Die fast 300 Jahre alte Mikwe in Friesen ist nun freigelegt

Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen des kürzlich entdeckten jüdischen Ritualbades im Landkreis Kronach werden jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt

Freilegung Mikwe Friesen.
Freilegung Mikwe Friesen. Foto: Christian Porzelt

Die Spuren zeugen vom Alltag jüdischer Menschen im Bayern des 18. Jahrhunderts: Im Keller des denkmalgeschützten Anwesens „Am Plan 15“ in Friesen identifizierte der Arbeitskreis der Kronacher Synagoge e.V. eine privat errichtete Mikwe, die unter fachlicher Begleitung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege freigelegt und archäologisch untersucht wurde.

Der Zugang zum Becken erfolgte über vier Stufen. Das Bad speiste sich dabei aus Grundwasser und hatte eine Tiefe von 120 Zentimetern. Das Fundmaterial aus der Verfüllung zeigt, dass die Aufgabe dieser Privat-Mikwe mit dem Ritualbaderlass von 1828/29 der Bayerischen Regierung und des damit zusammenhängenden eingeführten Verbotes für unbeheizte Kellertauchen zusammenhängt.


Gefunden hat das Archäologenteam unter anderem Keramikfragmente von Alltagsgeschirr aus dem 19. Jahrhundert. Mit diesen Funden ergibt sich ein komplementäres Bild des jüdischen Alltags im Landkreis Kronach. Viele dieser Funde und auch diese Mikwe wurden mit neuester Technologie via virtueller 3D-Führungen zugänglich gemacht.

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Jüdische Stadtviertel im Mittelalter

Jüdische Gemeinden bildeten im Mittelalter über viele Jahrhunderte hinweg einen integralen Bestandteil der deutschen Städte. Archäologische Funde sind vielsagende Zeugen vom alltäglichen Leben dieser Gemeinschaften – ein Leben teils blühend, teils gefährdet, oft unterdrückt, aber stets von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der mittelalterlichen Stadt. Die Spuren ihrer Bewohner sind heute beredte Zeugnisse einer wechselvollen Existenz zwischen friedlicher Nachbarschaft und grausamer Verfolgung.

„Dank der Initiative des Aktionskreises Kronacher Synagoge konnte die historische Mikwe als wichtiges Zeugnis jüdischen Lebens freigelegt, dokumentiert und digital für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll die Bedeutung des breiten bürgerschaftlichen Engagements für die Bewahrung und Vermittlung des jüdischen Erbes in Bayern“, konstatiert Dr. Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe.
„Die Spuren jüdischen Lebens reichen tief in unsere kulturelle Geschichte und gewähren einen faszinierenden Einblick in das Leben der Menschen damals. Dank des Aktionskreises Kronacher Synagoge sind diese Spuren nun bestens dokumentiert und digital für die Öffentlichkeit erschlossen“, sagt Generalkonservator Prof. Mathias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamtes für
Denkmalpflege.

„Jüdische Ritualbäder wie die Friesener Mikwe sind ein wichtiger Teil unseres kulturellen Erbes.

Wir freuen uns, dass wir dieses Relikt der einst reichen Welt des fränkischen Landjudentums wieder sichtbar und erlebbar machen können“, beurteilt der Historiker Christian
Porzelt vom Aktionskreis Kronacher Synagoge die Neuentdeckung.

Das Gebäude aus dem frühen 18. Jahrhundert befand sich, bis es 1870 von einer christlichen Familie erworben wurde, im wechselnden Besitz verschiedener jüdischer Familien. In einer historischen Baukostenaufstellung fanden sich Hinweise auf das Graben eines Beckens im Keller
und auch in einem späteren Kaufbrief aus dem Jahre 1798 wird explizit eine „tauche in Köller“ des Hauses benannt. Am 24. Oktober 2022 wurden die archäologischen Untersuchungsergebnisse den Medien vorgestellt.

Einen 3D-Scan der Mikwe gibt es hier.

Nach Pressemitteilung des BLFD.

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Mikwe in Worms bewahren

Die Mikwe in Worms zählt zu den ältesten erhaltenen jüdischen Ritualbädern in Europa, doch sie ist in einem schlechten baulichen Zustand. Das Institut für Steinkonservierung (IfS, Mainz) hat deswegen in einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) fachlich und finanziell mit 241.000 Euro geförderten Projekt unterschiedliche Verfahren getestet, um die historischen Putz- und Fugensysteme sowie Sandsteinoberflächen zu bewahren.