Die genetische Herkunft der ersten Bauern der Welt geklärt

Arbeit im Palaeogenetik-Labor der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Arbeit im Palaeogenetik-Labor der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Foto/©: Joachim Burger, JGU

Der genetische Ursprung der ersten Ackerbauern im Neolithikum schien lange Zeit im Nahen Osten zu liegen. Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht wurde, zeigt, dass die ersten Bauern in Wirklichkeit eine Mischung aus eiszeitlichen Jäger- und Sammlergruppen darstellten, die sich über den Nahen Osten bis nach Südosteuropa erstreckten. An der Studie waren Forscherinnen und Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ebenso wie von den Schweizer Universitäten Bern und Fribourg beteiligt. Die von ihnen entwickelte Methode könnte dazu beitragen, weitere Prozesse der menschlichen Evolution mit einer bisher unerreichten Auflösung aufzudecken. Ebenfalls an der Studie beteiligt war Prof. Dr. Joris Peters, Direktor der Staatssammlungen für Anthropologie und für Paläoanatomie München sowie Generaldirektor der SNSB. Im Rahmen der Forschungsarbeit wurden in München zahlreiche Proben von bayerischen Fundorten aus der Staatssammlung für Anthropologie (SNSB-SAM) befundet und anschließend für weitere genetische Analysen nach Mainz geschickt.

Die ersten Anzeichen für Ackerbau und eine sesshafte Lebensweise finden sich im sogenannten „Fruchtbaren Halbmond“, einer Region im Nahen Osten, wo die Menschen vor etwa 11.000 Jahren begannen, sesshaft zu werden und Tiere und Pflanzen zu domestizieren. Die Frage nach dem Ursprung von Ackerbau und Sesshaftigkeit beschäftigt die Forscherinnen und Forscher seit über 100 Jahren: Verbreitete sich der Ackerbau vom Nahen Osten aus durch kulturelle Diffusion oder durch Migration? Genetische Analysen prähistorischer Skelette stützten bisher die Vorstellung, dass die ersten Bauern Europas von Jägern und Sammlern in Anatolien abstammten. Diese neue Studie zeigt jedoch, dass sich die genetischen Ursprünge des Neolithikums nicht eindeutig einer einzigen Region zuordnen lassen, sondern dass am Ende der Eiszeit eine unerwartete und komplexe Bevölkerungsdynamik stattfand, die zur genetischen Zusammensetzung derjenigen Bevölkerungsgruppen führte, die den Ackerbau und eine sesshafte Lebensweise erfanden.

Lebensbild einer frühneolithischen Siedlung in Bayern.
Lebensbild einer frühneolithischen Siedlung in Bayern. Abbildung/©: M. Kriek/J. Pechtl/Kastenhof Landau – Das Museum für Steinzeit und Gegenwart

Die ersten Bauern entstanden aus einem Mischungsprozess, der vor 14.000 Jahren begann

Frühere Analysen deuteten darauf hin, dass sich die ersten neolithischen Menschen genetisch von allen anderen Menschengruppen dieser Zeit unterschieden. Über ihre Ursprünge war wenig bekannt. Nina Marchi, eine der Erstautorinnen der Studie vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern sagt: „Wir stellen nun fest, dass die ersten Bauern Anatoliens und Europas aus einer Bevölkerungsmischung zwischen Jägern und Sammlern aus Europa und dem Nahen Osten hervorgegangen sind.“ Den Autoren zufolge begann der Mischungsprozess vor etwa 14.000 Jahren, worauf eine mehrere tausend Jahre dauernde Periode extremer genetischer Differenzierung folgte.

Ein neuer Ansatz zur Modellierung der Bevölkerungsgeschichte anhand prähistorischer Genome

Ermöglicht wurde diese Forschung durch die Kombination zweier Techniken: die Gewinnung hoch qualitativer Genome aus prähistorischen Skeletten in Verbindung mit demografischer Modellierung der daraus resultierenden Daten. Das Forscherteam prägte dafür den Begriff „demogenomische Modellierung“. „Es ist notwendig, Genomdaten von bestmöglicher Qualität zu haben, damit die neuesten statistischen Genommethoden die subtilen demografischen Prozesse der letzten 30.000 Jahre mit hoher Auflösung rekonstruieren können“, sagt Laurent Excoffier, einer der Hauptautoren der Studie. Zusammen mit Joachim Burger von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Daniel Wegmann von der Universität Fribourg hat Excoffier das Projekt initiiert. Laura Winkelbach, eine weitere Erstautorin und verantwortlich für die Produktion der Palaeogenome, fügt hinzu: „Das Gebiet der Palaeogenomik ist noch sehr jung, wir haben daher jahrelang unsere Labormethoden optimiert, um die Produktion solch hochauflösender Palaeogenome möglich zu machen. Nur etwa zehn Prozent der untersuchten Skelette enthielten ausreichend DNA, um sie derart intensiv zu untersuchen.“ Tatsächlich produzierten die Mainzer Anthropologen für diese Studie etwa 20-tausendfach mehr DNA-Sequenzen pro Skelett als branchenüblich. Die Arbeiten wurden in den hochspezialisierten palaeogenetischen Laboren der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt, die weltweit zu den größten ihrer Art zählen.

Bestattung Essenbach. Bild einer frühen neolithischen Frau aus Essenbach in Niederbayern
Bestattung Essenbach. Bild einer frühen neolithischen Frau aus Essenbach in Niederbayern. Foto/©: ADA -Archäologie GbR

Ein Model der Evolution des Menschen in Südwestasien und Europa

Prof. Dr. Joachim Burger von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und ebenso Seniorautor der Studie betont die Notwendigkeit der Interdisziplinarität einer solchen Studie: „Es hat fast zehn Jahre gedauert, die geeigneten Skelette zusammenzutragen, Genomdaten aus ihnen zu gewinnen und diese im historischen Kontext zu analysieren. Dies war nur durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Archäologen und Anthropologen möglich, die uns geholfen haben, unsere Modelle historisch zu verankern.“ Die historische Kontextualisierung wurde von Maxime Brami koordiniert, der mit Burger an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zusammenarbeitet. Der junge Prähistoriker war von einigen der Ergebnisse der Studie überrascht: „Die ersten Bauern Europas scheinen von Jäger- und Sammlerpopulationen abzustammen, die vom Nahen Osten bis zum Balkan lebten. Dies war archäologisch nicht vorhersehbar.“ Joachim Burger ergänzt: „Mit diesen Ansätzen haben wir nicht nur die Ursprünge der ersten neolithischen Populationen der Welt aufgeklärt, sondern auch ein allgemeines Modell der Evolution menschlicher Populationen in Südwestasien und Europa erstellt.“

„Natürlich bleiben räumliche und zeitliche Lücken bestehen, und dies bedeutet nicht das Ende der Forschung über die demographische Entwicklung des Menschen in dieser Region“, schließt Laurent Excoffier. Der Forschungsplan des Teams steht also bereits fest: Sie wollen ihr demografisches Modell mit Genomen aus den späteren Phasen des Neolithikums und der Bronzezeit ergänzen, um ein immer detaillierteres Bild der menschlichen Evolution zu erhalten.

Nach einer Pressemitteilung der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns.

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