Luftbildarchäologie

Luftbildarchäologie ist eine Daueraufgabe

In der Bezeichnung »Luftbildarchäologie« ist zwar das Wort »Archäologie« enthalten, aber es ist mit den beiden vorangestellten Worten »Luft« und »Bild« doch eine ganz andere Art der Archäologie gemeint.

Von Klaus Leidorf, Titelbild: Bei Vettweiß in der Eifel im Landkreis Düren, Nordrhein-Westfalen, treten zwei Burgi in direkter Nachbarschaft zueinander auf. Foto: Baoquan Song

Viele Fachkollegen aus dem Bereich der Ur- und Frühgeschichte beschäftigen sich vorrangig mit Fundgegenständen, die sie in ein seit vielen Generationen aufgebautes Datierungsgerüst einordnen wollen. Die Luftbildarchäologie kann jedoch keine einzelnen Fundstücke zeigen und sie hilft auch keineswegs bei der Verfeinerung des Datierungsgerüsts der Archäologen am Boden. Es ist einem Luftbildarchäologen auch nicht möglich, den Kollegen in der Bodendenkmalpflege oder auch in einem Forschungsinstitut sofort bzw. zeitnah dabei zu helfen, passende spektakuläre Luftaufnahmen zu deren jeweiligem Forschungs- und Interessengebiet zu liefern. Daher ist so manches Mal die Enttäuschung zu spüren, wenn eine konkrete Anfrage zu einer Prospektion aus der Luft gestellt wird, die nicht schnell erledigt werden kann. Denn der Luftbildarchäologe ist auf optimales Wetter, passenden Bewuchs oder sonstige Umstände angewiesen, die ihm letztlich erst die Beobachtung der archäologischen Strukturen im Boden vom Flugzeug aus sichtbar machen. Das kann mitunter sogar mehrere Jahre Zeit erfordern und zusätzlich noch das Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. So kann aus der Erfahrung von drei Jahrzehnten praktischer Tätigkeit in der Luftbildarchäologie festgestellt werden, dass ein einzelner Prospektionsflug zwar die eine oder andere neue Fundstelle erbringt, aber meist erst über einen längeren Zeitraum der Beobachtung aus der Luft genauere Aussagen getroffen werden können.

Ein gutes Beispiel hierfür zeigt die Fundstelle eines Kreisgrabens in einem Maisacker bei Peisenhofen, die erstmals Anfang August 1990 aus der Luft beobachtet werden konnte. Die zeitliche Einordnung des Befundes war jedoch nicht möglich, weil der Luftbildbefund nur teilweise bzw. bruchstückhaft erschien. Allein die Tatsache, dass es sich hier um einen archäologischen Befund handelte, konnte als gesichert angenommen werden. Es dauerte fast genau 20 Jahre, bis sich am 11. Juli 2010 in einem recht trockenen Sommer auf ebendiesem Acker der Kreisgraben zusammen mit etwa 50 Grabgruben als positives Bewuchsmerkmal im heranreifenden Getreide erneut zeigte. Erst damit konnte seine Zuordnung zu einem frühmittelalterlichen Reihengräberfeld als gesichert gelten.

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Luftbildarchäologie – Spuren der Vergangenheit aus der Luft

Die Methoden und Techniken, die der Luftbildarchäologie zugrunde liegen, entwickeln sich rasant. Der Zugang zu vielfältigen Geodaten, wie WMS, Geobasis, Google Earth und vielen mehr, eröffnet der Forschung schier unendliche Möglichkeiten. Die Luftbildarchäologen Baoquan Song und Klaus Leidorf sowie der Vermessungsfachmann Eckhard Heller vermitteln anhand von praktischen Beispielen eine Übersicht über die methodischen Einsatzmöglichkeiten der Luftbildarchäologie in verschiedenen Natur- und Kulturlandschaften.

