Steinzeitliche Tänze im Takt von Elchzahn-Rasseln?

In der Steinzeit, vor etwa 8.000 Jahren, tanzten die Menschen oft und auf psychedelische Weise. Forschende kommen zu dem Schluss, dass die gefundenen Elchzähne einer russischen Fundstelle als Elchzahn-Rasseln verwendet wurden.

Erwachsener Mann aus Grab 76a in Yuzhniy Oleniy Ostrov, gezeichnet, als ob er während einer Tanzsession lebendig wäre: 140 Elchzähne an Brust, Taille, Becken und Oberschenkeln klappern rhythmisch und laut. Credits: Universität Helsinki.

Aufgenähte Rasseln

„ELchzahn-Ornamente nähte man an die Kleidung oder hängte sie auf. Sie gaben ein lautes rasselndes Geräusch ab, wenn sie sich bewegen“, sagt Riitta Rainio. Sie ist Hörarchäologin und Academy of Finland Research Fellow von der Universität Helsinki. „Wenn man solche Rasseln beim Tanzen trägt, kann man leichter in die Geräuschkulisse eintauchen und schließlich den Klang und den Rhythmus die Kontrolle über seine Bewegungen übernehmen lassen. Es ist, als ob jemand den Tänzer im Tanz führt.“

Rainio kennt sich mit dem Thema gut aus, denn sie tanzte zu Forschungszwecken sechs Stunden am Stück. Dabei trug sie Elchzahn-Ornamente, die sie nach steinzeitlichem Vorbild anfertigte. Rainio und der Künstler Juha Valkeapää veranstalteten eine Performance, um herauszufinden, welche Art von Abnutzungsspuren sich in den Zähnen bilden, wenn sie gegeneinander schlagen und sich in alle Richtungen bewegen. Das Geräusch einer Zahnrassel kann klar und hell oder laut und hämmernd sein, abhängig von der Anzahl und Qualität der Zähne sowie der Intensität der Bewegung.

Mikroanalyse zeigt, dass Zahnabnutzungsspuren vom Tanzen herrühren

Die durch Tanzen abgenutzten Zähne wurden auf mikroskopische Spuren vor und nach dem Tanzen untersucht. Diese Spuren verglich man mit den wurden dann von Evgeny Girya, einem auf Mikrospuren spezialisierten Archäologen der Russischen Akademie der Wissenschaften, mit den Funden aus den Gräbern von Yuzhniy Oleniy Ostrov verglichen. Girya dokumentierte und analysierte die Abnutzungsspuren an den Elchzähnen, die er in vier für das Experiment ausgewählten Gräbern fand. Beim Vergleich der Späne, Vertiefungen, Schnitte und geglätteten Oberflächen der Zähne stellte er eine deutliche Ähnlichkeit zwischen den durch Tanzen abgenutzten Zähnen und den steinzeitlichen Zähnen fest. Allerdings waren die Spuren bei den Steinzeitzähnen tiefer und umfangreicher. Laut Girya zeigen die Ergebnisse, dass die Spuren das Ergebnis einer ähnlichen Aktivität sind.

„Die Menschen trugen Steinzeitzähne über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg. Deshalb ist es keine Überraschung, dass ihre Abdrücke so ausgeprägt sind“, sagt Girya.

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Die außerordentliche Professorin für Archäologie Kristiina Mannermaa von der Universität Helsinki ist von den Forschungsergebnissen begeistert.

„Elchzahnrassler sind faszinierend, denn sie versetzen den modernen Menschen in eine Jahrtausende alte Geräuschkulisse und in ihre emotionalen Rhythmen, die den Körper leiten. Man kann die Augen schließen, dem Klang der Klapper lauschen. Und sich auf den Schallwellen zu einem Lagerfeuer am See in die Welt der steinzeitlichen Jäger und Sammler treiben lassen.“

In der Grabstätte Yuzhniy Oleniy Ostrov wurden insgesamt 177 Gräber von Frauen, Männern und Kindern gefunden. Mehr als die Hälfte der Gräber enthalten mehrere Elchzahn-Ornamente, von denen einige aus bis zu über 300 einzelnen Zähnen bestehen.

Nach Pressemeldung der Helsinki Universität.

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