperprozessen, die zwischen 1793 und 1815 geführt wurden. Verhandlungsorte waren der Londoner Admiralitätsgerichtshof sowie die Vize-Admiralitäten in den damaligen britischen Kolonien, von der Karibik bis in den Nordwest-Atlantik.

Zwei Drittel der in dieser Zeitspanne gekaperten Schiffe stammen aus den Vereinigten Staaten. Die mehr als 57.000 fotografierten Seiten beziehen sich auf Verfahren, die während der Koalitionskriege und der Napoleonischen Kriege geführt wurden. „Die Case Books erlauben einen sehr guten Einstieg in die Epoche und das weltweite Kaperwesen“, so Dr. Amanda Bevan, Leiterin des Londoner Projektteams.

Besonders wichtig ist dem Prize Papers-Team eine transparente Struktur des Forschungsportals. „Jede Datenbank arbeitet mit einer Architektur, die bestimmte Zugänge und Fragen ermöglicht – wir wollen die Erkenntnismöglichkeiten jedoch möglichst wenig einschränken“, so Projektleiterin Freist. „Daher wird das Portal zum einen Recherchen innerhalb der überlieferten Rechtsstruktur des Kaperwesens erlauben, zum anderen ermöglichen wir einen direkten Zugang zu den einzelnen Dokumenten und ihren globalen Entstehungskontexten. Wir wissen beispielsweise aus Ladelisten, dass viele der Schiffe versklavte Menschen transportiert haben. Diese kolonialen Zusammenhänge sollen ebenso erforschbar sein“, so Freist.

Noch im Laufe dieses Jahres werden ausgewählte Archivbestände aus der Zeit des Österreichischen Erbfolgekriegs (1740–1748) in das Online-Portal eingestellt, darunter auch Beispiele beschlagnahmter Briefe, von denen circa 160.000 erhalten sind, aber auch Logbücher, Schiffspapiere und Rechnungen, Gedichte, Zeichnungen, Stoffe oder Spielkarten. Viele dieser Dokumente und Artefakte haben sich über Jahrhunderte in fast unberührtem Zustand als Zeitkapseln erhalten. Bilder, Videos und eine Dokumentation zum Umgang des internationalen Projektteams mit diesem besonderen Material finden sich ebenfalls auf der Projekt-Website.

Zeichnung des Schiffes "Geetruide" mit englischer Flagge aus dem Jahr 1796 - links Vorzeichnung, rechts die farbenfrohe Ausführung im Detail auf einem Bogen Papier.
Zeichnung des Schiffes „Geetruide“ mit englischer Flagge aus dem Jahr 1796 – links Vorzeichnung, rechts die farbenfrohe Ausführung im Detail auf einem Bogen Papier (TNA, HCA 32/872; Foto: Maria Cardamone, Prize Papers Project (reproduced by permission of The National Archives, UK).

Das Akademienvorhaben „Prize Papers“ ist Teil des von Bund und Ländern geförderten Akademienprogramms, das der Erhaltung, Sicherung und Vergegenwärtigung des kulturellen Erbes dient. Es ist derzeit das größte Langzeit-Forschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland für geistes- und sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung und wird von der Akademienunion koordiniert.

Nach einer Pressemeldung der Universität Oldenburg.

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