Haselnüsse für Archäologen

Archäologen analysieren die Kohlenstoffisotopenwerte von Haselnüssen aus archäologischen Stätten, um herauszufinden, wie die Wälder vor Ort aussahen.

Wenn wir in einer Landschaft stehen könnten, die unsere mesolithischen Vorfahren ihr Zuhause nannten, was würden wir um uns herum sehen? Wissenschaftler haben eine Methode entwickelt, mit der sie konservierte Haselnussschalen analysieren können. So ist es möglich festzustellen, ob die Mikrohabitate um archäologische Stätten stark bewaldet oder offen und weideähnlich waren. Dies könnte nicht nur helfen zu verstehen, wie eine lokale Umgebung vor Tausenden von Jahren aussah sondern auch, wie Menschen ihre Lebensräume im Laufe der Zeit beeinflusst haben.

Skizze Archäologen nehmen Pollenproben zur Analyse
Ein Archäologe nimmt Proben von Pollen, die im Boden gefunden wurden, um die sich verändernde Vegetation einer Stätte zu verstehen. Eine ergänzende Technik zur Analyse von Haselnussschalen durch die Autoren. Abb.: Nils Forshed

Proben vom Mesolithikum bis zur Eisenzeit

„Durch die Analyse des Kohlenstoffs in Haselnüssen, die an archäologischen Stätten in Südschweden gefunden wurden, von mesolithischen Jäger- und Sammlerlagern bis hin zu einer der größten und reichsten eisenzeitlichen Siedlungen in Nordeuropa, zeigen wir, dass Haselnüsse in immer offeneren Umgebungen geerntet wurden“, so Dr. Amy Styring von der Universität Oxford, Hauptautorin des Artikels in Frontiers in Environmental Archaeology.

Seit Jahrtausenden nutzen die Menschen in Nordeuropa Haselnussbäume als Material- und Nahrungsquelle. Für die Menschen, die Hunderte von Haselnüssen sammelten, die an mesolithischen und neolithischen Fundorten gefunden wurden, waren sie eine wertvolle Ressource.

„Die Nüsse sind eine hervorragende Energie- und Eiweißquelle. Sie können zudem lange gelagert und ganz oder zerkleinert verzehrt werden“, so Dr. Karl Ljung von der Universität Lund, Schweden, Hauptautor des Artikels. „Die Schalen könnten auch als Brennstoff verwendet worden sein“.

Wie alle Pflanzen enthalten auch Haselnussbäume Kohlenstoff, der in verschiedenen Formen, den so genannten Isotopen, vorliegt. Die Anteile der verschiedenen Kohlenstoffisotope werden durch das Verhältnis der Kohlendioxidkonzentrationen zwischen den Blattzellen und in der Umgebung verändert. Bei Pflanzen wie der Hasel wird dieses Verhältnis stark von der Sonneneinstrahlung und der Wasserverfügbarkeit beeinflusst. Wo das Wasser nicht knapp ist, wie in Schweden, beeinflusst das Sonnenlicht das Verhältnis viel stärker. Wo es weniger andere Bäume gibt, die um das Sonnenlicht konkurrieren, und die Photosyntheseraten höher sind, haben die Haselnüsse höhere Kohlenstoffisotopenwerte.

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„Das bedeutet, dass eine Haselnussschale von einem archäologischen Fundort, Aufschluss darüber gibt, wie offen die Umgebung war, in der man sie gesammelt hat“, erklärt Ljung. „Das wiederum sagt uns mehr über die Lebensräume, in denen die Menschen auf Nahrungssuche waren.

Um zu prüfen, ob dieser Effekt auch bei archäologischen Proben zu beobachten ist, sammelten die Wissenschaftler Haselnüsse von Bäumen, die an drei Standorten in Südschweden bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen wuchsen. Sie analysierten die Schwankungen ihrer Kohlenstoffisotopenwerte sowie den Zusammenhang zwischen diesen Werten und den Lichtverhältnissen, denen die Bäume ausgesetzt waren. Anschließend untersuchten sie die Kohlenstoffisotopenwerte von Haselnussschalen aus archäologischen Stätten, die ebenfalls in Südschweden gefunden wurden. Sie wählten Schalenfragmente von vier mesolithischen Stätten und elf Stätten aus dem Neolithikum bis zur Eisenzeit aus, von denen einige in mehr als einer Periode bewohnt waren.

Drei Kategorien der Haselnussproben: geschlossen, offen und halboffen

Anhand der Referenzwerte und der archäologischen Ergebnisse führten die Archäologen ein Modell durch, um ihre Haselnussproben einer von drei Kategorien zuzuordnen: geschlossen, offen und halboffen. Da sich die Kohlenstoffisotope einer einzelnen Haselnuss naturgemäß ein wenig von denen anderer Haselnüsse unterscheiden, die in ähnlichen Umgebungen wachsen, verwendeten die Wissenschaftler mehrere Proben von jedem Standort und bewerteten den Anteil der Haselnüsse, die in geschlossenen oder offenen Umgebungen gewachsen waren.

Die Archäologen fanden heraus, dass die Nüsse aus dem Mesolithikum in eher geschlossenen Umgebungen gesammelt wurden. Hingegen stammen die Nüsse aus jüngeren Perioden aus Sammlungen in offeneren Umgebungen. In der Eisenzeit sammelten die meisten Menschen, die die für diese Studie untersuchten Haselnüsse sammelten, die Nüsse in offenen Gebieten und nicht in Wäldern. Ihr Mikrohabitat hatte sich völlig verändert. Dies stimmt mit Umweltrekonstruktionen aus Pollenanalysen überein, aber die Isotopenanalyse kann dazu verwendet werden, ein lokales Umfeld zu veranschaulichen, für das es nur wenige Pollenaufzeichnungen gibt.

„Unsere Studie hat neue Möglichkeiten eröffnet, Umweltveränderungen direkt mit der Nahrungssuche der Menschen zu verknüpfen und die von ihnen genutzten Mikrohabitate zu rekonstruieren“, so Styring. „Wir würden gerne die Kohlenstoff-Isotope von Haselnussschalen aus einer größeren Anzahl von archäologischen Stätten und Umgebungen direkt mit Radiokohlenstoff datieren und messen. Dies wird einen viel detaillierteren Einblick in Wälder und Landschaften in der Vergangenheit geben. Und das wird den Archäologen helfen, die Auswirkungen der Menschen auf ihre Umwelt besser zu verstehen. Uns kann es vielleicht dabei helfen, anders über die Nutzung und Veränderung von Wäldern heute zu denken.

Meldung bei EurekAlert

Originalpublikation:

Styring AK, Jirdén E, Lagerås P, Larsson M, Sjöström A and Ljung K (2024) Carbon isotope values of hazelnut shells: a new proxy for canopy density. Front. Environ. Archaeol. 3:1351411. doi: 10.3389/fearc.2024.1351411