Ursprung des Schwarzen Todes identifiziert

Der Schwarze Tod, die größte Pandemie in der Menschheitsgeschichte, wurde durch das Bakterium Yersinia pestis verursacht und wütete in Europa zwischen 1346 und 1353. Er hatte immense demografische und gesellschaftliche Auswirkungen, doch seine Ursprünge sind seit langem ein Rätsel. Anhand von Analysen alter Y. pestis-Genome ist es einem multidisziplinären Team, darunter Forschende des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der Universität Tübingen und der University of Stirling in Großbritannien, nun gelungen, den Ursprung der damaligen Pestpandemie in Zentralasien zu verorten.

Blick auf das Tian Shan-Gebirge. Anhand von Analysen alter Pest-Genome konnten Forschende den Ursprung des Schwarzen Todes in Zentralasien, in einem Gebiet nahe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgisistan, verorten (© Lyazzat Musralina).

Im Jahre 1347 gelangte die Pest erstmals über Handelsschiffe aus dem Schwarzen Meer aus den Siedlungsgebieten der „Goldenen Horde“, einem Teil des Mongolenreichs, in den Mittelmeerraum. Die Krankheit breitete sich rasch über Europa, den Nahen Osten und Nordafrika aus und raffte in einem einzigen großen Ausbruch, der als Schwarzer Tod bekannt wurde, bis zu 60 Prozent der Bevölkerung dahin. Diese erste Infektionswelle weitete sich zu einer 500 Jahre andauernden Pandemie aus, der sogenannten Zweiten Pestpandemie, die bis ins frühe 19. Jahrhundert andauerte.

„Pest“-Inschrift aus der Tschu-Tal Region in Kirgisistan. Übersetzt besagt diese: „Im Jahre 1649 [= 1338 n.u.Z.], im Jahr des Tigers. Dies ist die Grabstätte des Gläubigen Sanmaq. [Er] starb an der Pest“ (© A.S. Leybin, August 1886).

Die Ursprünge der Zweiten Pestpandemie werden in Fachkreisen seit langem debattiert. Eine der populärsten Theorien besagt, dass sie möglicherweise in Ostasien, speziell in China, ihren Ursprung hatte. Dieser Theorie stehen jedoch archäologische Funde aus Zentralasien entgegen, die aus einem Gebiet nahe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgisistan stammen, in den Ausläufern des Tian Shan-Gebirges. Sie belegen einen Pestausbruch innerhalb einer lokalen Handelsgemeinschaft in den Jahren 1338 und 1339. Bei Ausgrabungen vor fast 140 Jahren wurden Grabsteine gefunden, deren Inschriften darauf hindeuten, dass diese Menschen einer unbekannten Epidemie zum Opfer gefallen sind. Seit ihrer Entdeckung sorgten die in Syrisch-Aramäischer Sprache beschrifteten Grabsteine hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Schwarzen Tod in Europa in Fachkreisen für Kontroversen.

In der vorliegenden Studie analysierte ein internationales Forschungsteam alte DNA aus menschlichen Überresten sowie historische und archäologische Daten zweier Fundstätten, an denen Pest-Inschriften gefunden wurden. Schon die ersten Ergebnisse waren ermutigend: So ist es den Forschenden gelungen, bei Personen, die laut Grabsteininschrift im Jahre 1338 verstorben sind, DNA des Pestbakteriums Yersinia pestis nachzuweisen. „Wir konnten endlich nachweisen, dass die auf den Grabsteinen erwähnte Epidemie tatsächlich durch die Pest verursacht wurde“, sagt Phil Slavin, einer der Hauptautoren der Studie und Historiker an der University of Stirling.

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1347 erreichte der »Schwarze Tod« Europa. Begünstigt durch schlechte hygienische Bedingungen kostete er einem Drittel der europäischen Bevölkerung das Leben. Der Floh gilt als Überträger des Bakteriums Yersinia pestis. Auch wenn die Zusammenhänge zunächst unklar blieben, gab es durchaus Versuche, sich der ohnehin störenden Plagegeister zu erwehren.

