Brandrodung – Zündeln vor 9.500 Jahren

Im baden-württembergischen Ammertal gab es zur Zeit des Mesolithikums bereits Brandrodung.

Fotografie eines Bohrkerns.
Fotografie eines Bohrkerns. (c) Martin Ebner

Schon vor 9.500 Jahren setzten die Menschen in Europa Brandrodung ein, um Land für sich nutzbar zu machen. Dies zeigen Umweltdaten aus zwei Bohrkernen aus dem Ammertal, die Wissenschaftler*innen des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen (S-HEP) generiert und in Beziehung gesetzt haben zu Ergebnissen aus den vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg ausgegrabenen, mesolithischen Fundstreuungen von Rottenburg-Siebenlinden. In ihrer im Fachjournal „Journal of Quaternary Science“ erschienenen Studie gehen sie der Frage nach, inwieweit Klima oder anthropogene Faktoren in den letzten 11.500 Jahren eine Rolle bei der Entwicklung der Vegetationslandschaft des Ammertals spielten. Ein besonderes Augenmerk legten die Forschenden dabei auf Brände, die von steinzeitlichen Jäger*innen und Sammler*innen eingesetzt wurden.

Die Mittelsteinzeit begann mit dem Holozän, der heutigen Warmzeit, vor rund 11.700 Jahren – der damalige Klimaumschwung brachte auch eine Wiederbewaldung, insbesondere mit Kiefer, Birke und Hasel, mit sich. Die Herden eiszeitlicher Steppentiere, wie Rentier oder Mammut, wurden von Waldtieren, wie Reh und Wildschwein abgelöst. „Typisch für das Mesolithikum sind sogenannte Mikrolithen – kleinformatige Silexgeräte, die zu Beginn des Mesolithikums eher dreieckig und später viereckig gearbeitet waren. In den mesolithischen Fundstreuungen von Rottenburg-Siebenlinden, nahe Tübingen, wurden zahlreiche dieser Artefakte geborgen“, erklärt Shaddai Heidgen, Doktorandin bei S-HEP und fährt fort: „In unserer jüngsten Studie haben wir erforscht, wie sich die Landschaft des Ammertals in der Zeit des Mesolithikums verändert hat – und wer für diesen Wandel, insbesondere für die zahlreichen Brände in diesem Zeitraum, verantwortlich war.“

Cover AiD »Rinde – Bast – Leinen, Textiles aus der Steinzeit«

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Textilien – da fallen uns als Erstes gewebte Stoffen und Kleidung ein. Die archäologische Forschung hat zumeist Flachs und Wolle als Rohstoffe im Visier. Funde aus der Mittelsteinzeit und jungsteinzeitlichen Pfahlbauten zeigen jedoch eine andere Seite des Textilhandwerks: technische Textilien. Unterschiedliche Rohstoffe und Verfahren wurden zum Schrittmacher technischer und ökonomischer Entwicklungen. Das Autorenteam erläutert die Bedeutung dieser technischen Textilien. Im Mittelpunkt steht dabei die wichtigste Rohstoffquelle, der Gehölzbast.

Anhand von Pollenanalysen, Mikro- und Makroholzkohleresten sowie durch die Rekonstruktion des Paläoklimas aus Sedimentkernen konnte das Forschungsteam feststellen, dass zwischen 10.100 und 9.800 Jahren vor heute die offene und feuchte Vegetation durch natürliche Brände dominiert wurde. „Diese schufen günstige Voraussetzungen für mesolithische Siedlungen – wie sie auch in Rottenburg-Siebenlinden gefunden wurden“, erläutert Heidgen und ergänzt: „Es entstanden durch die Feuer attraktive Standorte für Pflanzenfresser sowie Pioniervegetation, wie beispielsweise Haselnüsse.“

Laut der Studie begannen die damaligen Menschen die Brandrodungen ab 9.500 Jahren vor heute gezielt für ihre Zwecke einzusetzen. Die Tübinger Wissenschaftlerin hierzu: „Unsere Holzkohlen- und Pollenanalysen zeigen, dass die häufigen Brände in der zunehmend aus Laubbäumen bestehenden Landschaft von mesolithischen Jäger*innen und Sammler*innen kontrolliert wurden. Zudem fallen die archäologischen Horizonte des mesolithischen Siedlungsareals mit den zwar eher schwachen, aber häufigen Feuern zusammen.“

Kommende Forschungsprojekte sollen dabei helfen, die mesolithischen Landnutzungsstrategien und Siedlungsaktivitäten in der Region noch genauer zu verstehen.

Nach einer Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

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