Mit einem Durchmesser von ca. 80 m gehört der ungefähr 2 km von der Heuneburg entfernt liegende Hohmichele zu den größten späthallstattzeitlichen Grabhügeln Süddeutschlands. Heute inmitten eines Waldes gelegen, dürfen wir uns den Hohmichele und die umgebenden Grabhügel als ursprünglich weit sichtbares Monument vorstellen, das den Machtanspruch der lokalen Elite unterstrich.

Archäologische Landschaften entlang der Donau

Von Sarah Scoppie, Leif Hansen, Jonas Abele, Corinna Csikós, Andrew Lamb und Dirk Krausse; Titelbild: Mit einem Durchmesser von ca. 80 m gehört der ungefähr 2 km von der Heuneburg entfernt liegende Hohmichele zu den größten späthallstattzeitlichen Grabhügeln Süddeutschlands. Heute inmitten eines Waldes gelegen, dürfen wir uns den Hohmichele und die umgebenden Grabhügel als ursprünglich weit sichtbares Monument vorstellen, das den Machtanspruch der lokalen Elite unterstrich.
Foto: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/Ingo Rack

Das reiche kulturelle Erbe des Donauraums ist mit bloßem Auge oft nicht zu erkennen. Um dies zu ändern, befassten sich 24 Institutionen aus neun EU-Ländern von 2020 bis 2022 mit dem Projekt »Danube’s ­Archaeological eLandscapes«. Das Vorhaben wird hier am Beispiel der Heuneburg vorgestellt.

»Der Istros (griechisch die Donau) nämlich entspringt bei den Kelten und der Polis Pyrene und fließt mitten durch Europa«, so berichtete um die Mitte des 5. Jh. v. Chr. der griechische Historiker Herodot von Halikarnassos (484 – 425 v. Chr.) in seinem berühmten Werk Historien (II,33). Aber nicht nur für die keltischen Kulturgruppen am nördlichen Alpenrand spielte die Donau eine ­heraus­ragende Rolle. Der Fluss verbindet die ­Region mit dem Schwarzen Meer und ermöglichte somit weitreichende Kulturkontakte in den Mittelmeerraum und darüber hinaus. Die Kelten dürften dabei auf bereits lange zuvor bestehende Kommunikationsnetzwerke zurückgegriffen haben, die auch nach ihrem Verschwinden noch Bestand hatten. Im Römischen Reich nahm die Donau die wichtige Rolle der Reichsgrenze ein, und im Mittelalter verhalf sie den süddeutschen Reichsstädten zu außergewöhnlichem Wohlstand.

Dennoch bleibt das reiche und kulturell vielfältige Erbe des Donauraums Besuchern häufig verborgen. Vor allem die archäologischen Zeugnisse vergangener Kulturen sind oft unsichtbar und werden nicht wahrgenommen. Zugleich bieten die archäologischen Landschaften entlang dieses Europa verbindenden Flusses vielfältige Möglichkeiten für einen nachhaltigen Tourismus. Hier setzte das Projekt »Danube’s Archaeological eLandscapes« an, dessen erfolgreiche Arbeit am 4. November 2022 mit einem abschließenden Event am Archäologischen Museum Zagreb gefeiert wurde.

»Danube’s Archaeological eLandscapes«

Das Projekt »Danube’s Archaeological eLandscapes« ist Teil der »European Territorial Cooperation«, auch bekannt als Interreg, und wird über das »Danube Transnational Programme« finanziert. Letzteres gehört zu den umfangreichsten Programmen zur Förderung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Kooperationen in der EU. Um die Zusammenarbeit der Regionen über die jeweiligen Nationalgrenzen hinaus zu unterstützen, fördert das Programm die Entwicklung von Strategiekonzepten und Empfehlungen zur Lösung gemeinsamer Herausforderungen.

Seit dem 1. Juli 2020 arbeiteten 24 Ins­titutionen aus neun EU-Ländern an einer gemeinsamen digitalen Strategie und der Entwicklung von »best practice«-Standards zur Förderung von Maßnahmen, um das archäologische Erbe über die Grenzen der Donauländer hinweg bekannt zu machen. Im Zentrum des Projekts stehen dabei die Visualisierung und digitale Erreichbarkeit bzw. Barrierefreiheit herausragender archäologischer Stätten und ­Funde mithilfe digitaler Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality ­sowie der Zugang zu diesen digitalen Landschaften, oder »eLandscapes«.

Der deutsche Donauraum war mit einem Team vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart vertreten, das zum ersten Mal an einem Interreg-Projekt des »Danube Transnational Programme« teilnahm. Im Fokus der Projektarbeit stand die Digitalisierung der eisenzeitlichen Landschaft um die Heuneburg mit einer neuen, aktuellen Visualisierung einer Nebenbestattung (Grab VI) aus dem Hohmichele.