In Bayern haben mein Vorgänger Otto Braasch und ich seit 1980 mehr als 30000 neue Fundstellen für die Abteilung Bodendenkmalpflege des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zusammentragen können. Die Mehrzahl davon dürfte noch in die Kategorie »unbestimmte Zeitstellung« eingeordnet werden, jedoch stellen inzwischen häufig Luftaufnahmen die einzig gebliebenen Hinweise auf die Aktivitäten unserer Vorfahren in einer Region dar, da Erosion und die enorm zunehmende Bautätigkeit in der Fläche immer mehr Fundstellen verschwinden lassen. Hinzu kommt, dass durch die Einsparungen des Bayerischen Staates gerade im Kulturbereich heute gegenüber der Anfangszeit nur noch ein Fünftel der Flugstunden finanziert werden kann. Dadurch ist die Möglichkeit der Beobachtung von bekannten Fundstellen zur Gewinnung neuer Informationen, und auch die Prospektion von Neufundstellen gegenüber dem Zustand von vor 30 Jahren, stark eingeschränkt. Aber selbst mit den wenigen noch verbleibenden Prospektionsflügen in Bayern kann das Bild der Geschichte dieses Landes dank der Luftbildarchäologie und den vielen Kollegen am Boden immer schärfer gezeichnet werden.

Ähnlich verhält es sich in den anderen Bundesländern: 1959 war Nordrhein-Westfalen das erste, in dem die Luftbildarchäologie eingeführt wurde. Zunächst beschränkte sich hier die großräumige Flugprospektion auf das Rheinland. Abgesehen von wenigen sporadischen Einsätzen lokaler Archäologen, wie z. B. der im Vorwort erwähnten Lufterkundung im Weser-Elbe-Dreieck, wurde die Luftbildarchäologie erst in den 1980er und 1990er Jahren von vielen Landesämtern für Bodendenkmalpflege in die Arbeit zur Inventarisierung integriert, zum großen Teil nicht dauerhaft, sondern nur für einige Jahre. Die permanente Befliegung in Bayern und Nordrhein-Westfalen sowie seit der Deutschen Wiedervereinigung in Sachsen und Sachsen-Anhalt bildet eher die Ausnahmen. Tatsache ist, dass neue Fundstellen in beträchtlicher Anzahl z. B. selbst nach 60 Jahren kontinuierlicher Flugprospektion und nur mit verhältnismäßig geringen Mitteln jedes Jahr im Rheinland aus der Luft aufgespürt werden. Änderungen des Klimas, von Anbaumethoden und -zyklen sowie Pflanzenarten usw. führen zu wechselhaften Bedingungen für die Beobachtung aus der Luft und können sowohl positiv als auch negativ auf die Flugprospektion wirken. Aber rückblickend auf die ständig gestiegene Zahl neuer Bodendenkmäler kann festgehalten werden, dass sich ein dauerhafter Einsatz der Luftbildarchäologie bisher immer gelohnt hat. Es steht zudem fest, dass hierzulande mit einem oder ein paar Flügen die Sache nicht getan ist. Die Luftbildarchäologie bleibt eine Daueraufgabe in Deutschland.

In manchen Regionen im Ausland hingegen, z. B. in der Inneren Mongolei in China oder der Berglandschaft in Ostgeorgien, kann die Flugprospektion binnen kurzer Zeit zum Erfolg führen. Denn dort dominiert nicht der Ackerbau, sondern die Viehzucht die Landnutzung, wodurch die meisten archäologischen Hinterlassenschaften von späteren menschlichen Aktivitäten verschont wurden und noch weitestgehend oberirdisch im Bodenrelief erhalten sind. Hier kann die Luftbildarchäologie tatsächlich durch die Möglichkeit, ausgedehnte Gebiete effektiv und umfassend in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu untersuchen, zu ihrer Geltung kommen.

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Weiterlesen im AiD-Sonderheft Faszination Luftbildarchäologie – Die Welt aus der Vogelperspektive

Archäologen kreisen in kleinen Flugzeugen über Landschaften und machen auf ihren Luftbildaufnahmen sichtbar, was vom Boden aus verborgen bleibt: archäologische Überreste, verlassene Orte, Reste früher Bebauung und Grabstätten. Diese spektakulären Aufnahmen zeigen die gegenwärtige und vergangene Welt zugleich. Baoquan Song und Klaus Leidorf verbinden faszinierende Bilder mit fundiertem Fachwissen und eröffnen in diesem Sonderheft einen neuen Blick auf die Vergangenheit!