Tudor-Gesellschaft war multikultureller als gedacht


Als das Tudor-Kriegsschiffs Mary Rose sank, ging die Besatzung mit ihr unter. Jetzt wurden die Biografien von acht Besatzungsmitgliedern, die man unter den Überresten fand, mithilfe modernster archäologischer Methoden enthüllt.

Rekonstruktion der Biographien

Forschende der Universität Cardiff haben in Zusammenarbeit mit dem Mary Rose Trust und dem British Geological Survey modernste wissenschaftliche Techniken eingesetzt, um die Abstammung, die Kindheit und die Ernährungsgewohnheiten einiger der Besatzungsmitglieder, die 1545 auf dem Schiff ums Leben kamen, zu ermitteln. Diese Informationen wurden genutzt, um herauszufinden, wo in Großbritannien und darüber hinaus sie aufgewachsen sind.

Die Daten deuten darauf hin, dass drei der acht Besatzungsmitglieder aus wärmeren, südlicheren Klimazonen als Großbritannien stammen könnten, z. B. von den südeuropäischen Küsten, aus Iberien und Nordafrika. Die Forschenden sagen, dass die verbleibenden fünf Besatzungsmitglieder wahrscheinlich im Westen Großbritanniens aufgewachsen sind. Jedoch legt eine weitere Analyse nahe, dass einer dieser Männer afrikanischer Abstammung war.

Die Mary Rose war ein erfolgreiches Kriegsschiff und diente Heinrich VIII. 34 Jahre lang. Sie sank während der Schlacht im Solent vor der Südküste Englands, wobei der Großteil ihrer Besatzung ums Leben kam.

Die Erstautorin der Arbeit, Jessica Scorrer, MSc-Absolventin an der School of History, Archaeology and Religion der Cardiff University, sagte: „Unsere Ergebnisse weisen auf die wichtigen Beiträge hin, die Individuen mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlicher Herkunft in der englischen Marine während der Tudor-Zeit leisteten. Dies ergänzt die ständig wachsenden Belege für die Vielfalt der geografischen Herkunft, der Abstammung und der Lebenserfahrungen im England der Tudor-Zeit.“

1982, 437 Jahre nachdem die Mary Rose gesunken war, bargen Forschende die Überreste der Mary Rose und 19.000 Artefakte. Anschließend restaurierte man von denen viele Tausend in Portsmouth Historic Dockyard und stellt sie nun aus, wo sie seither Gegenstand umfangreicher Forschungen sind.

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Virtuelle Vergangenheit

Digitale Technologien drängen mit Macht in die Archäologie. Eine besondere Chance bietet die Virtualisierung: Virtuelle Rekonstruktionen von Objekten oder gar ganzer Lebenswelten schlagen eine Brücke von der Wissenschaft zur Öffentlichkeit, wecken Interesse und Verständnis für das kulturelle Erbe. Apps holen Funde aus dem Archiv und tragen sie in die Landschaft, bringen Ausgrabungsbefunde ins Museum oder gleich alles auf einmal ins heimatliche Wohnzimmer. Im Thema zeigen Fachleute exemplarisch die schier grenzenlosen Möglichkeiten.

Vielfältige Funde im Wrack

Für diese neueste Studie verwendeten die Forscher eine Technik namens Multi-Isotopen-Analyse an Zähnen. Dadurch untersuchten sie, wo die acht Besatzungsmitglieder ihre frühen Jahre verbrachten und wie ihre Ernährung aussah. Denn in den Zähnen verbleiben chemische Spurenstoffe aus der Nahrung und dem Wasser, das sie in ihrer Kindheit zu sich nahmen. Sodass die Zähne wichtige Hinweise auf den geografischen Standort liefern an dem die Personen ihre Kindheit verbrachten. Dies hat es dem Team ermöglicht, die Quellen ihrer Ernährung zu erforschen.

Dr. Richard Madgwick sagte zudem: „Durch die Kombination neuester wissenschaftlicher Methoden mit Erkenntnissen aus Artefakten konnten wir die Biografien von acht Personen aus der Tudorzeit viel detaillierter rekonstruieren, als es normalerweise möglich ist. Dadurch zeigte man ihre unterschiedliche Herkunft auf. Sowie den ersten direkten Beweis für Seeleute afrikanischer Abstammung in der Marine Heinrichs VIII. geliefert.“

Die acht Besatzungsmitglieder bilden auch die Grundlage für eine temporäre Ausstellung „The Many Faces of Tudor England“.

Dr. Alexzandra Hildred, Leiterin der Forschungsabteilung und Kuratorin von Ordnance and Human Remains beim Mary Rose Trust, sagte:

„Die Vielfalt und Anzahl der geborgenen persönlichen Artefakte, die eindeutig nicht aus englischer Produktion stammten, hat uns zu der Frage veranlasst, ob einige der Besatzungsmitglieder von Geburt an Ausländer waren. Wir hätten jedoch nie erwartet, dass diese Vielfalt so reichhaltig sein würde. Diese Studie verändert unsere bisherigen Vorstellungen über die Zusammensetzung der entstehenden englischen Marine.“

Nach Pressemeldung des Mary Rose Projekts.

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