Hominisation

Wörtlich Menschwerdung. Beschreibt die Abläufe, Umstände und Wechselwirkungen, die bei der phylogenetischen Entwicklung einzelner und im Gesamtbild für den (heutigen) Menschen typischer Eigenschaften eine Rolle spiel(t)en. Dazu gehören anatomische, verhaltensbiologische und kulturelle Merkmale, die sich als Anpassungen auf ökologische und soziologische Herausforderungen im Wechselspiel zwischen Mutation und Selektion als vorteilhaft gegenüber konkurrierenden Hominiden und sonstigen Umwelteinflüssen erwiesen. Spezifisch menschlich sind u.a. ein relativ großes und differenziertes Gehirn, nahezu optimales räumliches Sehvermögen, bewegliche Finger mit opponierbarem Daumen (Präzisionsgriff), ein komplexes Sozialverhalten, Sprache, Fähigkeit zur Abstraktion, eine lange Wachstums- bzw. Lernphase sowie Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Ressourcen (Allesfresser) und klimatische Bedingungen. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang verschiedene Modellvorstellungen zur Reihenfolge sowie über Ursache und Wirkung bei der Herausbildung bestimmter Eigenschaften. Demnach entwickelte sich z.B. der aufrechte Gang vor der Vergrößerung des Gehirns, jedoch nicht, um einen besseren Überblick bei der Früherkennung von Fressfeinden zu haben. Gleichzeitig reduziert sich die Körperfläche, die der UV-Strahlung ausgesetzt ist, und werden die Vorderextremitäten frei für Manipulationen jeglicher Art sowie zum Tragen von Nahrung, Gerätschaften o.ä. Haarlosigkeit und die Fähigkeit zu Schwitzen sind die Voraussetzungen zur Regulation der Körpertemperatur. Klimaveränderungen führen zu Umweltveränderungen und diese erfordern unterschiedliche Strategien zur Deckung des Lebensunterhalts (Selektionsdruck). Zunehmende Körperhöhe geht mit höherem Nahrungsbedarf einher. Die Entwicklung eines großen Gehirns führt dazu, dass der Geburtstermin vorverlegt werden muss und die Kinder länger der Fürsorge ihrer Mütter bedürfen. Generalisten haben prinzipiell einen evolutiven Vorteil gegenüber Spezialisten.

Autor: Joachim Wahl

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