Von der Steinzeit bis heute: Genanalysen offenbaren die Geschichte domestizierter Schafe

Durch die statistische Analyse von hunderten DNA-Proben von steinzeitlichen und modernen Schafen hat ein internationales Forschungsteam die Domestikation, Verbreitung und Populationsentwicklung über die letzten 12.000 Jahre rekonstruiert.

Siedlungshügel in Anatolien; Nachweis der Domestikation
Blick in den tiefen Grabungsschnitt im Siedlungshügel von Aşıklı Höyük (Zentralanatolien, Tür-kei). Deutlich zu erkennen sind die zahlreichen Schichten, die sich während der tausendjährigen Besiedelung des Platzes gebildet haben. Foto: Nadja Pöllath (SNSB-SPM)

Schafe gehören zu den ersten Tieren, die von Menschen domestiziert wurden. Ausgrabungen der steinzeitlichen Siedlung Aşıklı Höyük in Zentralanatolien (heutige Türkei), die rund 10.300 Jahre alt ist, zeigen frühe Spuren der Haltung von Schafen als Nutztiere. Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, mitochondriale DNA aus den Knochenüberresten zu isolieren und mit Proben aus anderen Regionen und späteren Epochen zu vergleichen. 

Mitogenomische Diversität blieb unerwartet lange hoch

Heutige Hausschafe in Eurasien gehören vorwiegend zu nur zwei vom Muttertier vererbten, sogenannten genetischen Matri- oder auch Mutterlinien. Frühere Forschungen gingen davon aus, dass die genetische Vielfalt bereits in der Frühphase der Domestikation des Wildschafes rapide abnahm. Die Untersuchung vollständiger Mitogenome aus dem frühen Domestikationsort Asıklı Höyük in Zentralanatolien, der zwischen 10.300 und 9.300 Jahren besiedelt war, widerlegt diese Annahme: Trotz eines Jahrtausends menschlicher Einflussnahme auf die Schafhaltung und -zucht blieb die mitogenomische Diversität unverändert hoch, wobei fünf Matrilinien nachgewiesen wurden, darunter eine bisher unbekannte Linie. Die anhaltend hohe Vielfalt der Matrilinien, die in den 1.000 Jahren der Schafhaltung beobachtet wurde, war für die Forscher unerwartet.

Die verschiedenen Mutterlinien oder auch Haplogruppen kann man sich vorstellen wie die Äste eines Stammbaums. Tiere, die einer bestimmten Linie angehören, weisen vergleichsweise geringe Variationen in ihrem mitochondrialen Erbgut auf, da sie von einer gemeinsamen Vorfahrin abstammen. Heute überwiegt bei Schafen in Europa die Haplogruppe B und in Ostasien die Haplogruppe A. Folglich nahm die mitogenomische Vielfalt später im Domestizierungsprozess oder dann ab, als sich die Schafzucht während des Neolithikums über ihre ursprüngliche Domestizierungsregion hinaus ausbreitete.

Originalpublikation:

Edson Sandoval-Castellanos et al. Ancient mitogenomes from Pre-Pottery Neolithic Central Anatolia and the effects of a Late Neolithic bottleneck in sheep (Ovis aries).
Sci. Adv.10,eadj0954(2024). DOI:10.1126/sciadv.adj0954
https://doi.org/10.1126/sciadv.adj0954