Langjährige kulturelle Kontinuität an der ältesten besiedelten Stätte Westafrikas enthüllt

Steinwerkzeuge, die in der Nähe der senegalesischen Küste gefunden wurden, deuten auf eine Besiedlung der Region vor 150.000 Jahren hin und sind vergleichbar mit denen, die zu dieser Zeit in ganz Afrika zu finden waren, jedoch waren sie in der Region bis vor 10.000 Jahren einzigartig.

Ein Kern aus der mittelsteinzeitlichen Steinwerkzeugsammlung von der Stätte Bargny 1.
Ein Kern aus der mittelsteinzeitlichen Steinwerkzeugsammlung von der Stätte Bargny 1. © Khady Niang

Belege für die menschliche Evolution in Westafrika gibt es nur wenige, aber aktuelle Studien deuten darauf hin, dass es im Gegensatz zu anderen Regionen des Kontinents einzigartige Muster des kulturellen Wandels gibt. Ein neuer Artikel in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution berichtet über die älteste direkt datierte archäologische Stätte in Westafrika. Der Standort zeigt eine technologische Kontinuität, die sich über etwa 140.000 Jahre erstreckt, und bietet Einblicke in die ökologische Stabilität der Region.

Unsere Spezies entwickelte sich vor etwa 300.000 Jahren in Afrika und benutzte bis vor ungefähr 30 – 60.000 Jahren typischerweise Werkzeuge und Methoden der Werkzeugherstellung, die als Werkzeugsätze der Mittleren Steinzeit bezeichnet werden. Ungefähr zu dieser Zeit begannen sich eindeutige Werkzeugbausätze der jüngeren Steinzeit im nördlichen, östlichen und südlichen Afrika herauszubilden. Obwohl aktuellere Erkenntnisse auf eine viel spätere Verwendung der mittelsteinzeitlichen Werkzeuge in Westafrika, bis vor etwa 10.000 Jahren hindeuten, ist das Alter dieser Technologien kaum bekannt.

Das könnte Sie auch interessieren!

Cover AiD 223

Out of Africa

Stand der Wissenschaft ist: Der moderne Mensch verließ vor 70 000 bis 60 000 Jahren Afrika und besiedelte die gesamte Welt. Doch nicht alles ist so simpel, wie es scheint. Jüngste Studien zeigen: Es gibt nicht den einen kulturellen Kontext oder die eine kulturelle Revolution, die in Ostafrika ihren Ausgang nahm und sich dann bis nach Europa ausbreitete! Es gibt auch nicht den schrittweisen Fortgang kultureller Veränderung von Süden nach Norden. Im Gegenteil, ganz Europa erlebte den Beginn der jüngeren Altsteinzeit so gut wie gleichzeitig!

Die aktuelle Studie, geleitet von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie, der Universität Cheikh Anta Diop de Dakar, der Universität Sheffield und der Universität von Südflorida, erweitert den Zeitrahmen, in dem Werkzeuge der Mittleren Steinzeit aus Westafrika bekannt sind, auf vor über 150.000 Jahre, basierend auf Ausgrabungen der küstennahen Stätte Bargny 1.

„Die Steinwerkzeugsammlung, datiert auf 150.000 Jahre vor unserer Zeit, zeigt klassische Merkmale der Mittleren Steinzeit, wie die Nutzung der Levalloistechnik und der Methode der Diskoidalen Reduktion sowie die Verwendung von kleinen retuschierten Abschlagwerkzeugen anstatt größerer Geräte“, sagt Dr. Khady Niang, Hauptautorin der Studie. „Die Funde von Bargny 1 sind mit ähnlich alten Funden aus anderen Teilen des Kontinents vergleichbar und der Fundort ist der erste in Westafrika, der auf das Mittlere Pleistozän datiert ist, also noch vor dem Beginn einer umfangreichen technologischen Regionalisierung in anderen Teilen Afrikas.“

150.000 Jahre alte Sedimente in der Stätte Barny 1, die die ältesten Werkzeuge aus der Mittleren Steinzeit in Westafrika enthalten.
150.000 Jahre alte Sedimente in der Stätte Barny 1, die die ältesten Werkzeuge aus der Mittleren Steinzeit in Westafrika enthalten. © Jimbob Blinkhorn

Der Fundort selbst liegt in der Nähe der modernen Küstenlinie, südlich von Dakar, Senegal. Zwar wurden an der Fundstelle keine Artefakte gefunden, die auf eine direkte Nutzung der Küstenressourcen durch den Menschen hindeuten, doch bietet die Untersuchung der dazugehörigen Umgebungen eine umfassendere Perspektive.„Wir haben Mikrofossilien von Mangroven und Brackwasserpflanzen gefunden, die mit der Besiedlung des Standorts in Verbindung stehen“, ergänzt Dr. Chris Kiahtipes von der Universität von Südflorida, Ko-Autor der Studie. „Dies ist besonders interessant, da es zeigt, dass der Standort in der Nähe einer Flussmündung lag und demonstriert, wie wichtig diese Lebensräume für die Menschen in Vergangenheit und Gegenwart sind.“Die Studie hebt die langfristige Beständigkeit von Kernelementen mittelsteinzeitlicher Werkzeugsätze in Westafrika hervor, ohne Anzeichen für das Auftreten spezialisierter technologischer Entwicklungen, die andernorts beobachtet wurden, zu finden.

„Bevölkerungen der Mittleren Steinzeit passten sich an ein breites Spektrum von Lebensräumen an und setzten sich mit den klimatischen Veränderungen in ganz Afrika auseinander. Aber in Westafrika sehen wir eine beträchtliche ökologische Stabilität während der letzten 150.000 Jahre“, ergänzt Dr. Jimbob Blinkhorn. „Eine Erklärung für die von uns beobachtete dauerhafte kulturelle Kontinuität ist, dass es sich um eine stabile Verhaltensanpassung an stabile Umweltbedingungen handelt, während die potenzielle Isolierung von anderen Populationen in ganz Afrika auch zu einer demographischen Stabilität geführt haben könnte. Letztlich trägt unsere Studie dazu bei, die fortdauernde Nützlichkeit von Technologien der Mittleren Steinzeit zu verdeutlichen, um die vielfältigen Lebensräume in ganz Afrika zu bewohnen.“

Nach Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für Geoanthropologie

Das könnte Sie auch interessieren!

Klimaschwankungen in Ostafrika waren ein Motor für die Evolution des Menschen

Drei Schlüsselphasen mit unterschiedlichen, dramatischen Klimaschwankungen in Ostafrika fielen mit Verschiebungen in der Entwicklung und Ausbreitung der Hominiden (alle menschlichen Vorfahren der Gattung Homo einschließlich des heutigen Menschen) in den letzten 620.000 Jahren zusammen. Das ergab eine Rekonstruktion der damaligen Umweltbedingungen anhand von Seesedimenten aus der unmittelbaren Nähe wichtiger paläoanthropologischer Siedlungsstätten in Südäthiopien. Ein internationales Tiefbohrprojekt unter der Leitung von Wissenschaftler*innen der Unis Köln, Potsdam, Aberystwyth und Addis Ababa nahmen die Rolle des Klimawandels für das jüngste Kapitel der menschlichen Evolution unter die Lupe.