Die genetische Geschichte der Pest

Die Erforschung der Geschichte von Krankheitserregern mit Methoden der Genetik war das Thema der dritten Marburger Wissenschaftsgespräche.

 Der Archäogenetiker Johannes Krause (Mitte) war Gast bei den dritten Marburger Wissenschaftsgesprächen. Wissenschaftliche Leiter der zweitägigen Veranstaltung waren der Mediziner Andreas Neubauer (2.v.r.) und der Genetiker Michael Bölker (2.v.l.). Das Präsidium der Philipps-Universität vertraten der Präsident Thomas Nauss und Vizepräsident Gert Bange.
Der Archäogenetiker Johannes Krause (Mitte) war Gast bei den dritten Marburger Wissenschaftsgesprächen. Wissenschaftliche Leiter der zweitägigen Veranstaltung waren der Mediziner Andreas Neubauer (2.v.r.) und der Genetiker Michael Bölker (2.v.l.). Das Präsidium der Philipps-Universität vertraten der Präsident Thomas Nauss und Vizepräsident Gert Bange.
(c) Philipps-Universität Marburg

Infektionskrankheiten sind in der medizinischen Forschung ein wichtiges Thema. Allerdings ist wenig über die Geschichte der Evolution von Krankheitserregern bekannt. Sie hinterlassen keine Fossilien, die es erlauben, die einzelnen evolutionären Schritte nachzuvollziehen, wie zum Beispiel die Anpassung an den Menschen als Wirt. Der Archäogenetiker Prof. Dr. Johannes Krause hat sich darauf spezialisiert, die Entwicklung von Krankheitserregern wie beispielsweise der Pest oder Tuberkulose aus sehr altem menschlichem Erbgut zu rekonstruieren. Krause forscht am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Er war am 31. Mai und 1. Juni Gast an der Philipps-Universität bei der dritten Ausgabe der Marburger Wissenschaftsgespräche. In einem öffentlichen Abendvortrag sprach Krause über „Die genetische Geschichte der Pest: Was wir aus historischen Pandemien lernen können.“

Die Pest, der „Schwarze Tod“, war die bislang größte Pandemie in der Menschheitsgeschichte, die im Mittelalter jeden zweiten Menschen in Europa das Leben kostete. Bis heute bedroht der Erreger Bevölkerungsgruppen in manchen Teilen der Welt, so zum Beispiel in Madagaskar. Insofern ist es vor allem für die Wissenschaft von großem Interesse, zu verstehen, woher der Erreger kommt, welches Alter er hat, wie er sich über Jahrtausende verändert hat und welche Gene auf welche Weise Resistenzen gegenüber der Pest oder anderen Erregern bewirken.

Die Rückverfolgung der Geschichte der Pest bis zu ihrem Ursprung

Krause berichtete über die Forschung zur Herkunft, Abstammung und Übertragung einiger der gefährlichsten Krankheiten der Menschheitsgeschichte, besonders der Pest. „Mithilfe modernster DNA-Sequenzierung ist es gelungen, molekulare Fossilien der Krankheitserreger in Form von bakteriellen Genomen aus historischen menschlichen Skeletten zu erstellen“, sagte Krause. „Unter anderem haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das gesamte Erbgut des mittelalterlichen Pest-Erregers rekonstruiert. Seine molekularen Spuren konnten bis zum Ursprung des Schwarzen Todes in Zentralasien zurückverfolgt werden. Erbgutanalysen des steinzeitlichen Pest-Erregers erlauben es zusätzlich, einzelne evolutionäre Schritte bei der Anpassung der Bakterien an den Säugetierwirt und den Floh als Zwischenwirt nachzuvollziehen und Hinweise auf prähistorische Epidemien zu gewinnen.“

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1347 erreichte der »Schwarze Tod« Europa. Begünstigt durch schlechte hygienische Bedingungen kostete er einem Drittel der europäischen Bevölkerung das Leben. Der Floh gilt als Überträger des Bakteriums Yersinia pestis. Auch wenn die Zusammenhänge zunächst unklar blieben, gab es durchaus Versuche, sich der ohnehin störenden Plagegeister zu erwehren.

