Tagebau Profen in Sachsen-Anhalt

Von Susanne Friederich, Julia Gerz und Johanna Kleinecke; Titelbild: Am Aussichtspunkt Profen lässt sich die jahrtausende alte Geschichte per App erleben; Foto: J. Klienecke, LDA.

Archäologie und Tagebau, das ist erst einmal keine Liebesbeziehung, werden doch riesige Flächen unwiederbringlich zerstört. Gleichzeitig bietet sich die Chance, eine komplette Landschaft durch die gesamte Menschheitsgeschichte zu erforschen.

Im Mitteldeutschen Revier steht Braunkohle dicht unter der Oberfläche an, die im Tertiär vor 65 bis 2 Mio. Jahren entstand. Überlagert werden die Vorkommen von geringmächtigen Geschiebelehmen aus der Elster‐ und Saale‐Kaltzeit. Darüber bildeten sich am Höhepunkt der letzten Eiszeit, der Weichsel‐Kaltzeit vor etwa 115 000 bis 10 000 Jahren, durch Wind eingetragene Lösse. Während des Boreals von 8690 bis 7270 v. Chr. entstandene Schwarzerden sind je nach Geländeexposition schon seit rund zwei Jahrtausenden großflächig erodiert.

Früh erkannten die Menschen den Wert des fossilen Rohstoffs Kohle. Wie meist bei einem neuen Material, stand Schmuck – hier Gagatperlen – im Vordergrund. Doch vor einigen Jahrhunderten verhalf das Vorkommen zu regionalem Wohlstand. In alten Kartenwerken vermerkte Bezeichnungen wie Turff oder Torf markieren Aufschlüsse an der Oberfläche, an denen die Braunkohle zutage tritt. Für 1382 ist die erste schriftliche Erwähnung von Abbauaktivitäten in Mitteldeutschland bzw. im Raum rund um Halle an der Saale belegt. So verwundert es nicht, dass bereits 1698 die Geburtsstunde des »mitteldeutschen Braunkohlereviers« schlug.

Cover AiD Sonderheft 23/22 Bergbau durch die Jahrtausende

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Bergbau durch die Jahrtausende

Bereits in der Steinzeit begannen Menschen mit dem Abbau von mineralischen Rohstoffen. Die Artikel im Heft machen  klar, wie hoch der Einfluss des Bergwesens für die sozial-, wirtschafts- und herrschaftsgeschichtliche Entwicklung in Mitteleuropa über alle Perioden hinweg zu bewerten ist.

Profen: ein Tagebaugebiet als Spiegel der Zeit

Nach ersten archäologischen Untersuchungen innerhalb der Ortschaft Schwerzau begannen ab 2002 Ausgrabungen. Bis 2015 wurden ungefähr 625 ha untersucht.
Das gesamte Gelände wurde auf seine Befundhäufigkeit überprüft, auf ca. 250 ha fanden flächenhafte Ausgrabungen statt.

Die im Pleistozän gebildete Hochfläche von Profen‐Schwerzau, ein sanftwelliges Gelände, wird im Nordwesten von der Saale, im Südosten von der Weißen Elster begrenzt. Sie liegt am Übergang vom westlichsten Ausläufer der Leipziger Tieflandbucht zum südöstlichen Rand des mitteldeutschen Trockengebiets, das als Ausläufer des Norddeutschen Tieflandes in die Mittelgebirge zu verstehen ist. Das überwiegend trockene subkontinentale Klima des im Halbschatten des Harz gelegenen Abbaufeldes Profen‐Schwerzau weist bei durchschnittlichen Temperaturen von 8,5 bis 9 °C immerhin jährlich 500 bis 550 mm Niederschläge auf – mitunter ist trotzdem eine negative Wasserbilanz zu verbuchen. Kleinere Fließgewässer führen nur bei starken bzw. länger andauernden Regenfällen Wasser. Das nördliche Abbaufeld war durch einige kleinere Geländeeinschnitte geprägt, das südliche Areal des Tagebaugebiets ist recht weitläufig.

