Archäologie und Bibelauslegung: Arbeitstagung ab 7. April in Osnabrück

Osnabrücker Theologen kooperieren mit israelischen Archäologen

Grabung der Archäologen aus Osnabrück an der Schnellstraße nahe Jerusalem
Die Grabung an der Schnellstraße nahe Jerusalem brachte überraschende Funde hervor. Foto: Tel Moza Expedition Project

Wie aktuelle archäologische Grabungen in Israel, unter anderem bei die Auslegung des Alten und Neuen Testaments beeinflussen, ist Fragestellung einer Forschungskooperation zwischen dem Institut für Evangelische Theologie der Universität Osnabrück und dem Sonia and Marco Nadler Institute of Archaeology der Tel Aviv University. Auf einer Arbeitstagung unter dem Titel „From Text to Archaeology and Back. Revisiting Places in Ancient Israel“ sollen vom 7. bis 10. April an der Universität Osnabrück Ergebnisse präsentiert und diskutiert werden. Interessierte Journalistinnen und Journalisten sind herzlich eingeladen, sich während der Tagung über vielfältige internationale Grabungsinitaitiven zu informieren. Einzelne Gespräche können auf Anfrage von Prof. Dr. Anselm C. Hagedorn (anselm.hagedorn@uos.de) arrangiert werden.

Seit 2019 graben israelische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Dr. Oded Lipschits und Shua Kisilevitz (Tel Aviv University/IAA) unter anderem in Tel Moẓa, nahe Jerusalem, da eine vorausgegangene Rettungsgrabung für die Errichtung der Schnellstraße überraschende Funde hervorgebracht hat. Mit dabei sind auch Osnabrücker Studierende, die im Rahmen der Kooperation jeweils für 3 Wochen nach Israel reisen und die Forscher begleiten und unterstützen. Die nächste Grabungsksampagne ist für September 2022 vorgesehen.

„Für die Theologie hat Tel Moẓa, sofern man lediglich den biblischen Befund betrachtet, keine Bedeutung“, erklärt der Theologe Prof. Dr. Anselm C. Hagedorn aus Osnabrück. Das Gebiet werde in der Bibel lediglich in der Auflistung von Städten des Stammes Benjamin erwähnt. Die Funde, die während der Grabungen gemacht wurden, sind allerdings hochinteressant für die alttestamentliche Forschung. So konnte ein eisenzeitlicher Gebäudekomplex, also ungefähr aus dem 12. bis 6. Jahrhundert v.Chr., als Tempelanlage identifiziert werden. Ein solcher Tempel, der nicht nur in unmittelbarer Nähe zum antiken Jerusalem errichtet worden ist, sondern in seiner Architektur auch noch der Beschreibung des Salomonischen Tempels ähnelt, wirft zahlreiche Fragen auf. „Für die Theologie und Religionsgeschichte des antiken Juda ist diese Anlage nicht unbedingt eine Überraschung“, so  Dr. des. Florian Oepping, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Altes Testament und Antikes Judentum. In der Forschung wird mit Tempeln außerhalb Jerusalems gerechnet und die Texte nennen diese auch (z.B. Bethel und Samaria). „Allerdings wäre niemand auf die Idee gekommen, an dieser Stelle nach einem Tempel zu suchen, da der Ort im Alten Testament nur eine marginale Rolle spielt“, fügt Prof. Hagedorn hinzu.

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Tel Moẓa hat in der vergangenen Kampagne darüber hinaus weitere sensationelle Funde hervorgebracht. Es wurde deutlich, dass der Tempel in einem Wirtschafts- und Administrationsbereich liegt. Dieser archäologische Kontext kann auch für die alttestamentliche Forschung fruchtbar gemacht werden. Neben Tel Moẓa wurde in den letzten Jahren an weiteren, biblisch „marginalen“ Orten gegraben, die ebenfalls für die Bibel erhellende Einsichten versprechen.

Alle für die Tagung ausgewählten Grabungen – mit Ausnahme von Jerusalem – spielen in den Texten der Bibel keine herausragende Rolle, die bisherigen Ausgrabungen veranschaulichen aber die Bedeutung der jeweiligen Ortschaften in einer gewissen Zeitperiode oder sogar über die verschiedenen Epochen hinweg. Von diesem Befund sollen erneut die Texte in den Blick genommen werden, nun allerdings mit einer veränderten Perspektive und neuen Fragestellungen: Wie sah das Wirtschaftssystem des antiken Israels oder Judas aus? Welche Verbindungen lassen sich zwischen Wirtschaft und Religion ziehen? Warum kommen Wirtschaftszentren in den Texten nicht häufiger vor? Was sagen Ortslisten über die politische Struktur aus? Auf diese Weise soll ein Dialog zwischen Archäologie und sogenannter Exegese, also der Auslegung biblischer Texte, entstehen, der sich ohne die sensationellen Funde der Archäologie nicht angeboten hätte. Dabei gehe es nicht darum, Orte als biblische Ortschaften zu identifizieren oder eine historische Topographie vorzunehmen, betont. Prof. Hagedorn „Vielmehr wollen wir sehen, wie Archäologie und Textwissenschaften sich in ihren Erkenntnissen jeweils ergänzen können.“

Die Auswahl der insgesamt sechzehn Referentinnen und Referenten ergab sich aus der Wahl der Grabungsorte. So sind die Vortragenden zu den archäologischen Grabungen ausgewiesene Kennerinnen und Kenner der Orte, haben dort selbst ausgegraben und leiten die Grabungskampagnen. Als Gesprächspartnerinnen und -partner wurden auf biblischer Seite Forscherinnen und Forscher ausgewählt, die literaturgeschichtlich am Alten bzw. am Neuen Testament arbeiten. Darüber hinaus sind alle von ihnen ebenfalls mit der Archäologie vertraut und können archäologische Funde und Ergebnisse mit den biblischen Texten ins Gespräch bringen. Durch diese Auswahl kommt nicht nur eine interdisziplinäre, sondern zugleich eine internationale Gesprächsrunde zusammen.

Nach einer Pressemitteilung der Universität Osnabrück

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