Schon in der Bronzezeit gingen die Briten eigene Wege in Punkto Maßeinheiten

Beispiele für die von Hermann analysierten Objekttypen.
Beispiele für die von Hermann analysierten Objekttypen. Foto: The Trustees of the British Museum, CC BY-NC-SA 4.0.

Eine neue Studie zeigt, dass die Menschen im bronzezeitlichen Britannien nicht die auf dem europäischen Festland üblichen Maßeinheiten und Gewichte benutzten, um ihr Gold zu messen und zu zählen. Es scheint sogar, dass sie gar keine Technik benutzten, um Goldobjekte zu standardisieren, was dafür spricht, dass diese auf der Insel nicht als Währung verwendet wurden.

Bereits länger war in der Forschung bekannt, dass die vorgeschichtlichen Bewohner Europas genormte Gewichtseinheiten benutzten, um die Masse vieler Gegenstände zu bestimmen – ganz, wie es auch in modernen Geschäften üblich ist. Bisher ging man davon aus, dass sich diese Praxis auch auf die Nutzung von Gold im bronzezeitlichen Britannien erstreckte. Doch neue Analysen von Dr. Raphael Hermann von der Georg-August-Universität Göttingen zeigen, dass dies nicht der Fall war.

„Wir wissen, dass das Wiegen als Methode zur Quantifizierung von Dingen im bronzezeitlichen Britannien durchaus existierte, wie die in Potterne und Cliff End Farm in England gefundenen Gewichte und Waagenbalken belegen“, erklärt Hermann. „Aber wurden Goldgegenstände insgesamt auf ihr Gewicht hin reguliert?“ Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, nutzte Hermann die Cosinus-Quantogramm-Analyse (CQA), um das Gewicht von über 800 Goldobjekten aus der Bronzezeit auf mögliche zugrundeliegende Maßeinheiten zu untersuchten. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Antiquity“ veröffentlicht.

„Die CQA betrachtet eine Gruppe von Werten (zum Beispiel die Gewichtswerte einer Gruppe von Goldobjekten) und findet gemeinsame Vielfache (so genannte Quanta), die sie alle gemeinsam haben“, berichtet Hermann. Je mehr Gegenstände ein Quantum gemeinsam haben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass für sie tatsächlich eine gemeinsame Maßeinheit genutzt wurde.

Cosinus-Quantogramm-Analyse moderner Supermarktprodukte, die eine statistisch relevante regelmäßige Verteilung hinsichtlich ihrer Massen zeigen.
Cosinus-Quantogramm-Analyse moderner Supermarktprodukte, die eine statistisch relevante regelmäßige Verteilung hinsichtlich ihrer Massen zeigen. Grafik: Raphael Hermann.

Letztendlich ergab die Analyse jedoch keine Anzeichen einer Massenregulierung in den Hunderten von untersuchten Goldobjekten. Diese Unstimmigkeit mit früheren Arbeiten ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Hermann eine umfangreichere Stichprobe verwendete. Diese umfasste Goldtorques, Ringe und weitere Gegenstände, von denen viele von Privatleuten gefunden und dem „Portable Antiquities Scheme“ des British Musum gemeldet wurden.

„Trotz der unzweifelhaften Anziehungskraft von Gold und der Existenz von Wiege- und Messverfahren im der späteren Bronzezeit wurden Gegenstände aus dem wertvollsten aller Metalle offenbar nicht nicht generell nach Gewicht geregelt“, schlussfolgert Raphael Hermann. Diese Entdeckung zeigt nicht nur mögliche Unterschiede auf beiden Seiten des Ärmelkanals auf, sondern hat auch wichtige auf die Erforschung der bronzezeitlichen Wirtschaft Britanniens. Vor allem deutet sie darauf hin, dass Gold nicht als Geld verwendet wurde.

Um als Währung zu dienen, muss durch eine Regulierung der Masse durch Maßeinheiten sichergestellt werden, dass sie ein garantiertes Gewicht und damit einen verlässlichen Wert haben. Für Kontinentaleuropahaben neuere Forschungen ergeben, dass das Gewicht von Metallfragmenten reguliert war, was darauf hindeutet, dass sie dort Geldfunktionen erfüllten. In Britannien war dies dagegen anscheinend nicht der Fall.

Statistik der Gewichtsverteilung von 810 bronzezeitlichen Goldobjekten aus Britannien.
Statistik der Gewichtsverteilung von 810 bronzezeitlichen Goldobjekten aus Britannien. Es sind keine regelmäßigen Ausschläge erkennbar, die auf eine Normung des Gewichts durch Maßeinheiten hindeuten könnten. Grafik: Raphael Hermann.

„Gold hatte zwar trotzdem noch einen inneren Wert und konnte wahrscheinlich unter vielen Umständen für den Handel verwendet werden, war aber höchstwahrscheinlich keine allgemein anerkannte Form von Währung“, so Raphael Hermann.

Nach Pressemitteilung von „Antiquity“. Die Studie von Raphael Hermann trägt den Titel „Weight regulation in British Bronze Age gold objects: a reanalysis and reinterpretation“ und erschien in der Zeitschrift „Antiquity“. DOI: https://doi.org/10.15184/aqy.2021.54

Cover AiD 4/2018

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