Wofür wurden die Dolche der Bronzezeit verwendet?

Dolche aus Kupferlegierungen, die erstmals im frühen 4. Jahrtausend v. Chr. auftauchten, waren im bronzezeitlichen Europa, einschließlich Großbritannien und Irland, weit verbreitet. Die Archäologen haben jedoch lange darüber diskutiert, wozu diese Gegenstände verwendet wurden.

Da Dolche häufig in waffenreichen Männergräbern oder „Kriegergräbern“ gefunden wurden, spekulierten viele Forscher, dass es sich in erster Linie um zeremonielle Gegenstände handelte, die bei prähistorischen Bestattungen zur Kennzeichnung der Identität und des Status des Verstorbenen verwendet wurden. Andere schlugen vor, dass sie als Waffen oder Werkzeuge für das Handwerk verwendet worden sein könnten. 

Da es jedoch keine gezielte Analysemethode für kupferlegierte Metalle gab, wie sie für Keramik-, Stein- und Muschelartefakte zur Verfügung steht, blieb dieses Problem ungelöst.

Einer der Versuchsdolche (Foto: Isabella Caricola).

Ein revolutionäres neues Verfahren, das von einem internationalen Forscherteam unter der Leitung der Universität Newcastle (Großbritannien) entwickelt wurde, ermöglichte die weltweit erste Extraktion von organischen Rückständen aus zehn Dolchen aus Kupferlegierungen, die 2017 in Pragatto, einer bronzezeitlichen Siedlungsstätte in Italien, ausgegraben wurden. Die neue Methode gibt erstmals Aufschluss darüber, wie diese Gegenstände verwendet wurden, für welche Aufgaben und auf welchen Materialien.

Das Projektteam unter der Leitung von Professor Andrea Dolfini und Isabella Caricola entwickelte eine Technik, bei der eine Picro-Sirius-Rot-Lösung (PSR) verwendet wurde, um organische Rückstände auf den Dolchen einzufärben. Die Rückstände wurden dann unter verschiedenen Arten von optischen, digitalen und Rasterelektronenmikroskopen betrachtet. Auf diese Weise konnte das Team Mikroreste von Kollagen und damit verbundenen Knochen-, Muskel- und Sehnenbündelfasern identifizieren, was darauf hindeutet, dass die Dolche mit verschiedenen tierischen Geweben in Berührung gekommen waren und zum Zerlegen verschiedener Arten von Tieren verwendet wurden. Zu den Verwendungszwecken gehörten offenbar das Schlachten von Vieh, das Zerlegen der Tiere und das Herausschneiden des Fleisches aus den Knochen.

Das von der EU finanzierte Projektteam führte anschließend umfangreiche Experimente mit Nachbildungen der Dolche durch, die von einem erfahrenen Bronzeschmied hergestellt worden waren. Dabei zeigte sich, dass sich diese Art von Dolch gut für die Bearbeitung von Tierkörpern eignet. Die aus den Versuchsdolchen extrahierten Rückstände wurden im Rahmen der Forschung ebenfalls analysiert und stimmten mit den auf den archäologischen Dolchen beobachteten überein. Professor Andrea Dolfini, Lehrstuhl für Archäologie an der Universität Newcastle, sagte: „Die Forschung hat gezeigt, dass es möglich ist, organische Rückstände aus alten Metallen zu extrahieren und zu charakterisieren, wodurch die Palette der Materialien, die auf diese Weise analysiert werden können, erweitert wird. Dies ist ein bedeutender Durchbruch, denn die neue Methode ermöglicht die Analyse einer Vielzahl von Werkzeugen und Waffen aus Kupferlegierungen, die überall auf der Welt gefunden wurden. Die Möglichkeiten sind endlos, und das gilt auch für die Antworten, die die neue Methode in Zukunft liefern kann und wird.“

Originalpublikation: ‚Organic residue analysis reveals the function of bronze age metal daggers‘ Isabella Caricola, Andrea Dolfini et al. Scientific Reports. DOI: 10.1038/s41598-022-09983-3

Nach einer Pressemeldung der University of Newcastle.

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Cover AiD 4/2018

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