Wissenschaftliche Leiter der dritten Marburger Wissenschaftsgespräche waren der Genetiker Prof. Dr. Michael Bölker und der Mediziner Prof. Dr. Andreas Neubauer. „Wir freuen uns, dass wir Professor Johannes Krause als Gast für die diesjährigen Wissenschaftsgespräche gewinnen konnten“, sagte Bölker in seinem Grußwort. „Mit seiner Forschung hat er ganz entscheidend zur Weiterentwicklung der Archäogenetik beigetragen. Vor über 10 Jahren machte er eine bahnbrechende Entdeckung. Aus einem winzig kleinen Knochen, der in einer Höhle des Altai-Gebirges in Sibirien gefunden wurde, konnte Krause durch die Sequenzierung des Genoms eine bis dahin unbekannte Menschenform, den Denísova-Menschen, nachweisen. In der Folge hat sich die Forschung auf die Frühgeschichte des Menschen verlagert und wie große Wanderungsbewegungen die weitere Entwicklung bestimmt haben. Dieser Teil der Menschheitsgeschichte war auch von Epidemien und Pandemien begleitet und vermutlich auch entscheidend beeinflusst.“

Die Medizinische Perspektive zeigt die Bedeutung von Koexistenz

Neubauer würdigte die Leistungen Krauses aus der Perspektive der Medizin: „Die Natur ist voller Koexistenzen. Die Forschung von Johannes Krause zeigt überzeugend, dass Menschen nicht nur mit Menschen koexistieren, sondern in hohem Maße auch mit den Mikroben in und auf uns. So hat zum Beispiel die Koexistenz des Magenkeims Helicobacter pylori mit den Menschen dazu beigetragen, dass sich unser Immunsystem besser mit Tuberkulose oder Leishmanien auseinandersetzen konnte. Man kann spekulieren, ob die Spezies Mensch ohne die Koexistenz mit Mikroben überlebt hätte.“

Interessierte konnten Krauses Vortrag in Präsenz in der Universitätsbibliothek oder per Livestream verfolgen. Auf dem Programm der zweitägigen Veranstaltung standen auch ein interdisziplinäres Symposium mit eingeladenen Gästen aus verschiedenen Fachdisziplinen der Natur- und Lebenswissenschaften sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften. Postdoktorandinnen und -doktoranden sowie Promovierende der Philipps-Universität hatten zudem die Gelegenheit, sich mit Krause in einem Kolloquium auszutauschen.

Mit den Marburger Wissenschaftsgesprächen möchte das Präsidium der Philipps-Universität den wissenschaftlichen Diskurs zu aktuellen Themen in Marburg und über Marburg hinaus beleben. Es ist eine fachlich anspruchsvolle und zugleich öffentlichkeitswirksame Reihe, deren Gäste auf fächerübergreifendes Interesse stoßen.

Nach einer Pressemitteilung der Philipps-Universität Marburg.

Älteste Nachweise der Pest in Mitteleuropa

Schwere und ansteckende Krankheiten gibt es seit Menschengedenken, besonders seit der Jungsteinzeit, in der Menschen und Tiere meist auf engen Raum zusammen wohnen. Durch die Analyse alten Erbgutes (DNA) an Skeletten wird unter anderem seit einiger Zeit dem Auftreten der Pest in Europa nachgegangen.

Eine erst kürzlich erschienene internationale Studie, in der 17 neue prähistorische Pestfälle (Yersinia pestis) von der Mongolei, Kasachstan und Russland bis nach Spanien vorlegt werden, enthält auch die bisher ältesten Nachweise für diese tödliche Krankheit in Mitteleuropa. Einer davon stammt neben einem etwa zeitgleichen Befund aus Tschechien aus Sachsen.