Neue Erkenntnisse zur Funktionsweise von Stonehenge

Ansicht des Steinkreises von Stonehenge.
Ansicht des Steinkreises von Stonehenge. Foto: Stefan Kühn, CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons.

Schon lange war man davon ausgegangen, dass die berühmte Anlage von Stonehenge aufgrund ihrer Ausrichtung auf die Sonnenwenden als antiker Kalender diente. Jetzt hat die Forschung herausgefunden, wie er funktioniert haben könnte.

Neufunde zur Geschichte des Steinkreises sowie die Analyse anderer antiker Kalendersysteme veranlassten Timothy Darvill, Stonehenge neu zu betrachten. Seine Analyse, die in der Zeitschrift „Antiquity“ veröffentlicht wurde, ergab, dass die Anlage wohl tatsächlich als Sonnenkalender konzipiert war.

„Die eindeutige Ausrichtung von Stonehenge nach dem Sonnenstand hat seit dem Antiquar William Stukeley die Vermutung aufkommen lassen, dass die Stätte eine Art Kalender enthielt“, so Professor Darvill von der Universität Bournemouth. „Jetzt haben die Entdeckungen das Thema schärfer in den Fokus gerückt und zeigen, dass die Stätte wirklich ein Kalender war, der auf einem tropischen Sonnenjahr von 365,25 Tagen basierte.“

Jüngste Forschungen haben gezeigt, dass die Sarsen (Steinblöcke) von Stonehenge alle in der gleichen Bauphase um 2500 v. Chr. hinzugefügt wurden. Sie stammten aus demselben Gebiet und blieben anschließend in derselben Anordnung. Dies deutet darauf hin, dass sie als eine einzige Einheit funktionierten.

Stonehenge als praktisch nutzbarer Kalender

Darvills Plan der Anlage von Stonehenge als Kalender.
Darvills Plan der Anlage von Stonehenge als Kalender.

Darvill analysierte die Steine, untersuchte ihre Numerologie und verglich sie mit anderen bekannten Kalendern aus dieser Zeit. Er erkannte in ihrer Anordnung einen Sonnenkalender, was darauf hindeutet, dass sie als physische Darstellung des Jahres dienten, die den alten Bewohnern von Wiltshire half, den Überblick über die Tage, Wochen und Monate zu behalten.

„Der vorgeschlagene Kalender funktioniert auf eine sehr einfache Weise. Jeder der 30 Steine im Sarsen-Kreis steht für einen Tag innerhalb eines Monats, der seinerseits in drei Wochen zu je 10 Tagen unterteilt ist“, erklärt Professor Darvill und merkt an, dass markante Steine im Kreis den Beginn jeder Woche markieren. Darüber hinaus waren ein Schaltmonat von fünf Tagen und ein Schalttag alle vier Jahre erforderlich, um die Übereinstimmung mit dem Sonnenjahr herzustellen. „Der Schaltmonat, der wahrscheinlich den Gottheiten der Stätte gewidmet ist, wird durch die fünf Trilithen im Zentrum der Stätte repräsentiert“, so Darvill, „die vier Stationssteine außerhalb des Sarsen-Kreises markieren die Zeit bis zum Schalttag“.

So würden die Winter- und Sommersonnenwende jedes Jahr von denselben Steinpaaren eingerahmt. Einer der Trilithen umrahmt auch die Wintersonnenwende, was darauf hindeutet, dass diese den Beginn eines neuen Jahres markiert haben könnte. Diese Ausrichtung der Sonnenwenden hilft auch bei der Kalibrierung des Kalenders – jeder Fehler bei der Zählung der Tage wäre schnell zu erkennen, da die Sonne zu den Sonnenwenden an der falschen Stelle stehen würde.

Hinweis auf kulturelle Kontakte

Ein Kalender mit 10-Tage-Wochen und zusätzlichen Monaten mag heute ungewöhnlich erscheinen. Allerdings wurden solche Kalender in dieser Zeit von vielen Kulturen übernommen, wie Timothy Darvill erläutert: „Ein solcher Sonnenkalender wurde in den Jahrhunderten nach 3000 v. Chr. im östlichen Mittelmeerraum entwickelt, um 2700 v. Chr. in Ägypten als Zivilkalender übernommen und war zu Beginn des Alten Reiches um 2600 v. Chr. weit verbreitet.“ Damit besteht die Möglichkeit, dass der in Stonehenge verwendete Kalender auf den Einfluss einer dieser anderen Kulturen zurückgeht. Funde in der Nähe deuten tatsächlich auf weitreichende kulturelle Verbindungen hin – der Bogenschütze von Amesbury, der etwa zur gleichen Zeit in der Nähe begraben wurde, wurde in den Alpen geboren und zog als Jugendlicher nach Großbritannien.

Professor Darvill hofft, dass künftige Forschungen Licht in diese Vermutungen bringen werden. Antike DNA und archäologische Artefakte könnten Verbindungen zwischen diesen Kulturen aufzeigen. Bereits die Entdeckung eines konkreten Sonnenkalenders in Stonehenge sollte jedoch unsere Sichtweise auf den Fundplatz verändern: „Die Entdeckung eines Sonnenkalenders in der Architektur von Stonehenge eröffnet eine völlig neue Sichtweise auf das Monument als einen Ort für die Lebenden. Ein Ort, an dem die Zeitplanung von Zeremonien und Festen mit dem Gefüge des Universums und den Himmelsbewegungen verbunden war.“

Nach Pressemitteilung der Universität Bournemouth

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