In Senken und Mulden zwischen den Kuppen abgelagerte Sedimente belegen für die Profener Hochfläche ein erstes Eingreifen des Menschen am Übergang von der Mittel‐ zur Jungsteinzeit. Funde aus der Mittelsteinzeit fehlen jedoch und selbst für die ersten Ackerbauern und Siedler Mitteleuropas sind nur spärliche überliefert. Das Gelände war aber sehr wohl in den Aktionsradius der ersten Bauern einbezogen: Eine extensive Nutzung im Regelkreislauf der Transhumanz ist zu verzeichnen. Zwei mit Öfen ausgestattete Grubenhäuser aus dem 50. und 53. Jh. v. Chr. bezeugen zweifelsfrei längere Aufenthalte kleiner Gruppen. Auf einer Fläche von knapp 5 ha legten Hirten zudem in lockerer Streuung einige kesselförmige Gruben an – als Vorratsspeicher oder zur Einlagerung schweren Gepäcks sowie möglicherweise als Versteck für Spezialausrüstung?

Eine Prinzessin in Profen

Eher ungewöhnlich ist sodann für den Zeitabschnitt ab der frühen Eisenzeit bis in die Römische Kaiserzeit, dass im Profener Gelände der erosive Abtrag unvermindert voranschritt. Doch kein Wunder: Hier spielte sich ein intensives Geschehen der europäischen Geschichte ab, wie ein Blick auf das Jahr 50 verrät, als die elbgermanischen Hermunduren rund um den mitteldeutschen Fürsten Vibilius den Prinzen Vanjo und Sido militärische Unterstützung für den Sturz ihres im Jahr 19 n. Chr. von den Römern eingesetzten Onkels gewährten.

Der quadische Königshof bei Zohar an der March (heutige Südwestslowakei) honorierte das mitteldeutsche Engagement und bekräftigte das innergermanische Bündnis durch die Vermählung einer seiner adeligen Hoheiten: Die Prinzessin lebte fortan in Profen. Als sie im Alter von 30 bis 40 Jahren verstarb, wurden ihre verbrannten Überreste zusammen mit jenen ihrer Zofe in einen bronzenen römischen Weinmischkessel eingebracht. Das Ossuarium wurde zwar leicht abgesetzt, jedoch inmitten des 600 Grabstellen umfassenden Brandgräberfeldes auf dem Heeg dem Boden anvertraut. Hinweise zur Beisetzungszeremonie fehlen. Die Einäscherung selbst lässt sich indes recht gut nachzeichnen.

2015 waren die archäologischen Geländearbeiten abgeschlossen. Fährt man heute an den zwischen der Bergbau‐Folgelandschaft Mondsee und dem bei der Ortschaft Profen gelegenen Aussichtspunkt, kann man noch die großen Ausmaße der Tagebaurestlöcher erfassen und virtuell per Smartphone und der dort geschalteten Augmented‐Reality‐Technik eine dreidimensionale Zeitreise von der ersten Nutzung des Geländes im Paläolithikum bis heute antreten.

Cover Reiter aus der Steppe

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Reiter aus der Steppe

Immer wieder wurde Europa von Reitervölkern heimgesucht, die aus den Weiten der eurasischen Steppen nach Westen drängten. Man kann sich kaum einen größeren Gegensatz vorstellen: Hier die an die Scholle gebundenen Bauern, dort Nomaden, die in Symbiose mit ihren Pferden lebten. Ihre Beweglichkeit förderte kriegerische Tugenden. Zu allen Zeiten gefürchtet, wurden sie gerne von etablierten Mächten wie Rom in Anspruch genommen. Kimmerier, Skythen, Hunnen, Awaren, Bulgaren, Ungarn – was haben sie gemeinsam, was trennt sie? Ein Querschnitt durch Jahrtausende.