Von West nach Ost durch Thüringen ‒ die Erdgastrasse EGL 442

Von August 2019 bis Dezember 2022 wurden durch das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) bauvorgreifende archäologische Grabungen an der Erdgastrasse EGL 442 durchgeführt, die auf knapp 110 km durch die Landkreise Sonneberg, Saalfeld-Rudolstadt, Saale-Orla-Kreis und Greiz zieht. Insgesamt konnten fast 50 neue archäologische Fundplätze untersucht werden, es handelt sich vor allem um urgeschichtliche Siedlungen sowie mittelalter- und neuzeitliche Wüstungen, Gräberfelder, Plätze des Waldgewerbes und Hohlwegeaufnahmen. Daneben erfolgten naturwissenschaftliche Begleitdokumentationen wie Archäobotanik, Anthropologie, Archäozoologie bis hin zur Geologie und Bodenkunde, aber auch geophysikalische Untersuchungen sowie regionalhistorische und archivalische Studien.

Erdgastrasse EGL 442 Orlasenke Thüringen
Grabungsarbeiten in der Orlasenke. Sie stellt ein Hauptsiedlungsgebiet an der EGL 442 Erdgastrasse dar. Foto: F. Schönfeld, TLDA, Weimar

Zu den ältesten Fundplätzen gehört ein steinzeitliches Jagdlager, das auf den Höhen des Thüringer Waldes im Areal der Wüstung Glücksthal, Lkr. Sonneberg, untersucht werden konnte. Zwei Bestattungsplätze kamen in der Orlasenke bei Unter- und Oberwellenborn, Lkr. Saalfeld-Rudolstadt, zutage. Während der eine anhand nur weniger Urnen in die frühe Bronzezeit datiert, konnten auf dem anderen 62 Brandbestattungen aus der Spätlatènezeit und der frühen römischen Kaiserzeit ergraben werden. Letztere setzten sich aus Urnen- und Brandschüttungsgräbern zusammen. Ein besonderer Grabfund für Thüringen ist ein Terra-Nigra-Gefäß mit Bodenstempel und Strichverzierung. 

Das könnte Sie auch interessieren!

Alte Wasserwege neu entdeckt bei Neuhaus am Rennweg

2022 begannen durch ThüringenForst Sanierungsarbeiten an Damm und Durchlass des Altfrauteiches, der als einer von insgesamt 15 ehemaligen historischen Flößerteichen bei Neuhaus am Rennweg, Lkr. Sonneberg, überdauert hat.

In der Gemarkung Seisla im Saale-Orla-Kreis konnten in unmittelbarer Nähe zwei Siedlungsplätze dokumentiert werden. Es sind ein spätbronzezeitliches Grubenareal und ein mehrperiodiger Wohn- und Wirtschaftsplatz, der ebenfalls in die späte Bronze- und vorrömische Eisenzeit datiert. Bei ersterem fand sich in einer Grube eingebettet ein Hundeskelett, ein früher Beleg einer Hundedeponierung. Der zweite Fundplatz fiel durch zahlreiche, bis zu 1,55 m tiefe Vorratsgruben, zwei Ofenbefunde und mehrere Hausstandorte auf. Dabei kam in einer recht unscheinbaren Abfallgrube ein goldenes Regenbogenschüsselchen aus dem 2. Jh. v. Chr. zum Vorschein.

Der Glasherstellung, dem Köhlerwesen, der Pechsiederei und der Eisenproduktion verdanken der Thüringer Wald und das Thüringer Schiefergebirge seit dem späten Mittelalter überregionale Bedeutung. Bei den Grabungen konnten u. a. der Standort eines spätmittelalterlichen Pechofens und eine neuzeitliche Glashütte, ebenfalls bei Glücksthal, untersucht werden. Die Sattelpassstraße, die seit der Frühgeschichte das Thüringer Schiefergebirge von Nord nach Süd quert, konnten ebenso wie der historische Rennsteig zwischen Limbach und Neuhaus am Rennweg, Lkr. Sonneberg, aufgenommen werden. Die Mehrphasigkeit dieser Hohlwege zeigt ihr hohes Nutzungspotential und ihre teilweise überregionale Bedeutung.

Ines Spazier, Mathias Seidel, TLDA

Mit freundlicher Genehmigung des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie

Das könnte Sie auch interessieren!

Cover AiD 323

Denkmal unter Strom

Ob Solarfelder, Windräder oder Stromtrassen – die Energiewende ist nicht nur in Deutschland in aller Munde und in vollem Gang. Untrennbar mit ihr verbunden ist allerorts die Bodendenkmalpflege, denn wo gebaut wird, bedarf es einer archäologischen Begleitung. Im Heftthema werfen wir daher einen Blick auf die Frage, was die Energiewende und der Landschaftsumbau für das Kulturgut im Boden bedeutet und welche Auswirkungen sie insbesondere für den Schutz von Denkmalen, Fundstellen, Befunden und Funden mit sich bringt.