Teil von Stadtbefestigung am Rand der Ems gefunden

Archäolog:innen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) begleiteten Bauarbeiten nahe des Wiedenbrücker Pulverturms, der früher zur Stadtbefestigung gehörte. Anlässlich des geplanten Neubaus am Mühlenwall rückten die Fachleute der LWL-Archäologie für Westfalen aus und entdeckten nun weitere Teile der ehemaligen Stadtbefestigung.

Ausgrabungsfläche in der Stadt Wiedenbrück-Rheda an der Ems.
Wegen des hohen Grundwasserstandes mussten zunächst Betonsäulen als Fundamentierung für den Neubau in den Boden eingebracht werden. Der Aushub erfolgte dann nach und nach um diese Säulen herum bis auf ca. 2,50 m Tiefe. Credits: LWL-Archäologie für Westfalen/J. Hallenkamp-Lumpe

„Mit der Baustellenbeobachtung am Mühlenwall 9 ist es nun erstmals für Wiedenbrück gelungen, einen Querschnitt durch einen vermutlich mindestens spätmittelalterlichen Abschnitt der Stadtbefestigung zu dokumentieren“, so Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie.
Die Baustelle sei außerdem ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es sei, trotz ergebnisloser Beobachtungen auf direkt benachbarten Grundstücken jeden neuen Bodenaufschluss für sich zu bewerten.

Strukturen aus Ästen und Bohlen

„Am emsseitigen Ende der Baugrube traten dabei in etwas über zwei Metern Tiefe kleine Flächen mit mattenartigen Strukturen aus Ästen und eine Reihe von hölzernen Bohlen auf. Sie verliefen in einer Reihe parallel zum Fluss“, berichtet LWL-Expertin Dr. Julia Hallenkamp-Lumpe. Zwischen diesen Bohlen lagen Reste einer dünneren Lage aus kleinen Hölzchen und Zweigen. Zusammen mit den Bohlen könnten diese zu einem umgekippten Zaun oder einer mattenartigen Konstruktion aus Astgeflecht gehört haben.

Im weiteren Verlauf der Arbeiten stießen die Archäolog:innen auf der Kellersohle auf einen drei bis vier Meter breiten Graben. Er folgte ebenfalls ungefähr der Richtung der Ems bzw. dem Mühlenwall.

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Bollwerke, Bastionen und Bombarden

Lange Zeit genügten einfache Ringmauern, um die mittelalterlichen Städte und Burgen zu schützen. Doch spätestens ab dem 15. Jh. stellten Schießpulver und Feuerwaffen neue Herausforderungen an das Befestigungswesen. Es entstanden völlig neue Festungsanlagen, die auf die Anforderungen der modernen Waffentechnik abgestimmt waren.

„Die dunkelbraune, feste, lehmige und leicht riechende Verfüllung enthielt Tierknochen, Lederreste, Muscheln, Holzreste und am straßenseitigen Randbereich als wichtigsten Fund das Fragment eines Kruges oder einer Kanne aus Siegburger Steinzeug“, so Hallenkamp-Lumpe. Dieser Keramikfund stammt aus der Zeit des 15. bis frühen 16. Jahrhunderts.

Zwischen der Bohlenreihe und dem Graben erstreckte sich ein sandiger und mit dunklen lehmigen Flecken durchzogener Boden. Anschließend traten in diesem vereinzelt Knochen und die Scherbe eines Topfes aus grün glasierter Irdenware des 16. bis 17. Jahrhunderts zutage. Diese sandige Fläche war allerdings stellenweise noch mit der ehemals flächig liegenden, mattenartigen Lage aus kleineren Ästen überdeckt.

Mit geschultem Blick

Dadurch können nun Rückschlüsse auf die Baugeschichte gezogen werden: „Zunächst gab es einen niedrigen Wall entlang der heutigen Straße Mühlenwall 9 mit dem daran anschließenden Graben. Etwas später folgte dahinter die Sandfläche, in welche zur Ems hin die Bohlenreihe eingetieft wurde. Beides wurde schließlich von der flächigen mattenartigen Astschicht überlagert“, erklärt Hallenkamp-Lumpe.

„Die gestaffelten Strukturen am Mühlenwall 9 repräsentieren dabei sehr wahrscheinlich einen Abschnitt der Wiedenbrücker Stadtbefestigung, von der wir bereits an verschiedenen Stellen der Stadt Teile archäologisch erfassen konnten“, sagt Spiong. So wurde im Osten von Wiedenbrück eine Befestigung durch einen breiten Graben festgestellt, während im Westen der Schutz durch die Ems offenbar weniger aufwändige Maßnahmen forderte. Am Pulverturm zeigte sich dies während einer früheren Grabung an einer einfachen Pfostenreihe, die lediglich die Böschung eines sich zur Ems erstreckenden Streifens Land sicherte. Die eigentliche Stadtmauer könnte dagegen passend zur Lage des Pulverturms im Verlauf des heutigen Mühlenwalls gelegen haben.

Eine ähnliche Pfosten- bzw. Bohlenreihe wie am Pulverturm wurde nun am Mühlenwall 9 erfasst. Die Entstehungszeit von Wall und Graben konnten die Expert:innen zwar nicht ermitteln, doch gibt das Fragment des Kruges einen Hinweis darauf, dass sie gleichzeitig mit der Errichtung des Pulverturms angelegt worden sein könnten. Denn wie die Keramik stammt der Turm aus dem späten 15. oder frühen 16. Jahrhundert.

Die Sandfläche wurde, so lässt es die jüngere Keramikscherbe vermuten, in der frühen Neuzeit angelegt, womit die Anlage der Bohlenreihe ebenfalls in diese Zeit fallen müsste. „Diese Befundlage spiegelt vermutlich den ab dem 16. Jahrhundert einsetzenden frühneuzeitlichen Ausbau der Stadtbefestigung, wobei an dieser Stelle zur Ems hin offenbar eine Befestigung der Oberfläche mithilfe von Sand, abdeckenden Flechtwerk-Matten und einer leichten, diesen Bereich zum Fluss hin abstützenden Holzkonstruktion genügte“, schließt Hallenkamp-Lumpe.

Nach Pressemeldung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe.

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