Gab es Globalisierung bereits in der Jungsteinzeit? – Neue Studie zur Herkunft steinzeitlicher Objekte aus Kupfer veröffentlicht

Das wichtigste in Kürze:

Analyse von Bleiisotopen an bisher größter Stichprobe von jungsteinzeitlichen Kupferobjekten belegt, dass der Austausch von Objekten in Europa intensiver und großräumiger stattfand als bisher bekannt.

Die Studie zeigt, dass allein die Einführung neuer Technologien und Materialien nicht unvermeidlich zu sozialen Transformationen führt, sondern deren Integration auf der Entscheidung von Gesellschaften beruhen.

Beile, Dolche und Spiralen aus Kupfer aus dem Depot von Neuenkirchen, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, datieren frühestens um 3600/3500 v.u.Z
Mit der Neolithisierung in Südskandinavien und Norddeutschland wurden auch zunehmend Objekte aus Kupfer ab 4100/4000 v.u.Z. importiert. Die Beile, Dolche und Spiralen aus dem hiergezeigten Depot von Neuenkirchen, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, datieren frühestens um 3600/3500 v.u.Z. (A. Heitmann/H.Skorna, University of Kiel).

    Der Entdeckung und Verarbeitung von Metall werden in der europäischen Urgeschichte eine hohe kulturhistorische Bedeutung beigemessen. Die Herstellung, Verwendung und Verbreitung von Gegenständen aus Kupfer und die Entwicklung metallurgischer Fertigkeiten im jungsteinzeitlichen nördlichen Zentraleuropa und Südskandinavien stehen im Fokus einer am 10. Mai, in der renommierten internationalen Fachzeitschrift PLOS ONE, veröffentlichten Studie des SFB 1266 „TransformationsDimensionen“.

    Während der Jungsteinzeit im nördlichen Zentraleuropa und Südskandinavien waren Steine, wie Flint, wichtige Werkstoffe, die über hunderte von Kilometer ausgetauscht wurden. Dennoch tauchen in dieser Zeit erste Objekte aus Kupfer auf, obwohl es keine Hinweise auf einen steinzeitlichen Abbau von Kupfer in nördlichen Zentraleuropa und Südskandinavien gibt. Im Fokus der Studie standen damit die Fragen, woher das Rohmaterial der Artefakte stammte und wie sich der Kontakt mit neuen Rohstoffe und Technologien auf Gesellschaften auswirkten.

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    Woher stammte das Kupfer?

    Eine Verbindung mit frühen Zentren der Kupfermetallurgie im südöstlichen Zentraleuropa wurde bereits in früheren Studien diskutiert. Neuere Untersuchungen zeigen allerdings, dass frühere Analysen zur Herkunft des Rohmaterials als unzuverlässig einzustufen sind. Daher wurden im Rahmen der Studie insgesamt 45 jungsteinzeitliche Kupferobjekte für neue Bleiisotopenanalysen ausgewählt. „Das ist die bisher größte Stichprobe jungsteinzeitlicher Objekte aus der nordeuropäischen Tiefebene und Südskandinavien“, sagt Dr. Jan Piet Brozio Leiter der Studie, „Untersucht wurden verschiedene archäologische Artefakte wie Beile, Spiralen und Meißel aus der frühen bis späten Jungsteinzeit sowie der frühen Bronzezeit. Die Methode zur Interpretation der analysierten Daten beruht auf dem Vergleich der Geochemie und der Bleiisotopenverhältnisse archäologischer Artefakte mit den analytischen Daten von Mineralien aus Kupfererzlagerstätten.“

    Die Analysen ergaben das die Kupfererzlagerstätten in Südosteuropa, insbesondere in den serbischen Bergbaugebieten, für die frühen jungsteinzeitlichen Artefakte des Nordens (ca. 4100-3300 vor unserer Zeit) verwendet wurden. Die wahrscheinlichsten Kupferquellen für die wenigen mitteljungsteinzeitlichen Artefakte (ca. 3300-2800 vor unserer Zeit) scheinen aus dem slowakischen Erzgebirge, den serbischen Bergbaugebieten und den Ostalpen zu stammen, während für die Artefakte aus der späten Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit (ca. 2300-1700 vor unserer Zeit) Lagerstätten im slowakischen Erzgebirge und in der Alpenregion verwendet wurden. Für die Artefakte, die auf die Zeit nach 2000 vor unserer Zeit datiert werden, scheint auch das Bergwerk Great Orme in Wales eine der Kupferquellen der untersuchten Metalle gewesen zu sein.

    Zwischen 3500 und 3000 v.u.Z. stammt das exotische Kupfer aus den Alpen, der Slowakischen Erzminen sowie Serbien und Bulgarien. In Südskandinavien und Norddeutschland fand während des Neolithikums kein Kupferabbau statt
    Zwischen 3500 und 3000 v.u.Z. stammt das exotische Kupfer aus den Alpen, der Slowakischen Erzminen sowie Serbien und Bulgarien. In Südskandinavien und Norddeutschland fand während des Neolithikums kein Kupferabbau statt (C. Reckweg, CAU Kiel).

    Erstmalige Nutzung von Kupfer war nicht nur ein rein technologischer Fortschritt

    Die erstmalige Integration der Kupfermetallurgie und die Verwendung von Kupferobjekten in jungsteinzeitlichen Gesellschaften im nördlichen Zentraleuropa und Südskandinavien sind nicht nur als ein reiner technologischer Fortschritt zu sehen, sondern werden von den Archäologinnen und Archäologen als Teil einer umfassenderen Entwicklung interpretiert. „Zu diesen Entwicklungen gehörten das Aufkommen neuer Kommunikations- und Austauschnetzwerke sowie Veränderungen in der Subsistenzwirtschaft und neue Technologien wie die Einführung des Hakenpfluges oder von Rad und Wagen“, erläutert Prof. Johannes Müller Sprecher des SFB 1266. Die frühe Etablierung der Kupfermetallurgie war allerdings kein nachhaltiger Prozess, auch wenn es sich im engeren Sinne um kupferzeitliche Gesellschaften handelt. Erst in der späten Jungsteinzeit und in der Frühbronzezeit integrierten die nordischen Gesellschaften die Kupfermetallurgie so in ihr Wirtschaftssystem, dass diese Gesellschaften einen „Point of no Return“ in Bezug auf die Metallurgie erreichten und zunehmend mehr Metallartefakte als Werkzeuge in der Subsistenzwirtschaft sowie zur Darstellung von Machtstrukturen verwendeten.

    Weitere Informationen zum Sonderforschungsbereich 1266 gibt es hier:

    Originalpublikation:

    Jan Piet Brozio, Zofia Stos-Gale, Johannes Müller, Nils Müller-Scheeßel, Sebastian Schultrich, Barbara Fritsch, Fritz Jürgens, Henry Skorna, The Origin of Neolithic Copper on the Central Northern European Plain and in Southern Scandinavia: Connectivities on a European Scale, PLOS ONE (2023).

    Nach Pressemitteilung der Uni Kiel

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