Historiker und Pharmazeuten rekonstruieren historische Medikamente

Forscher der Universität Breslau und der Medizinischen Universität Breslau rekonstruieren und analysieren medizinische Präparate und Medikamente alter polnischer Apotheken. Die Rezepte entnehmen sie Tagebüchern, Briefen, Memoiren und privaten Aufzeichnungen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Zu den großen Kassenschlagern der frühneuzeitlichen Apotheken Polens gehören Theriak – ein Gebräu, das als Gegengift und als Allheilmittel für Infektionskrankheiten eingesetzt wurde, sich aber als reines Placebo-Präparat herausstellte.

Wie Medikamente zubereitet wurden

Darstellung einer frühneuzeitlichen Apotheke aus einem Werk des Wundarztes und Botanikers Hieronymus Brunschwig, um 1505.
Darstellung der Medikamente in einer frühneuzeitlichen Apotheke aus einem Werk des Wundarztes und Botanikers Hieronymus Brunschwig, um 1505.

„Das Projekt bezieht sich auf die Vergangenheit, daher wird unser Projekt natürlich am Institut für Geschichte durchgeführt. Andererseits übersteigt die Forschung, die in der Analyse dieser Arzneimittel besteht, die Kompetenz eines Historikers, weshalb wir eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Fakultät der Medizinischen Universität Breslau pflegen“, erklärt der Historiker Jakub Węglorz.

Seine Aufgabe besteht in der Suche nach historischen Informationen über die im alten Polen verwendeten Arzneimittel. Anschließend stellt der Forscher mit einer Gruppe von Kollegen diese Medikamente in einem Labor nach. Die ergänzende Arbeit besteht in der Analyse des Wirkstoffgehalts und der grundlegenden Wirkmechanismen der rekonstruierten Präparate.

„Es gibt viele dieser Arzneimittel, die natürlich nicht alle eine größere Verbreitung erfuhren. Die Historiker ermitteln ihre Rezepturen und versuchen dann gemeinsam mit den Apothekern, sie in eine zeitgenössische Sprache zu übersetzen – sie bestimmen, was die Namen der Inhaltsstoffe bedeuten und wie sie hergestellt wurden. Der nächste Schritt besteht darin, die Droge in einem Labor herzustellen und ihre Wirkung zu analysieren“, beschreibt Dr. Węglorz.

Theriak – ein Dauerbrenner der polnischen Apotheken

Der Historiker hebt hervor, dass Theriak unter denjenigen Heilmitteln, die aus mehreren Bestandteilen bestehen, die längste Tradition und Anwendungsdauer hat. Er wurde im 3. Jahrhundert v. Chr. als Gegenmittel für alle Arten von Giften entwickelt. Im 2. Jahrhundert n. Chr. verbesserte Andromachos, der Leibarzt von Kaiser Nero, das Rezept durch die Zugabe von Vipernfleisch. Im Mittelalter wurde Theriak von einem Gegenmittel zu einem Allheilmittel und fand Eingang in die Apothekenregale und in die Arzneibücher. Bis ins 18. Jahrhundert betonten die meisten Ärzte den Wert dieses Präparats und empfahlen es sowohl als Mittel gegen Gifte als auch als Maßnahme gegen Infektionskrankheiten, insbesondere die Pest. Die Wahrnehmung von Theriak als vielseitiges Heilmittel endete erst im 19. Jahrhundert.

In der neu publizierten Studie rekonstruierten die Forscher ein Medikament, das beispielsweise während des Ausbruchs der Schwarzen Pest in Toruń im Jahr 1629 verwendet wurde. Das Rezept bestand aus 61 Grundzutaten und drei komplexen Zubereitungen. Das Medikament war eines der teuersten der damaligen Zeit. Es enthielt bestimmte Inhaltsstoffe, die durchaus pharmakologische Wirkungen entfalten konnten, aber auch solche, die heute als giftig gelten.

„Die Hauptschwierigkeit bei unserer Arbeit bestand darin, die vom Apotheker verwendeten Pflanzennamen korrekt zu übersetzen, sorgfältig zu identifizieren und mit der zeitgenössischen botanischen Nomenklatur abzugleichen“, erklärt Dr. Węglorz. Die Untersuchungen zeigen, dass das nach den damaligen Empfehlungen verwendete Theriak nicht giftig sein konnte. Aber hatte es auch heilende Eigenschaften? Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass Theriak seine postulierte Wirksamkeit bei den wichtigsten Indikationen höchstens dem Placebo-Effekt verdankte.

Das Medikament enthält zwar Substanzen, die eine therapeutische Wirkung haben, aber bei der empfohlenen Dosierung reichen ihre Mengen nicht aus, um die menschliche Gesundheit realistisch zu beeinflussen, fassen die Autoren des Artikels „The real Theriac – panacea, poisonous drug or quackery?“ zusammen, der im Journal of Ethnopharmacology veröffentlicht wurde.

Die Beschaffung von Opium und andere wissenschaftliche Probleme

Die Beschaffung exotischer Substanzen, die in der Gegenwart nicht so einfach verfügbar sind, stellte für die Forscher eine große Herausforderung dar. „Einige dieser Inhaltsstoffe sind aus rechtlichen Gründen schwer zu beschaffen. Wir haben zum Beispiel ein großes Problem mit Opium, das derzeit unter strenger Kontrolle steht. Es gibt auch Stoffe, die nicht mehr verwendet werden, wie z. B. Ambra, das heute nur noch in Spuren vorkommt und sehr teuer ist. Es gibt auch ein Problem mit Substanzen, die aus Tieren oder Pflanzen gewonnen werden, die heute geschützt sind“, beschreibt Dr. Węglorz.

Das Forschungsprojekt „Rekonstruktion und Analyse von Arzneizubereitungen auf der Grundlage alter polnischer Ego-Dokumente (16.-18. Jahrhundert)“ wird mit einem Zuschuss des Projekts SONATA BIS in Höhe von über 1,5 Millionen PLN finanziert.

Nach Pressemitteilung von Science in Poland

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