Erster Nachweis für Produktion von Käse

Bereits im 5. Jahrtausend v. Chr. wurden im Nordkaukasus Käse und Quark verzehrt, wie ein Kooperationsprojekt der Eurasien-Abteilung jetzt nachweisen kann.

Viehherden im Nordkaukasus
Viehherden im Nordkaukasus (c) A. Sorotokina // DAI Eurasien-Abteilung

Milch und Käse in der Vorgeschichte

Milch ist eine außerordentlich nährstoffreiche Nahrungsquelle, reich an Proteinen, Fett, Zucker (Laktose), Vitaminen und Mineralien wie Kalzium. Obwohl Milch selbst leicht verderblich ist, kann sie durch mikrobielle Fermentation und andere Formen der Manipulation in stabilere Produkte wie Joghurt, Quark, Käse und Butter umgewandelt werden. Solche Produkte können teilweise auch länger gelagert werden. Da die meisten Menschen laktoseintolerant sind, also keine frische Milch vertragen, ist die Umwandlung zu Joghurt oder Käse in vielen Fällen eine Grundvoraussetzung für den unbeschwerten Verzehr.

Es gibt eine lange Diskussion in der Archäologie, wann die Milchwirtschaft begann, bereits im Neolithikum des 6. Jahrtausends v. Chr. oder erst im 4. Jahrtausend. v. Chr. als Teil einer Secondary Products Revolution, in der die Nutzung der Tiere als Fleischlieferanten durch den Einsatz von Zugkraft für Wagen und Pflug, sowie als Milch- und Wollieferant ergänzt wurde. Daher wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Untersuchungen von Speisekrusten in neolithischen Gefäßen durchgeführt, die teilweise zeigten, dass Milch in den Gefäßen erhitzt wurde.

Direkter Nachweis von Milchprodukten im Zahnstein

Die Fortschritte der biomolekularen Methoden haben uns nun unerwartete Erkenntnisgewinne beschert. Im Zahnstein von Menschen erhalten sich Milchproteine, in unserem Fall vor allem Beta-Lactoglobulin. Damit lässt sich erstmals der Verzehr von Milchprodukten sicher nachweisen. So konnte der Zahnstein von 45 Individuen aus 29 Fundorten im Nordkaukasus (n=27) und den benachbarten Regionen Südkaukasus (n=9), Oka-Wolga-Don (n=7) und Ostural (n=2) beprobt und analysiert werden. Milchproteine wurden bei 34 von 45 analysierten Individuen über alle Zeiträume hinweg identifiziert. Bei 31 Individuen reichte die Proteinausbeute aus, um die Milch der wichtigsten Wiederkäuer, nämlich von Schafen, Ziegen und Kühen zu identifizieren, während die Milchproteine von drei Individuen durch unspezifische Peptide repräsentiert wurden, die entweder auf Schafe oder Kühe hinwiesen. 

Schafskäse auf dem Markt in Telawi, Georgien
Schafskäse auf dem Markt in Telawi, Georgien (c) Sven Handsen // DAI Eurasien-Abteilung

Diese Untersuchungen, die nun in der neusten Ausgabe der Zeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurden, sind Teil einer Zusammenarbeit der Eurasien-Abteilung des DAI und des Max-Plank-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig im Rahmen mehrerer ERC Grants – ARCHCAUCASUS (Svend Hansen), PALEoRIDER (Wolfgang Haak) und DairyCultures (Christina Warinner).

Die Spezialistinnen für Proteom-Analysen Christina Warinner und Ashley Scott konnten feststellen, dass im Nordkaukasus der Milchkonsum in allen untersuchten Perioden und Ökozonen weit verbreitet waren. So wurden Milchproteine bei 26 von 27 untersuchten Individuen nachgewiesen werden. Milchprodukte wurden im Nordkaukasus seit dem späten 5. Jahrtausend v. Chr. konsumiert, doch sind die Belege noch quantitativ gering. In der frühbronzezeitlichen Maikop-Kultur des 4. Jahrtausends v. Chr. und der frühen Jamnaja-Kultur wurden fast ausschließlich Milchproteine von Schafen festgestellt, es handelt sich also fast ausschließlich um den Verzehr von Produkten aus Schafmilch. Erst in der späten Jamnaja-Kultur, der Nordkaukasischen-Kultur und der Katakombengrab-Kultur verbreiterte sich das Spektrum der Arten. Hinzu kam Ziegenmilch und es wurden auch Produkte aus Kuhmilch konsumiert.

Perspektiven

Der Nachweis von Milchproteinen im Zahnstein der frühbronzezeitlichen Individuen ist eine solide Basis für die Aussage/Erkenntnis, dass es im Nordkaukasus während des 4. Jahrtausends v. Chr. eine regelmäßige Produktion von Milchprodukten gegeben hat. Mit Quark und Käse wurde ein neues Lebensmittel verfügbar, das nicht nur nährstoffreich, sondern bis zu einem gewissen Maß auch lagerfähig und transportabel war. Die Analysen bilden darüber hinaus eine Grundlage für weiterführende Überlegungen zur Herdenhaltung und der Milchwirtschaft. Letztere sind wesentliche Elemente der gesamten Pastoralwirtschaft der Frühbronzezeit in der Eurasischen Steppe, für die wohl auch andere innovative Elemente eine Rolle spielten, etwa der von Rindern gezogene Wagen für den Transport und die Domestikation von Pferden zur Kontrolle größerer Herden. Eine weitere drängende Frage ist, ob mit dieser frühen Milchwirtschaft möglicherweise auch die Nutzung der Schafe als Wollieferant verbunden war.

Nach einer Pressemitteilung des Deutschen Archäologischen Instituts.

Das könnte Sie auch interessieren!

Bier und Blauschimmelkäse schon vor 2700 Jahren auf dem Speiseplan

Ein Forscherteam unter der Leitung von Eurac Research und dem Naturhistorischen Museum Wien gewinnt einzigartige Einblicke in die komplexen Ernährungsgewohnheiten der europäischen Urgeschichte und die Geschichte der Käseproduktion durch die Untersuchung von menschlichen Exkrementen aus dem Salzbergwerk Hallstatt.

Hochverarbeitete fermentierte Lebensmittel wie Bier oder Käse nehmen wir vor allem als ein Kennzeichen der Moderne wahr. Man weiß zwar aus historischen Schriften, dass beispielsweise im alten Ägypten Milch fermentiert wurde. Doch den weltweit ältesten Nachweis für den tatsächlichen Konsum von Blauschimmelkäse lieferte nun ein Forscherteam, das außergewöhnlich gut erhaltene prähistorische und historische Exkremente von der Bronze- bis zur Barockzeit aus dem Salzbergwerk Hallstatt (Österreich) untersuchte.