Auch digitale Rekonstruktionen wie diese Visualisierung des Köchers aus dem Nebengrab VI, erste Hälfte des 6. Jh. v. Chr., im Hohmichele spielen eine Rolle in der Sichtbarmachung der archäologischen Landschaften entlang der Donau.
Auch digitale Rekonstruktionen wie diese Visualisierung des Köchers aus dem Nebengrab VI, erste Hälfte des 6. Jh. v. Chr., im Hohmichele spielen eine Rolle in der Sichtbarmachung der archäologischen Landschaften entlang der Donau. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/B. Csampai; wissenschaftliche Rekonstruktion L. Hansen/J. Abele

Von den Quellen der Donau …

Die Heuneburg am Fuß der Schwäbischen Alb zählt aufgrund der exzeptionellen Erhaltungsbedingungen und des hervorragenden wissenschaftlichen Forschungsstands zu den bedeutendsten archäologischen Fundstätten der frühkeltischen Zeit. Etwa 2 km westlich der Befestigung liegt der sogenannte Hohmichele, mit einem Durchmesser von ca. 80 m und einer Höhe von 13,5 m eines der größten und imposantesten Grabmonumente dieser Zeit in Mitteleuropa. Der Archäologe Gustav Riek ließ 1937 / 38 große Teile des Hohmichele ausgraben, wobei neben der ebenerdigen, aus Eichenbohlen aufgebauten zentralen Grabkammer weitere Nachbestattungen aufgedeckt wurden. Bei dem Primärgrab handelte es sich um ein einstmals wohl außerordentlich reiches Wagengrab, das bereits kurz nach der Beisetzung ausgeraubt wurde. Von besonders hohem wissenschaftlichen Wert ist das Nebengrab VI. Hier waren eine Frau und ein Mann in einer hölzernen Grabkammer beigesetzt worden, die unversehrt blieb. Neben einem vierrädrigen Wagen belegen mehrere Bronzegefäße, Pferdegeschirrelemente, Perlenketten aus Glas und Bernstein sowie ein Köcher mit 51 Pfeilen den Reichtum und hohen gesellschaftlichen Rang der Bestatteten. Anhand des Fundmaterials aller Gräber lässt sich auf einen Belegungszeitraum des Hohmicheles vom ausgehenden 7. bis in die zweite Hälfte des 6. Jh. v. Chr. schließen. Damit fallen die Anlage und Nutzung des Großgrabhügels in die Zeit der Gründung und der Blütephase des frühkeltischen Machtzentrums an der Heuneburg. Grab VI sticht besonders hervor, da es eines der wenigen nicht beraubten Prunkgräber der ersten Hälfte des 6. Jh. v. Chr. in dieser Region ist.

… in die virtuelle Welt

Mit der Visualisierung dieser reichen Bestattung hat das baden-württembergische Team zur gemeinsamen Ausstellung aller Partner »Geschichten aus der Vergangenheit. Virtuelle Reise in verlorene Welten« beigetragen. Die Ausstellung, die in neun Museen entlang der Donau gezeigt wurde, erlaubte es Besuchern, als »Zeitreisende« 16 Fundstellen aus acht verschiedenen Epochen virtuell zu erkunden – ganz vorn mit dabei der Hohmichele an der Heuneburg.
Um diese verlorenen Welten mit ihren herausragenden archäologischen Stätten über die Laufzeit der Ausstellung und das Projektende hinweg attraktiver und zugänglicher zu machen, arbeiten die Partner nicht nur an einer weiteren gemeinsamen kulturellen Route, die das bereits bestehende Netzwerk europäischer Kulturrouten ergänzen wird, sondern haben auch eine App entwickelt, welche die archäologischen Landschaften der Donau digital, also als »eLandscapes«, erfahrbar macht. Von den altsteinzeitlichen Eiszeithöhlen über die Heuneburg und das Ulmer Münster bis hin zu prunkvollen eisenzeitlichen Grabhügeln in Österreich und einzigartigen frühmittelalterlichen Zeugnissen in Bulgarien lässt sich der Donauraum bequem vom Wohnzimmer aus erkunden.


Webtipps

www.archaeologie-an-der-oberen-donau.de
www.denkmalpflege-bw.de/denkmale/projekte /archaeologische-denkmalpflege/heuneburg.de
www.heuneburg-pyrene.de 
www.heuneburg.de 
www.interreg-danube.eu / approved-projects / danube-s-archaeological-
elandscapes

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