Pilgerzeichen des 11./12. Jh. bei Grabungen in Meiningen entdeckt

Meiningen, Pilgerzeichen des 12. Jh. mit der Heiligen Magdalena aus Vèzenay.
Meiningen, Pilgerzeichen des 12. Jh. mit der Heiligen Magdalena aus Vèzenay. Foto: H. Arnold, TLDA

Während der Erneuerung der Erdleitungen im Bereich der Post in der Altstadt von Meiningen wurde durch das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) ein im Planum erhaltener ehemals wasserführender Graben aufgedeckt. Sein Verlauf konnte bereits vorher durch mehrere Schnitte verortet werden. In Planum fand sich neben bearbeitetem Holz, Leder und Keramik ein filigran gearbeitetes Pilgerzeichen mit figürlicher Darstellung. Die dazugehörige, gefundene Keramik datiert in das 11./12.Jh.

Auf dem rechteckigen Flachguss von 4 x 5 cm ist die Fußwaschung Jesus durch Maria Magdalena dargestellt.  Es zeigt Jesus neben Paulus und Simon Petrus am Tisch sitzend. Unter ihm liegt Magdalena und salbt Jesus die Füße. Umlaufend um die Szene steht die lateinische Innschrift: „SIG ILLUM I BEATE MARIE MAGDA D“, übersetzt: „Siehe, wie es der seligen Maria Magdalena erging“. Darüber sind drei „Türmchen“ dargestellt, welche meist auf die Schreine der heiligen drei Könige hindeuten. An den Seiten befinden sich Ösen, an denen Pilgerzeichen oftmals um die Hutkrempe gebunden getragen wurden. Aus dem Wunsch der Pilger etwas von ihrer Reise mit nach Hause zu nehmen, entstanden im 12. Jh. sorgfältig gearbeitete Zeichen, deren Themen den Orten und Heiligen zuzuordnen sind. Nach der Pilgerreise wurde diese heiligen Zeichen in der Heimat meist zum Schutz in Flüssen, Seen oder anderen Gewässern entsorgt.

Das Zentrum der Verehrung der heilige Maria lag im 12. Jh. in Vézelay, entlang eines der vier Hauptwege nach Santiago de Compostela in Mittelfrankreich. Neben einen 1863 in der Seine gefundenen vollständigen Pilgerzeichen, welches im 1. Weltkrieg verloren ging, existiert nur ein weiteres, sehr schlecht erhaltenes Exemplar, welches in der Türkei in einem sekundär verwendeten römischen Grab gefunden wurde. Andere Zeichen mit einer abgewandelten Art der Darstellung stammen von St.-Maximin-en-Provence und sind ins 13. Jh. zu datieren. Das Fundstück aus dem Graben in Meiningen ist somit das erste vollständig erhaltene, noch existierende Pilgerzeichen der Heiligen Magdalena aus Vézelay, welches aufgrund der vergesellschafteten Keramik aus einem geschlossenen Befund archäologisch sicher in das 12. Jh. datiert.

E. Spitzer

Mit freundlicher Genehmigung des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA)

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