Forschende identifizieren den Ursprungsstamm des Schwarzen Todes

Könnten die Forschenden den Ursprüngen des Schwarzen Todes auf die Spur gekommen sein? Bisher wurde der Ausbruch des Schwarzen Todes mit einer massiven Diversifizierung der Peststämme in Verbindung gebracht, einem so genannten „Urknall der Pestdiversität“. Der Zeitpunkt dieses Ereignisses konnte jedoch nicht genau bestimmt werden – man ordnete ihn bisher zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert ein. Das Forschungsteam hat nun vollständige alte Pestgenome aus den Fundorten in Kirgisistan zusammengesetzt und untersucht, wie sie mit diesem Urknall-Ereignis zusammenhängen könnten. „Wir fanden heraus, dass sich die alten Stämme aus Kirgisistan genau am Knotenpunkt dieses massiven Diversifizierungsereignisses befinden. Es ist uns also tatsächlich gelungen, den Ursprungsstamm des Schwarzen Todes und seinen genauen Ausbruchszeitpunkt – das Jahr 1338 – zu bestimmen“, sagt Maria Spyrou, Erstautorin und Forscherin an der Universität Tübingen.

Doch woher kam dieser Stamm? Entwickelte er sich lokal oder wurde er in die Region eingeschleppt und breitete sich dann aus? Die Pest ist keine Krankheit, die im Menschen ihren Ursprung hat; das Bakterium Y. pestis überlebt in wilden Nagetierpopulationen auf der ganzen Welt – in so genannten Pestreservoirs. Der alte zentralasiatische Stamm, der die Epidemie von 1338 bis 1339 am Yssykköl-See verursachte, muss also aus einem solchen Reservoir stammen. „Moderne, mit dem alten Stamm am engsten verwandte Stämme finden wir heute in Pestreservoirs rund um das Tian Shan-Gebirge, also ganz in der Nähe des Fundortes dieses alten Stammes. Der Vorfahre des Schwarzen Todes scheint also in Zentralasien entstanden zu sein“, erklärt Johannes Krause, Hauptautor der Studie und Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

Die Studie zeigt auch, dass multidisziplinäre Teams aus Historikern, Archäologen und Genetikern zur Lösung großer Rätsel unserer Vergangenheit entscheidend beitragen und wissenschaftliche Fragestellungen – wie etwa zu den Ursprüngen des berüchtigten Schwarzen Todes – in noch nie dagewesener Präzision beantworten können.

Originalveröffentlichung

Maria A. Spyrou, Lyazzat Musralina, Guido A. Gnecchi Ruscone, Arthur Kocher, Pier-Giorgio Borbone, Valeri I. Khartanovich, Alexandra Buzhilova, Leyla Djansugurova, Kirsten I. Bos, Denise Kühnert, Wolfgang Haak, Philip Slavin, Johannes Krause, The source of the Black Death in 14th-century central Eurasia. Nature, 15 June 2022, DOI: 10.1038/s41586-022-04800-3

Nach einer Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft.

Älteste Nachweise der Pest in Mitteleuropa

Schwere und ansteckende Krankheiten gibt es seit Menschengedenken, besonders seit der Jungsteinzeit, in der Menschen und Tiere meist auf engen Raum zusammen wohnen. Durch die Analyse alten Erbgutes (DNA) an Skeletten wird unter anderem seit einiger Zeit dem Auftreten der Pest in Europa nachgegangen.

Eine erst kürzlich erschienene internationale Studie, in der 17 neue prähistorische Pestfälle (Yersinia pestis) von der Mongolei, Kasachstan und Russland bis nach Spanien vorlegt werden, enthält auch die bisher ältesten Nachweise für diese tödliche Krankheit in Mitteleuropa. Einer davon stammt neben einem etwa zeitgleichen Befund aus Tschechien aus Sachsen.